zum Hauptinhalt
Die Brandschutzanlage des BER macht wieder Ärger - und jetzt wackelt auch der Eröffnungstermin.

© dapd

Flughafen BER: Welche Folgen hat das neue Gutachten?

Ein neues Gutachten zeigt: Die Probleme mit dem Brandschutz halten an. Möglicherweise kann der neue Flughafen BER auch im Oktober 2013 noch nicht eröffnet werden. Welche Folgen hat das?

Seit dem 30. Oktober liegt der Flughafen-Geschäftsführung ein brisantes Schreiben vor, ein Gutachten zum Brandschutz. Die Verfasser kommen darin vor allem zu einem Urteil: Es sieht nicht gut aus mit der Anlage.

Wie kam es zu den neuen Problemen?
Offenbar sind es gar keine neuen, sondern bekannte Probleme. Der Technikchef Horst Amann hatte die Brandschutzgutachter von der Firma hhp Berlin aufgefordert, „die bisherigen Lösungsansätze für die bekannten Probleme beim Brandschutz für den Flughafen Berlin Brandenburg schriftlich darzulegen“. Zuvor soll das Unternehmen sich noch optimistisch gezeigt haben. In dem Bericht aber kommt hhp zu einem ganz neuen Urteil. Jetzt sieht es den auf 27. Oktober 2013 verschobenen Eröffnungstermin „kritisch“. Grund sind gravierende Abweichungen zwischen „Brandschutzkonzept, Baugenehmigung und baulicher Realisierung des Flughafens“, wie Amann bestätigte. „Die Auswertung der Stellungnahme von hhp in den zurückliegenden Tagen hat ergeben, dass noch nicht für alle offenen Punkte tragfähige Lösungen vorliegen.“ Derzeit arbeite er mit Planern und Experten daran, Lösungen zu finden. Bei einem Krisentreffen zu Wochenbeginn soll geklärt werden, ob Umbaumaßnahmen nötig sind, und ob der Eröffnungstermin gehalten werden kann.

Warum kämpft der Flughafen noch immer mit dem Brandschutz?
Als sich 2011 abzeichnete, dass es auf dem BER äußert eng werden könnte für die Eröffnung im Juni 2012, wurde alles getan, um den Flughafen rechtzeitig fertig zu stellen – mit fatalen Folgen. Technische Vorgaben wurden missachtet, Kabelschächte gegen alle Vorschriften überbelegt und auch bei der Brandschutzanlage hielt man sich offenbar nicht an die Pläne. Bei der Entrauchungstechnik in der Gepäckausgabehalle sind nach Ansicht der Brandschutz-Experten die von der zuständige Baubehörde im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald genehmigten Pläne nicht eingehalten worden. Deshalb sind dort jetzt offenbar umfangreiche Umbaumaßnahmen nötig. Das Terminal müsse wieder aufgerissen werden, heißt es. Auch bei der Sprinkleranlage stellte hhp zahlreiche Abweichungen von der Genehmigung fest. Deshalb fordert das Bauordnungsamt Nachweise, dass die Anlage dennoch zuverlässig funktioniert. Dafür müssen Sachverständige die Anlage umfangreich prüfen, was wiederum mehr Zeit und auch Geld kostet. Fatal ist auch: Berichte, dass am Terminal doch Umbauten nötig werden könnten, waren bislang stets dementiert worden. Intern hatte es auch Zweifel an einer Eröffnung im Herbst 2013 gegeben, weil ein Termin im Jahr 2014 realistischer sei.

Sind Abweichungen von der Baugenehmigung zulässig?
Immer wieder kommt es bei Großprojekten wie dem Hauptstadtflughafen zu Abweichungen von den ursprünglichen Plänen. Das ist erstmal kein Problem, wenn die von Sachverständigen und der Baugenehmigungsbehörde abgenickt wird. Und wenn sich die Bauherren eng mit der Behörde abstimmen. Das aber war über Jahre nicht der Fall. Das Verhältnis zwischen BER-Führung und der Bauordnungsbehörde im Landkreis Dahme-Spreewald war nicht das beste, wie selbst der seit August tätige Technik-Chef Amann zugab. Änderungen müssen man abstimmen und bis zum Ende durchdenken, sagt der zuständige Vize-Landrat Carl-Heinz Klinkmüller (CDU). „Das ist offensichtlich nicht optimal gelaufen.“ Entscheidend sei, wie man die technische Umsetzung hinbekommt, ob die Abweichungen zulässig sind und die Anlagen wie gefordert funktionieren. Beim BER allerdings gab es seit 2008 hunderte Veränderungen, die den Zeitplan schon früh durcheinanderbrachten. Die Planer beklagten sich mehrfach über schwerwiegende Eingriffe der Flughafengesellschaft.

