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Glanz und Gloria. 32 Denkmäler der brandenburgisch-preußischen Herrscher waren auf der Siegesallee im Tiergarten versammelt.

© Library of Congress/Verlag Bild und Heimat

Berlin-Bücher: Von Ahornblatt bis Zellengefängnis

Verschwunden, nicht vergessen. Ein Bildband richtet den Blick auf das versunkene Berlin

Wird es wohl auch über das Berghain mal einen melancholischen Abgesang geben wie über den legendären Dschungel? Ein Satz nur, in David Bowies 2013 veröffentlichten Berlin-Song „Where Are We Now?“, aber wie viele Erinnerungen rief er wach: „Sitting in the Jungle / On Nurnberger Strasse“. Nach dem Umzug 1978 vom Schöneberger Winterfeldtplatz in die Nürnberger Straße 53 hatte sich die Diskothek zum schick gestylten, nicht leicht zugänglichen Szenetreff entwickelt, zu dessen Gästen Bowie und Iggy Pop, Depeche Mode, Mick Jagger, Prince, sogar die Streisand gezählt haben sollen. Im Detail, wie oft bei solchen Legenden, mag das nicht immer gestimmt haben, aber allein der Nimbus des Exklusiven!

Wie es dort aussah? Viel Glas, viel Chrom, der Boden ein gold-schwarzes Mosaik, ein Springbrunnen, ein Aquarium, eine geschwungene Treppe, die zur Empore führte. Alles leider vergessen? Dann hilft der von Dennis Grabowsky zusammengestellte Bildband „Verschwundene Orte in Berlin“ (Verlag Bild und Heimat, Berlin. 144 Seiten, 14,99 Euro) weiter, in dem auch der Dschungel eine Seite gekommen hat, zwischen dem gleichfalls legendären Big Eden am Kurfürstendamm 202 und dem La Belle in der Friedenauer Hauptstraße 78, das im kollektiven Gedächtnis seit dem Bombenanschlag vom 5. April 1986 allerdings nicht mehr mit Lebenslust und durchtanzten Nächten assoziiert wird.

In Loretta's Biergarten war Platz für 3000 Gäste

„Verschwunden, aber nicht vergessen“ hat Dennis Grabowsky, als Autor auch für den Tagesspiegel tätig, sein knappes Vorwort überschrieben, was für alle 110 im Buch abgebildeten und mit kurzen Texten erläuterten Orte wohl zutrifft, freilich auf die einen mehr, die anderen weniger. Wer weiß schon noch, dass sich von 1951 bis 1966 der West-Berliner Busbahnhof auf dem nordöstlichen Teil des Stuttgarter Platzes in Charlottenburg befand. Präsenter dürfte da noch „Loretta's Biergarten“ in der Lietzenburger Straße sein, in dem bis 2007 Platz für maximal 3000 Gäste war, bis die von ihm jahrzehntelang genutzte Baulücke doch geschlossen wurde. Ähnlich gilt das für das „Ahornblatt“ an der Ecke Gertraudenstraße/Fischerinsel, eine 1973 eröffnete Großgaststätte von spektakulärer Gestalt, die nach langem Leerstand vor 20 Jahren abgerissen und durch ein Mittelklassehotel von belangloser Architektur ersetzt wurde.

Eine Brücke zum Europa-Center

Grabowsky geht in seiner Zusammenstellung weit zurück. Das bei einem Luftangriff 1945 zerstörte Hallesche Tor fehlt ebenso wenig wie Berlins altes, 1865 abgerissenes Rathaus, das Zellengefängnis Moabit, die Meierei C. Bolle in Alt-Moabit oder die Siegesallee im Tiergarten, deren Reste immerhin noch auf der Spandauer Zitadelle zu sehen sind. Das sind Orte, die kaum mehr „Weißt du noch?“-Fragen auslösen, anders als die Eislauffläche im Europa-Center, auf der man bis in die siebziger Jahre unter freiem Himmel dahingleiten konnte, oder die einst in das alte West-Berliner Einkaufsparadies führende Brücke über die Tauentzienstraße.

Beide sind wie so vieles einst Berlin-Typische spurlos verschwunden, was oft ein wenig wehmütig stimmen kann wie in Bowies einem versunkenen West-Berlin nachsinnenden Song. Manchmal ist es aber gut so. Wer braucht schon noch den Führerbunker!

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