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Berlin: Berlin-CDU: Die Allianz der Diepgen-Verhinderer hielt nicht lange

Es war eine merkwürdige Allianz, die sich am Sonnabend zusammengefunden hatte, den langjährigen CDU-Landeschef und ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen abzuschütteln wie eine überschwere Last. Die Landesvertreterversammlung sollte ihm den Startschuss für eine zweite politische Karriere im Bundestag geben, aber sie gab ihm den Abschied von der Politik.

Es war eine merkwürdige Allianz, die sich am Sonnabend zusammengefunden hatte, den langjährigen CDU-Landeschef und ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen abzuschütteln wie eine überschwere Last. Die Landesvertreterversammlung sollte ihm den Startschuss für eine zweite politische Karriere im Bundestag geben, aber sie gab ihm den Abschied von der Politik. Gnadenlos ließ die Partei Diepgen (60) bei der Nominierung der Landesliste für den Bundestag auf Platz eins durchfallen. Daraufhin verzichtete er auf jeden anderen Platz und trat auch als CDU-Chef zurück.

War es eine Intrige des Fraktionschefs Frank Steffel, der auch den CDU-Vorsitz haben will, ohne es bisher offen zu sagen? War es die geballte Unzufriedenheit mit dem jämmerlichen Zustand der Partei? Hatte Diepgen den Blick für die Realitäten verloren? Alle drei Aspekte spielten eine Rolle. So hört man es jedenfalls aus allen Lagern der zerrissenen Partei. Das Scherbengericht hatte eine lange Vorgeschichte. "Das letzte Jahr liegt mir schwer im Magen", sagte Diepgen. Zu spät. Er hatte Fehler in der Banken- und Parteispendenaffäre zugegeben, die ihn das Amt kosteten, der Union eine katastrophale Wahlniederlage mit 17 Prozent Verlusten bescherten und den rot-roten Senat ermöglichten. Diepgen werden von seiner 23,7-Prozent-Partei Fehler angekreidet. Er habe so getan, als habe er mit dem Wahldesaster im Herbst nichts zu tun gehabt. Er habe sich durch die frühe Ankündigung, den Landesvorsitz im Mai aufzugeben, selbst zur lahmen Ente gemacht und nichts für die Selbsterneuerung der Partei getan.

Es gab aber monatelangen Streit um die Prestige-Frage der Wahlkreiskandidatur im Ost-West-Bezirk Mitte (mit Tiergarten und Wedding). Günter Nooke, der stellvertretende Bundestagsfraktionschef und einstige DDR-Bürgerrechtler, wollte dort antreten. Diepgen setzte sich mit Hilfe seines letzten treuen alten Fahrensmannes und Strippenziehers Peter Kittelmann durch; Nooke wurde nach Pankow verwiesen. Es folgte der Diepgen-Nooke-Kampf um den Spitzenplatz auf der Landesliste, den Diepgen mit nur zehn gegen acht Stimmen im eigenen Landesvorstand gewann. Nooke ging nicht in den offenen Kampf mit Diepgen, sondern bot sich für Platz eins an und begnügte sich mit Platz zwei. Nun wird ihm nachgesagt, er habe sich von Steffel und dessen Kungelbrüdern instrumentalisieren lassen. Dass Steffel an Diepgens Stuhl gesägt hat, um seinen Anspruch auf den Landesvorsitz zu zeigen, sagen fast alle. Er selbst sah sich als Vermittler.

Mit Demütigungen für Diepgen begann die Vertreterversammlung. Erst erklärte Bezirksbürgermeister Dieter Hapel (Schöneberg-Tempelhof) seinen Rücktritt als stellvertretender Parteichef, weil "sein" Wahlkreiskandidat Peter Rzepka auf der Liste zu weit hinten stand, und weil er den Weg zur Selbsterneuerung frei machen wollte. Dann meldete sich der weitgehend unbekannte Wahlkreiskandidat Georg Eickhoff (Hohenschönhausen-Lichtenberg) als Gegenkandidat für den Spitzenplatz, zog aber seine Bewerbung wieder zurück, als die Rebellion gegen Diepgen in Gang kam. Einer konzidierte ihm knallhart, er dürfe im Bundestag "eine Ehrenrunde drehen", aber nicht auf Platz eins kandidieren. Steffel schlug einen Platztausch zwischen Diepgen und Nooke vor, was große Zustimmung fand. Der frühere Parlamentspräsident Reinhard Führer, ein alter Diepgen-Fahrensmann, riet eindringlich, darauf einzugehen. Er hielt Diepgen die Gefühlslage der Partei vor Augen; er möge die Nöte derer bedenken, die bei der Wahl im Herbst ihre Ämter und Mandate in den Bezirken verloren haben. Führer ist einer von denen, die nicht intrigieren, sondern sich quälen, weil es so nicht weitergehen kann. Diepgen lehnte ab. So fiel er mit 42 Prozent der Stimmen durch. Nooke sagte nicht viel und wurde mit 67,7 Prozent der Stimmen auf Platz eins nominiert. "Wäre Diepgen auf den Platztausch eingegangen, wären beide mit 90 Prozent gewählt worden", so Steffel. Das meinten auch andere.

Die Allianz der Diepgen-Verhinderer war keine für Steffel, sie hielt nicht lange. In den stundenlangen Nominierungen der Listenkandidaten gab es lauter Gegenkandidaturen. "Absprachen zwischen Riegenführern hielten nur zehn Minuten, es war chaotisch", hieß es. So fiel der hoffnungsvolle stellvertretende Fraktions- und Landesvorsitzende Kai Wegner (Wahlkreiskandidat Spandau) durch, er bekam keinen Listenplatz. Das wird als Steffel-Niederlage gewertet. Andere wie Peter Rzepka rückten vor.

Noch einer hat ausgespielt: Peter Kittelmann (65). Als er sich nach dem Scheitern Diepgens zu Wort meldete, bekam er Buhrufe. Da er meinte, Diepgen habe die Niederlage denen zu verdanken, "die die Delegierten veranlasst haben", herrschte tumultartige Empörung. Alte Rechnungen wurden beglichen, neue Wunden geschlagen. Nun kommt das Hauen und Stechen um den Landesvorsitz. Zu viele wollen Steffel nicht. Kein guter Auftakt für den Wahlkampf.

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