Welche Mehrkosten drohen?

Wie reagieren die Gesellschafter?
Der Bund, Berlin und Brandenburg sind auf Arbeitsebene zeitnah über die neuen Risiken informiert worden. Das sagt jedenfalls Berlins Senatssprecher Meng. Die Stellungnahme von hhp traf per Brief am 30. Oktober bei der Flughafengesellschaft ein. Im Aufsichtsrat sollen die Probleme laut Meng aber kein Thema gewesen sein. Der Sprecher der Flughafengesellschaft, Ralf Kunkel, aber wollte die Frage nicht beantworten, ob der Aufsichtsrat informiert war. „Die Gesellschafter wurden unterrichtet“, sagte er lediglich. Auch Brandenburgs Regierungssprecher Thomas Braune hielt sich bedeckt und sagte lediglich: „Wir haben volles Vertrauen in die Problemlösungskompetenz von Herrn Amann.“ Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) konnte nicht sagen, ob das Gutachten im Aufsichtsrat eine Rolle spielte: „Der Brandschutz ist immer ein Thema.“
Fraglich ist, warum die neuen Probleme erst jetzt, fast zwei Wochen nach Ankunft des hhp-Briefes bei Amann und der zeitnahe Unterrichtung der Gesellschafter nun durch die Medien, bekannt wurden. Zuletzt hieß es von Amann und vom Aufsichtsrat, dass der Termin steht.

Nach der Aufsichtsratssitzung am 1. November hatten die Gesellschafter und die Geschäftsführung zur Genüge Gelegenheit, zumindest darauf hinzuweisen, dass es neue Risiken für die Kosten und den Zeitplan gibt. Im Bundestag war der Flughafen im Verkehrs- und im Haushaltsausschuss in der vergangenen Woche Thema. Dabei ging es um den 312 Millionen Euro hohen Anteil des Bundes an den Mehrkosten. Diese sind nach wie vor gesperrt. „Das ist richtig so“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring, „denn dieses Gutachten zeigt, dass noch sehr viele Fragen offen sind.“ Auch im Berliner Abgeordnetenhaus ging es am Donnerstag beim beschlossenen Nachtragshaushalt um die nötigen Extra-Gelder von 444 Millionen Euro. Ebenfalls am Donnerstag diskutierten die Parlamentarier im Hauptausschuss des brandenburgischen Landtags über die aktuelle Lage. Doch nirgends fiel ein Wort zu dem Gutachten.

Was sagt die Opposition?
Unisono wird der Verdacht geäußert, dass erneut nicht mit offenen Karten gespielt wurde. Möglicherweise um – wegen erneuter Extra-Kosten – die Freigabe der Zuschüsse nicht zu gefährden. Für die Berliner Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sind die neuen Probleme unglaublich. Jetzt müsse endlich Schluss sein mit dem „Schönreden“. Es dränge sich der Verdacht auf, „dass das Parlament bewusst getäuscht wurde, um die Zustimmung zum Nachtragshaushalt zu bekommen“. Sie forderte eine Sondersitzung des Aufsichtsrates, was von der Flughafengesellschaft aber abgelehnt wurde. Der CDU-Fraktionschef im Potsdamer Landtag sagte: „Ich fühle mich von Ministerpräsident Platzeck und der Geschäftsführung belogen.“ Platzeck müsse erklären, warum die Parlamentarier nicht über die neuen Entwicklungen informiert wurden. „Es zeigt sich mal wieder, dass das Misstrauen in Sachen BER berechtigt ist“, sagte Dombrowski. „Niemand kann sagen, was der Flughafen am Ende kosten“.

Drohen nun noch höhere Mehrkosten?
Dem Vernehmen nach ist von mindestens fünf Millionen Euro zusätzliche Kosten für mögliche Umbauten die Rede.

In den durch die Verschiebung kalkulierten Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro ist allerdings ein Puffer von 300 Millionen Euro eingerechnet, so dass davon auszugehen ist, dass mögliche Mehrkosten im Rahmen der bisherigen Finanzplanung zu stemmen sein könnten.
Allerdings gibt es in Sachen Finanzen ganz andere Unbekannte. Da ist zum einen die Wettbewerbskommission in Brüssel, die noch final über die zusätzlichen Gelder entscheiden muss. Und es drohen eine Reihe von Klagen. Am Dienstag hatte bereits die Fluggesellschaft Air Berlin eine Feststellungsklage wegen Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe gegen die Flughafenbetreiber eingereicht. Die Flughafengesellschaft wies die Forderung zurück. Nun bereitet laut „Bild am Sonntag“ auch die Bahn eine Schadenersatzklage in Millionenhöhe gegen die Betreiber vor.

Zur Startseite