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Pfarrer Martin Germer auf der Empore der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die er zum Ausstellungsaal machen möchte.

© Mike Wolff

Berlin-Charlottenburg: Gedächtniskirche soll fit für das 21. Jahrhundert werden

Die Gemeinde um Pfarrer Germer will die Ruine des Berliner Wahrzeichens zugänglicher machen. Nebenan ist auch ein Café geplant.

In seinen bisher13 Jahren als Pfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ist Martin Germer auch zum Bauexperten geworden: Eine Sanierung des Berliner Wahrzeichens auf dem Charlottenburger Breitscheidplatz jagt die nächste. Derzeit werden die Bodenplatten des Plateaus restauriert, auf dem die denkmalgeschützten Kirchenbauten stehen. Seit sogar schon vier Jahren ist der neuere Glockenturm für geplante Reparaturen eingerüstet. An allen Bauten, die 1961 nach Plänen des Architekten Egon Eiermann hinzugekommen waren, seien Ausbesserungen „in kurzen Abschnitten“ nötig, sagt Germer. Die Wabenfassaden aus Beton- und Glaselementen verwittern schnell und bröckeln dann ab.

Das erste Gesamtkonzept

Jahrelang sei nur über „Einzelmaßnahmen“ nachgedacht worden, erinnert sich der Pfarrer. Doch jetzt haben ein Beirat und das Berliner Architektenbüro „phase eins“ das Gesamtkonzept „Perspektive 2023“ erarbeitet. Und darin geht es um mehr als nur Sanierungen. Angesichts von jährlich 1,3 Millionen Besuchern aus aller Welt – Tendenz steigend – müsse man die Kirche „fit machen für das 21. Jahrhundert“ und teilweise neu nutzen, fasst Germer zusammen.

Eine Hauptrolle kommt der Empore der alten Turmruine zu, auf der es einst eine große Orgel sowie Platz für 300 Chormitglieder und 80 Musiker gab. Seit den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg liegt die Empore brach und wirkt, ausgestattet mit Klimageräten für die Gedenkhalle darunter, wie eine Techniketage. Nur bei Jazzfesten der Gedächtniskirche spielen dort manchmal Musiker für Zuhörer unten auf dem Platz.

Erweiterungskonzept für die Gedenkausstellung

Künftig soll die Ausstellung in der Gedenkhalle nach oben ausgedehnt werden. Um den Krieg und seine Folgen für Gäste anschaulich zu machen, „muss man ins Innere der Ruine reinkommen“, findet Germer. Außerdem sei die bisherige Ausstellung „sehr überladen“ mit Mahnmalen gegen den Krieg, der Rückschau auf die Kirchenhistorie und Exponaten zur Geschichte der Hohenzollern-Dynastie. So sieht es auch der Beirat, den die Gemeinde gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat 2015 gegründet hatte.

Die großen Fenster der Empore waren 1943 beim Einsturz des Turms durch Bombentreffer zersplittert. Man will sie nicht rekonstruieren, schließlich gilt der Denkmalschutz für die Ruine in ihrer heutigen Form als Mahnmal gegen den Krieg. Stattdessen sollen Glaswände im Inneren die Besucher vor Wind und Wetter schützen. Außerdem ist ein Fahrstuhl geplant. Die bereits begonnene Restaurierung alter Mosaike am Deckengewölbe und auf dem Fußboden soll abgeschlossen werden. Die Gesamtkosten schätzen die Architekten auf 7,5 Millionen Euro.

Bisher scheiterte das Café am Denkmalschutz

Zusätzlich lebt Germers sechs Jahre alter Vorschlag eines Kirchencafés wieder auf. Es soll im sogenannten Foyer entstehen. Dieses sanierungsbedürftige und leer stehende Nebengebäude diente früher sozialen Zwecken wie der Obdachlosenhilfe. Im ersten Anlauf scheiterte die Gemeinde mit dem Konzept eines Cafés und Begegnungsorts, weil sie einen zweiten Eingang zum Foyer für nötig hielt. Berlins Denkmalschutzämter lehnten es ab, die Fassade anzutasten. Jetzt glaubt der Pfarrer, dass eine andere Lösung gefunden werden kann oder die Ämter doch noch einlenken. Für die Instandsetzung und den Umbau des Flachbaus wird mit rund 4,1 Millionen Euro kalkuliert.

Rückenwind für die neuen Projekte und weitere Sanierungen gibt es, weil der Beirat die Gedächtniskirche als „Denkmal von nationaler Bedeutung“ einstuft. Damit wachsen offenbar die Chancen auf Fördergelder. In Gesprächen mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses im Bundestag habe er „deutliche Signale“ erhalten, dass sich der Bund an den Kosten beteiligen wolle, sagt Germer. Auch vom Land Berlin und der Evangelischen Kirche gebe es erste positive Reaktionen.

Alles zusammen kostet einen zweistelligen Millionenbetrag

Insgesamt geht es um rund 27,8 Millionen Euro – darunter auch 4,7 Millionen Euro für die Glockenturmsanierung, 5,6 Millionen Euro für Modernisierungen im Hauptgebäude mit dem Altarsaal, je 600 000 Euro für ein „ganzheitliches, interaktives Leitsystem“ und ein Lichtkonzept für die Außenbereiche sowie knapp 300 000 Euro für „Barrierefreiheit in allen Teilbereichen“. Für den Glockenturm hat die Wüstenrot-Stiftung immerhin schon eine Million Euro in Aussicht gestellt. Die Stiftung ist ein treuer Geldgeber der Gedächtniskirche und finanzierte unter anderem schon die Sanierung der Kapelle, die seit dem Frühjahr 2015 wieder wie neu wirkt.

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