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Helm ab, Helm auf. Am BER sind kaum noch Bauarbeiter zu sehen, dafür dürften sich bald viele auf den Weg nach Tegel machen.

© dapd

Überlasteter Flughafen: Tegel: Erst Aufrüstung, dann Schließung

Mehr Personal, weitere Toiletten und eine neue Gepäck-Sortieranlage: Der marode Flughafen startet jetzt sein Renovierungsprogramm. Einen Weiterbetrieb auf Dauer macht das allerdings nicht wahrscheinlicher.

Jetzt geht’s los: Die Flughafengesellschaft hat die erste Stufe beim Ertüchtigen des Flughafens Tegels gestartet und europaweit eine Anlage ausgeschrieben, mit der erfasst wird, wo sich ein aufgegebenes Gepäckstück auf dem Weg zum Laderaum jeweils befindet. Dies ist wichtig, falls ein Passagier, der Gepäck abgegeben hat, nicht an Bord geht, weil dann das Gepäck aussortiert werden muss. Die Anlage soll die Suche nach den Koffern oder Taschen beschleunigen. Angaben zu den kalkulierten Kosten machte die Flughafengesellschaft nicht. Bis zu 20 Millionen Euro hat der Aufsichtsrat für das Aufmöbeln von Tegel und Schönefeld gebilligt, die bis zur BER-Eröffnung noch durchhalten müssen. Dazu gehören auch weitere Toiletten; und mehr Personal will die Flughafengesellschaft auch einstellen, um Schäden schnell reparieren zu können.

Die „Baggage Reconciliation System (BRS)“ genannte Anlage soll durchschnittlich etwa 20 000 Gepäckstücke pro Tag erfassen können – in Spitzenzeiten pro Stunde rund 6500. Zudem soll sie in der Lage sein, etwa 45 simultan abzufertigende Flüge in einer Spitzenstunde zu verarbeiten.

Ein Teil der neuen Anlagen kann auch am BER weiter genutzt oder verkauft werden, falls sich ein Interessent findet. Der größte Batzen dieser außerplanmäßigen Ausgaben dürfte aber nach der Aufgabe des Flugbetriebs in Tegel verloren sein. Flughafenchef Hartmut Mehdorn hat zwar bereits mehrfach angeregt, über einen Weiterbetrieb von Tegel nachzudenken, doch auch intern wertet man diese Äußerungen nur als einen abstrakten Denkanstoß. Unterfüttert sind die Überlegungen bisher nicht – weder bei den juristischen Folgen noch bei den Kosten.

Die Betriebsgenehmigung für Tegel ist bereits rechtssicher widerrufen, die Planfeststellung des Geländes als Flughafen aufgehoben. Praktisch wirksam wird dies spätestens ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme der neuen Südbahn des BER-Flughafens.

Ein Weiterbetrieb über das halbe Jahr hinaus wäre nach Angaben von Daniela Augenstein, der Sprecherin der Verkehrsverwaltung, nur mit einer neuen Genehmigung für einen Flugbetrieb möglich, die Juristen bei einer innerstädtischen Anlage wie Tegel als ziemlich ausgeschlossen einstufen. Das Genehmigungsverfahren müsste die Prozedur durchlaufen, die auch für einen neuen Flughafen erforderlich wäre – mit Anhörungen von Anwohnern und möglichen Klagen. Zudem würden dann die heutigen Lärmschutzvorschriften gelten, die angesichts der Siedlungsdichte um den Flughafen zu einem Milliardenaufwand führen würden. Ferner müsste die Begründung für den Weiterbetrieb so stichhaltig sein, dass sie bei dann erwarteten Klagen auch vor den – strengen – Richtern des Bundesverwaltungsgerichts bestehen würde. Ein Hinweis auf die nicht ausreichende Kapazität am BER würde wohl nicht reichen, weil dort bereits Erweiterungsmöglichkeiten höchstrichterlich genehmigt sind.

Zudem würde der Betrieb von zwei Flughäfen die Kosten in die Höhe treiben. Dabei ist derzeit völlig unklar, wie stark Tegel von den Flughafengesellschaften noch genutzt würde. Air Berlin und Lufthansa können ihre Expansionspläne nur am BER umsetzen und würden als Kunden in Tegel wegfallen. Wahrscheinlich würde der Flughafen, der jetzt noch die Kassen richtig füllt, dann zu einem Verlustbringer.

BER-Finanzierungskonzept würde bei Tegel-Offenhaltung nicht aufgehen

Als Bahnchef hatte Mehdorn einst dafür gesorgt, dass am Bahnhof Zoo keine Fernzüge mehr halten, um die Fahrgäste zum Hauptbahnhof zu locken, wo rund 80 Geschäfte, die umsatzabhängige Mieten an die Bahn bezahlen, auf Kunden warten. Auch in Schönefeld will man bisher mit Geschäften Geld verdienen. Die Erträge aus den Mieteinnahmen der 150 Läden und Lokalen sollen einmal fast die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Bei einem Weiterbetrieb von Tegel würde dieses Konzept nicht mehr richtig aufgehen.

Das Bestreben, Tegel offenzuhalten, ist bisher nicht breit organisiert; ein Volksbegehren wie einst für Tempelhof wartet noch auf einen Organisator. Auch im Internet blieben Aufrufe, Unterschriften für einen Weiterbetrieb von Tegel abzugeben, bisher kaum beachtet. Die CDU würde ein solches Begehren nicht unterstützen, sagte Verkehrsexperte Oliver Friederici. Der Berliner FDP-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Martin Lindner will erst ein von ihm beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages angefordertes Gutachten zu den Möglichkeiten eines Weiterbetriebs abwarten und sich dann äußern. Bisher gibt es von den Experten des Bundestags nur eine Kurzfassung für den CDU-Abgeordneten Frank Steffel, das einen Weiterbetrieb für möglich hält – wahrscheinlich aber nur nach dem Neugenehmigungsverfahren.

Tegel muss derzeit die Hauptlast des Flugverkehrs tragen – was beinahe gescheitert wäre. Die Flughafengesellschaft hatte vor der einst für den 3. Juni 2012 geplanten BER-Eröffnung beantragt, sie sofort danach von der Betriebspflicht zu befreien und die Genehmigung zum Fliegen zu widerrufen. Nur weil die Luftfahrtbehörde beim Senat sicher sein wollte, dass der BER-Termin auch wirklich klappt, widersetzte sie sich diesen Wünschen. Ansonsten wäre Tegel bereits heute dicht, denn bei einem Festsetzen des Termins hätte der Verkehr nach dem BER-Scheitern nicht einfach fortgesetzt werden können.

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