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Platzeck neuer BER-Aufsichtsratschef: Zum Fliegen bringen

Es war Matthias Platzecks erste Amtshandlung als neuer Aufsichtsratschef: Geschäftsführer Rainer Schwarz wurde entlassen. Doch dann wurde der Blick am Mittwoch vor allem nach vorn gerichtet. Wie soll das Flughafenprojekt jetzt aufgestellt werden?

Die Eröffnung auf das „Jahr X“ verschoben, unvorstellbarer Baupfusch, explodierende Milliardenkosten: Um den künftigen Berliner Hauptstadt-Airport in Schönefeld vor dem Absturz zu retten, hat der Aufsichtsrat der staatlichen Flughafengesellschaft der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes jetzt erste Weichen gestellt. Das Gremium, das am Mittwoch auf der Baustelle tagte, wählte auf seiner ersten Sitzung nach der Absage des Eröffnungstermins 27. Oktober 2013 den brandenburgischen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zum neuen Chef des Kontrollgremiums. Unter Platzecks Leitung fiel die erste Personalentscheidung: Flughafenmanager Rainer Schwarz fliegt.

Welchen Rückhalt hat Platzeck im Aufsichtsrat?

Der Brandenburger, bislang Vize und nun Nachfolger des Berliner Regierenden Klaus Wowereit auf dem Posten, startet mit vollem Rückhalt. Er wurde einstimmig gewählt. Die Stimmen Berlins und Brandenburg, die je vier Mandate haben, hatte er sicher, ebenso die der fünf Arbeitnehmervertreter. Für Platzeck stimmten am Ende auch die Vertreter des Bundes, die Staatssekretäre Rainer Bomba (Bundesverkehrsministerium) und Werner Gatzer (Bundesfinanzministerium), obwohl es im Vorfeld starke Widerstände aus den Koalitionsfraktionen des Bundestages und Bedenken im Bundesfinanzministerium gegeben hatte. Gatzer, in dem Zusammenhang nicht ohne Pikanterie, ist übrigens SPD-Mitglied. Letzte Woche hatten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), Wowereit und Platzeck angekündigt, an einem Strang zu ziehen, da die BER-Fertigstellung im „gesamtstaatlichen Interesse“ Deutschlands liege.

Was will Platzeck anders machen als Wowereit?

Er will das BER-Projekt grundlegend reorganisieren, Strukturdefizite, abstellen. Das Management soll professionell werden. Bisher gab es da ein Patt, keine klare Verantwortlichkeit, war Flughafenmanager Rainer Schwarz lediglich „Sprecher“ der Geschäftsführung – und erklärte sich nicht zuständig für das Baudesaster. Der Schlüssel, sagte Platzeck, werde die neue Geschäftsführung sein. Künftig soll ein Vorstandschef das Unternehmen führen, dem zwei Geschäftsführer unterstehen – einer für Finanzen und Horst Amman für Technik. Laut Platzeck sind jetzt Headhunter unterwegs. „Wir wollen Männer oder Frauen, die gut sind. Aber der Markt ist nicht riesig.“ Um das zerrüttete Verhältnis zwischen Flughafen und Anrainer- Kommunen zu kitten, hat er Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) zum BER-Umlandbeauftragten ernannt.

Welche Rolle spielt Wowereit künftig im Aufsichtsrat?

Das gab und gibt noch Rätsel auf. Auf der Pressekonferenz informierte Platzeck allein. Wowereit, der zu seinem Stellvertreter im Aufsichtsrat gewählt wurde, war nicht dabei. Ob Berlins Regierender tatsächlich Vize wird, war noch bis zum Beginn der Sitzung offen geblieben.

Wie sieht die Zukunft von Rainer Schwarz aus?

