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Berlin: Berlin am Rand der Zahlungsunfähigkeit

Der geplatzte Verkauf von Landesunternehmen, weitere Steuerausfälle und nicht erreichte Sparziele gefährden die Liquidität des Landes

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der gescheiterte Verkauf der Bankgesellschaft Berlin reißt neue Löcher in die Landeskasse. Die rot-rote Koalition muss die im Haushalt geplanten Vermögenseinnahmen um 300 Millionen Euro verringern. Die Finanzlücke wurde so gestopft: Das Land Berlin verschuldet sich 2003 um 250 Millionen Euro höher als geplant, und die erwarteten Ausgaben für Kreditzinsen werden um 50 Millionen Euro gesenkt. Die Nettoneuverschuldung erhöht sich damit im laufenden Jahr auf 4,29 Milliarden Euro. SPD und PDS stimmten dem im parlamentarischen Hauptausschuss gestern zu. Die CDU-Fraktion enthielt sich, Grüne und FDP votierten dagegen.

Fehlende Erlöse aus Vermögensgeschäften, weitere Steuerausfälle und Finanzrisiken führen dazu, dass Berlin im laufenden Jahr am Rand der Zahlungsunfähigkeit balanciert. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat deshalb beantragt, den Rahmen für so genannte Kassenverstärkungskredite um 600 Millionen Euro auf 2,735 Milliarden Euro zu erhöhen. Das sind kurzfristige Kredite, die aufgenommen werden, um vorübergehende finanzielle Engpässe zu überbrücken. Die Höchstgrenze solcher Kassenkredite ist gesetzlich festgelegt: In Berlin sind es 10 Prozent des Haushaltsvolumens. Der Finanzsenator will jetzt 13 Prozent, weil die bisherige Kreditgrenze „nicht ausreicht, die Liquidität des Landes Berlin über das gesamte Jahr 2003 zu sichern“.

Dass Berlin nicht gut bei Kasse ist, liegt zum einen daran, dass ein Haushaltsfehlbetrag von 1,385 Milliarden Euro aus dem vorigen Jahr noch nicht ausgeglichen wurde. Außerdem sind mehrere große Privatisierungsvorhaben gescheitert. Im neuen Etatentwurf für 2003 werden jetzt nur noch 60 Millionen Euro Einnahmen aus Vermögensgeschäften eingeplant. Zusätzlich befürchtet Sarrazin, dass die Steuereinnahmen nach der bundesweiten Steuerschätzung im Mai 2003 erneut „nach unten korrigiert werden müssen“. Und er gibt in einer Vorlage an den Hauptausschuss zu, dass die Zuschüsse an die Bezirke – auch wenn sie jetzt um 180 Millionen Euro erhöht werden – „möglicherweise nicht die tatsächlichen Ausgaben abdecken“. Senat und Bezirke hätten zwar Sparmaßnahmen ergriffen, aber „inwieweit diese Maßnahmen bereits 2003 greifen, ist zurzeit noch nicht absehbar“.

Einen weiteren finanziellen Puffer von 500 Millionen Euro hält der Finanzsenator für nötig, um gegenüber den Banken flexibel agieren zu können. Immerhin muss das Land Berlin in diesem Jahr voraussichtlich 11 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen und etwa 6,7 Milliarden Euro für Zinsen und Tilgung zurückzahlen. Das geht nur mit echtem Geld. Deshalb habe die „jederzeitige Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Landes am Geld- und Kapitalmarkt oberste Priorität“, schreibt Sarrazin in seiner Vorlage.

Die Bankgesellschaft wird vorerst keinen Beitrag zur Entspannung der Finanznotlage Berlins leisten können. Das Bieterverfahren sei formell beendet, sagte gestern der Sprecher des Finanzsenators, Claus Guggenberger. Der Markt sei „gründlich abgeklopft“ worden und ein Käufer, der einen angemessenen Kaufpreis und akzeptable Konditionen biete, nicht in Sicht. Die Opposition sieht das anders: Die FDP schlägt eine Neuausschreibung der Bankgesellschaft vor. Grüne und CDU fordern, mit potenziellen Interessenten weiter zu verhandeln.

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