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BERLIN Bücher: Mit Boot und Butler

Der Redakteur aus Berlin ließ nicht locker. Er eilte der „Gipsy“ und ihrer ungewöhnlichen Besatzung mit seinem schnellen Boot nach, bis er endlich hinter Potsdam, am Havelstädtchen Werder, sein Ziel erreichte: den zum Wohnschiff mit Pantry und Salon ausgebauten Lastensegler des englischen Landedelmannes Henry M.

Der Redakteur aus Berlin ließ nicht locker. Er eilte der „Gipsy“ und ihrer ungewöhnlichen Besatzung mit seinem schnellen Boot nach, bis er endlich hinter Potsdam, am Havelstädtchen Werder, sein Ziel erreichte: den zum Wohnschiff mit Pantry und Salon ausgebauten Lastensegler des englischen Landedelmannes Henry M. Doughty. Ein ausführliches Interview wurde geführt, ein langer Artikel erschien über die kleinen und großen Abenteuer auf einem der spektakulärsten Törns der deutschen Binnenschifffahrt.

Henry M. Doughty segelte 1890/91 mit Butler, zwei Matrosen, seinen sechs Kindern in wechselnder Besetzung und großem Hund auf der „Gipsy“ von Friesland über die westdeutschen Kanäle, die Elbe, die mecklenburgischen und märkischen Gewässer bis Böhmen. Natürlich besuchte er dabei Berlin und Potsdam und schrieb auch dort eifrig ins Tagebuch.

Was Doughty zwischen British Breakfast und Fünfuhrtee erlebte, hat er anschaulich und amüsant geschildert. Und jetzt ist es erstmals in deutscher Übersetzung erschienenen. „Mit Butler und Bootsmann“ heißt die maritime Zeitreise zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert, Berlin kommt dabei allerdings nicht allzu gut weg. Das beginnt schon kurz vor der Reichshauptstadt bei Gransee und Zehdenick. Die Gipsy fuhr in die Schleuse ein. „Da kam aus einem Gasthaus, wo Besäufnis verkauft wird, ein betrunkener Haufen hervor, um uns, die Fremden, anzugucken“, schreibt er. Seine zwei Mädchen „flüchteten gleich unter Deck.“

Ein Dampfboot schleppt die Gipsy nach Spandau, „pflichtschuldig“ besichtigt die Crew Berlin. Fazit: „Eine saubere, etwas langweilige, ehrgeizige Hauptstadt.“ In und um Potsdam finden sie dagegen „auf Schritt und Tritt schöne Aussichten.“ Und bei Caputh loben die Engländer die Mark Brandenburg buchstäblich aufs Höchste. „Berge erinnern uns an Mecklenburg, mit dem Unterschied, dass dies hier wirklich Berge sind.“ Doughtys Töchter illustrierten den Reisebericht zeichnerisch, ihre Miniaturen schmücken das Buch. Es ist ein Lesevergnügen nicht nur für Wassersportler, sondern für alle Freunde Berlins, der Mark Brandenburg und des britischen Humors. Christoph Stollowsky

Henry M. Doughty: Mit Butler und Bootsmann – Ein Bootstörn anno 1890/91 von Friesland über die mecklenburgischen Seen bis nach Böhmen. Quick Maritim Medien, 256 Seiten, 11,80 Euro

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