Er ist Vergangenheit. „Er hat sein Dienstzimmer geräumt, den Flughafen verlassen“, sagte Platzeck. Auf den sofortigen Rausschmiss hatte insbesondere der Bund gedrängt. Zunächst war erwogen worden, zur Absicherung geordneter Abläufe der Berliner Flughäfen – vor allem die Extrembelastung für Tegel – Schwarz noch kommissarisch ein paar Wochen die Geschäfte führen zu lassen, bis ein Nachfolger da ist. Das wurde verworfen. Für die Übergangszeit, so informierte Platzeck, führt Technik-Chef Horst Amann die Berliner Flughäfen. Wie die Kündigung von Schwarz begründet wird, ist aber offen. Das wird laut Platzeck erst nach Vorlage der Gutachten entschieden, die die Haftung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat für das BER-Desaster untersuchen. Schwarz hat Chancen auf 1,8 Millionen Euro, die ihm bis zum Vertragsende noch zustehen.

Der Aufsichtsrat hat als Kontrollinstrument selbst komplett versagt. Was soll dort verändert werden?

Berlin, Brandenburg und der Bund sind sich einig, dass es wie bisher nicht weitergehen kann. Platzeck kündigte an, dass der Aufsichtsrat um externen Sachverstand erweitert wird. Gesucht werden Profis, die mit dem Bau und dem Betrieb von Flughäfen Erfahrung haben. Namen sind noch nicht bekannt. Die Plätze sollen für die Neuen freigemacht werden, indem voraussichtlich Günther Tropmann (Deutsche Kreditbank, auf Ticket Brandenburgs dort), Michael Zehden (Hotelmanager, auf Ticket Berlins dort) und die Berliner Staatssekretärin Margaretha Sudhof ihre Mandate niederlegen. Die Kräfteverhältnisse und Zuständigkeiten werden neu ausbalanciert. Platzeck will auch den Bund stärker in die Pflicht nehmen. Er hatte intern vorgeschlagen, dass es künftig zwei Stellvertreter gibt – einen für Berlin, einen vom Bund. Der Bund lehnte das aber ab. Aber Ramsauers Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba wird neuer Vorsitzender des Projektausschusses des Aufsichtsrates, vorher war es Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke). Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) bleibt Chef des Finanzausschusses. Das Gesamtpaket wird aber noch geschnürt.

Wie will der Aufsichtsrat verhindern, dass er wieder kalt überrascht wird?

Um den BER zu retten, wird entscheidend sein, ob es gelingt, einen hochkarätigen Manager für das Pannen-Projekt zu gewinnen. Die Informationsflüsse sollen, auch dies hat Platzeck bereits angekündigt, anders sein als in der Vergangenheit. Der Aufsichtsrat selbst will sich über eine neue Controllingfirma ein unabhängigeres Bild machen. Der Flughafen liegt in Brandenburg, alle Genehmigungsverfahren laufen dort. Künftig müssen die BER-Chefs jeden Dienstag zum Rapport nach Potsdam: Nach der regulären Sitzung des Platzeck-Kabinetts erörtern BER-Manager und Firmen mit Platzeck und den für den Flughafen zuständigen Regierungsmitgliedern operative Probleme.

Wie ist die Stimmung in der Flughafengesellschaft?

Genauso am Boden wie das gesamte Projekt. „Nicht gut“, sagte Platzeck. Schlimmer noch, in der Gesellschaft, die 1300 Mitarbeiter hat, die neben dem BER–Bau vor allem den Betrieb der Flughäfen Tegel und Schönefeld sichern, tobten Flügelkämpfe – zwischen dem Lager um Geschäftsführer Schwarz und Leuten, die Technikchef Horst Amann mitgebracht hat. Mit seiner öffentlichen Abrechnung mit der  Baustelle und seinem Führungsstil hat er intern die Stimmung weiter verschlechtert. Platzeck sagte, er habe Vertrauen zu Amann, diesem aber auch seine Verantwortung deutlich gemacht, „Gräben zu schließen“. Klar ist, dass mit einer zerstrittenen, demotivierten Flughafengesellschaft das Großprojekt nicht zu wuppen ist.

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