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Paketeweise Drogen. Da freute sich damals die Polizei, ein toller Erfolg. Nur leider hatte sie selbst mitgemischt.

© dpa

Berlin-Charlottenburg: Drogendealer mit Unterstützung der Polizei

2012 wird ein Mann zu vier Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Nicht viel für knapp 100 Kilo Koks. Aber das Berliner Landgericht hatte festgestellt, dass die Ermittler den Deal eingefädelt und nach Kräften befördert hatten. Jetzt gab es auch scharfe Kritik vom BGH.

Die Kneipe namens „Zur letzten Instanz“ befindet sich in Mitte. Doch es ist eine Charlottenburger Eckkneipe, die es nun bis zur letzten Instanz geschafft hat: Der Bundesgerichtshof, oberste deutsche Institution bei Strafverfahren, hat sich in den letzten Monaten mit der Causa Namik A., dem Wirt des Cafés an der Ecke Christ- und Nehringstraße, beschäftigt. Herausgekommen ist eine juristische Klatsche ersten Ranges – und zwar für die Berliner Polizei.

Rückblende: Im August 2011 wird Namik A., Betreiber des türkischen Vereinscafés, mit 97 Kilo Kokain in Bremerhaven erwischt. Über „einen der größten Erfolge bei der Bekämpfung des internationalen Drogenschmuggels“ jubeln Zoll und Ermittler damals.

2012 wird A. zu vier Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Nicht viel für knapp 100 Kilo Koks; die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren. Aber das Berliner Landgericht hatte festgestellt, dass die Ermittler den Deal eingefädelt und nach Kräften befördert hatten. Wegen der „unzulässigen Tatprovokation“ waren die Richter von einem minderschweren Fall ausgegangen, Namik A., heute 52 Jahre alt, durfte das Gericht als freier Mann verlassen. Der Prozess war, so sagte es der Vorsitzende Richter, „in der deutschen Rechtsgeschichte relativ einmalig“. Rechtskräftig wurde das Urteil nicht, denn Verteidigung und Staatsanwaltschaft gingen in Revision.

Charlottenburg, Danckelmannkiez. Heute steht das Café leer.
Charlottenburg, Danckelmannkiez. Heute steht das Café leer.

© Jörn Hasselmann

So wurde A.s Eckkneipe ein Fall für den BGH. Jetzt fanden auch dessen Leipziger Richter deutliche Worte zu den Ermittlungen des Landeskriminalamtes: „Ein solches Vorgehen ist in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht hinnehmbar.“ Die Ermittler hatten nur das in den Akten vermerkt, was ihnen günstig erschien. Der Rest wurde verschwiegen. So filmte eine geheime Kamera einen Monat lang den Eingang des „Arkadaslar Kulturvereins“. Die Aufnahmen wurden ausgewertet und dann gelöscht; nicht einmal ein Bericht über den Inhalt wurde gefertigt. Und die Polizei habe sich nicht daran gestört, dass ihr V-Mann mehrfach gelogen habe. Die Kontrolle des V-Manns „erfolgte nicht im gebotenen Maße“.

Der V-Mann hatte im Auftrag des Landeskriminalamtes Namik A. geradezu bedrängt, in das Geschäft mit Kokain einzusteigen. Vorangegangen war ein anonymer Hinweis, dass A. mit Heroin handele. Schnell war klar, das das frei erfunden war. Dennoch durfte der V-Mann loslegen. Eine Provokation zu einer Tat in dieser Größenordnung sei bislang einmalig in Deutschland, so die Richter.

Doch trotz aller Kritik: Die vom Berliner Gericht erfolgte Verurteilung sei – angesichts der zugestandenen Strafmilderung – korrekt, urteilte der BGH. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Gut ein Jahr saß A. bereits in U-Haft. Für den Rest stehen „die Chancen für offenen Vollzug gut“, wie sein Anwalt Stefan Conen am Sonnabend sagte. Schließlich sei in zwei Instanzen festgestellt worden, dass „,mein nicht vorbestrafter Mandant staatlich verleitet wurde“, sagte Conen.

Doch die Eckkneipe wird es wohl noch nach Karlsruhe schaffen. Denn Conen plant eine Verfassungsbeschwerde, weil „ein derartiger V-Mann-Einsatz ohne gesetzliche Grundlage nicht vertretbar ist“.

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