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BERLIN Bücher: Pankower Geschichte(n)

Nirgendwo war die jüngste Geschichte mit ihren Haupt- und Nebendarstellern so präsent wie im Pankower „Städtchen“, einem Villenviertel rund um das Schloss in Niederschönhausen. Die sowjetische Besatzungsmacht siedelte hier die aus Moskau kommende ostdeutsche Führungselite an, 1950 wurde aus Kronprinzen- und Viktoriastraße der Majakowskiring, die Kaiserin-Augusta-Straße war fortan die Tschaikowski- und die Friedrich-Wilhelm- die Stille Straße.

Nirgendwo war die jüngste Geschichte mit ihren Haupt- und Nebendarstellern so präsent wie im Pankower „Städtchen“, einem Villenviertel rund um das Schloss in Niederschönhausen. Die sowjetische Besatzungsmacht siedelte hier die aus Moskau kommende ostdeutsche Führungselite an, 1950 wurde aus Kronprinzen- und Viktoriastraße der Majakowskiring, die Kaiserin-Augusta-Straße war fortan die Tschaikowski- und die Friedrich-Wilhelm- die Stille Straße. Für Ruhe sorgten Mauer, Wachleute und Schlagbäume, die der Führungselite der DDR mit ihrem Präsidenten Wilhelm Pieck an der Spitze ein ungestörtes Dasein garantierten. Erst 1973 wurde die Abriegelung aufgehoben, aber bis heute ist die Neugier ungebrochen, wo und wie die „Machthaber aus Pankoff“ bis zu ihrem Auszug hinter schützende Mauern in Wandlitz gelebt haben.

Mehr Kenntnis zum Who ’s who vermittelt Hans-Michael Schulze mit seinem vor allem durch Fotos und Dokumente und einer Fülle von Informationen bestechenden historischen Rundgang. Der Christoph Links Verlag stellt das Städtchen auf knapp 100 Seiten in einem schmalen, für die Jackentasche geeigneten Büchlein vor: Da kann jeder sehen, wo bis 2002 Egon Krenz gewohnt und bis 1947 Hans Fallada gelebt hat, Geschichten und Personen beleben die Villen der einstigen DDR-Politprominenz, im Hause Otto Grotewohls lernt jetzt eine bekannte Schauspielerin ihre Texte, auch Johannes R. Bechers Villa ist im Privatbesitz. Apropos: 1946 schrieb Johannes R. Becher voller Empörung an Oberst Tulpanow, dass er vor dem Haus von Wilhelm Pieck von dessen betrunkenem Begleitoffizier Balakirow übel als „Deutsches Schwein“ beschimpft wurde: „Schließlich flüchtete ich in die Wohnung des Genossen Pieck“, schreibt Becher.

Nach der Wiedereröffnung von Schloss Niederschönhausen ist das einstige „Städtchen“ wieder Ziel vieler Stadtspaziergänger. Mit Schulzes Buch in der Tasche gehen sie schlauer, als sie gekommen sind. Lo.

Hans-Michael Schulze, Das Pankower Städtchen – Ein historischer Rundgang, Ch. Links Verlag, 12,90 Euro

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