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Fahrzeugteile liegen am 01.02.2016 in Berlin nach einem illegalen Autorennen in der Tauentzienstraße. Ein Mann starb.

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Berlin-Charlottenburg: Mordprozess um tödliches Autorennen in City West beginnt heute

Bei einem illegalen Autorennen auf dem Ku’damm stirbt ein Unbeteiligter. Zwei Männer stehen deshalb ab Donnerstag vor Gericht. Die Anklage lautet: Mord.

Die jungen Männer in hochtourigen Sportwagen halten an einer Ampel. Motoren heulen auf. Blicke von Wagen zu Wagen. Die Fahrer verständigen sich aus Sicht der Ermittler auf ein „Stechen“. Dann jagen sie sich über den Kurfürstendamm. Mit Vollgas. Rücksichtslos. Hamdi H. und Marvin N. sollen in ihren weißen Sportwagen wie Pfeile durch die City West geschossen sein. Ein illegales Rennen war es laut Anklage, das mit dem Tod eines unbeteiligten Jeep-Fahrers endete. Sind die Männer, die als „Ku’damm- Raser“ bekannt wurden, Mörder?

Der Prozess, der am heutigen Donnerstag beginnt, erregt bundesweit Aufmerksamkeit. Denn bei tödlichen Verkehrsunfällen kommt es in der Regel zum Vorwurf einer fahrlässigen Tat. Darauf wurde zuletzt auch in zwei Urteilen in Köln zu tödlichen Rennen entschieden. Im Fall von H. und N. signalisierten die Ermittler Härte. Erst wurden die mutmaßlichen Todes-Raser wegen Verdachts auf Totschlag verhaftet, dann erhob die Staatsanwaltschaft überraschend Anklage wegen Mordes. Um ein illegales Autorennen zu gewinnen und die damit angestrebte Selbstbestätigung zu erlangen, hätten sie tödliche Folgen billigend in Kauf genommen. Die Anklage geht von einer Tat aus niedrigen Beweggründen und mit gemeingefährlichen Mitteln aus.

Ampeln wurden laut Anklage ignoriert

Der 27-jährige Hamdi H. und der 24-jährige Marvin N. sind keine besten Freunde. Zeugen sagten bei der Polizei, sie hätten sich erst kurz vor dem Unfall in einer Shisha-Bar am Kurfürstendamm kennengelernt. Als Autofreaks sollen sie ins Gespräch gekommen sein. N. war in Begleitung einer Bekannten, die er dann in seinem Mercedes AMG CLA – sprintet aus dem Stand in 4,6 Sekunden auf Tempo 100, heißt es – nach Hause bringen wollte. Weder H. noch N. hätten Alkohol oder andere Drogen konsumiert.

Nach dem illegalen Autorennen mit einem Toten in der Berliner Innenstadt beginnt am 8. September ein Mordprozess.
Nach dem illegalen Autorennen mit einem Toten in der Berliner Innenstadt beginnt am 8. September ein Mordprozess.

© dpa

Es ist 0.40 Uhr, als sich Hamdi H. in seinem Audi A6 Quattro und der Mercedes-Fahrer am 1. Februar an der Ampel am Adenauerplatz erneut treffen. Plötzlich schießen sie – leicht versetzt – los. Das Gaspedal durchgetreten, sind Ermittler sicher. Ein Zeuge später: „Ich konnte nicht einmal sehen, dass es zwei Autos waren.“ Ampeln wurden laut Anklage ignoriert – elf seien es gewesen, die zumeist „Rot“ zeigten. Mit 160 bis 170 Kilometern je Stunde rasten sie Ermittlungen zufolge über die Tauentzienstraße. Ein Beobachter gab zu Protokoll, das Geräusch habe ihn an ein kleines Flugzeug erinnert. Dann kam der Zusammenstoß.

Der 69-jährige Michael W. ist auf dem Heimweg. Bei „Grün“ fährt er langsam in den Kreuzungsbereich. Als Hamdi H. im Audi angerast kommt, hat der Rentner keine Chance. Seitlich rammt der Sportwagen den Jeep. Mit mindestens Tempo 160, ermittelt ein Gutachter. Die Wucht war so groß, dass der Geländewagen 70 Meter weit geschleudert wird. Michael W. stirbt noch in seinem Fahrzeug.

Man rechnet mit Schweigen

Der Audi wird durch den Zusammenprall gegen die rechte Flanke des Mercedes gedrückt, so die Untersuchungen. Dieser kann noch ausweichen, prallt gegen eine Mauer und wird in die Mitte des Boulevards geschleudert. Die Sportwagen bleiben demoliert stehen. Deren Fahrer sowie die Beifahrerin (22) von N. aber steigen eher leicht verletzt aus.

Nun kommen H. und N. aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal. H., dessen Familie aus dem Kosovo stammt, ist verlobt und wohnte in Moabit. Er wollte Kfz-Mechatroniker werden, soll die Ausbildung aber vorzeitig abgebrochen haben. Zuletzt war er ohne festen Job und bezog Hartz IV. Den Audi kaufte er 2014 gebraucht – von Ersparnissen, hieß es aus seinem Umfeld. Marvin N. aus Marzahn konnte in den vier Jahren bei der Bundeswehr so viel zurücklegen, dass es für den Mercedes AMG reichte. Gemeinsam ist den Angeklagten nicht nur die Leidenschaft für schnelle Autos, dicke Reifen und Spoiler: Beide sind mehrfach wegen Verkehrsdelikten aufgefallen.

Es wird damit gerechnet, dass H. und N. vor Gericht schweigen – wie gegenüber der Polizei. Mehr als 50 Zeugen und mehrere Gutachter sollen im Prozess gehört werden. Die beiden Söhne von Michael W. und die damalige Beifahrerin sind Nebenkläger.

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