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Berlin-Charlottenburg: Wird das ICC eine große Shoppingmall?

Anfang April soll im Internationalen Congress Centrum (ICC) die letzte Großveranstaltung stattfinden. Große Betreiber von Einkaufszentren und ein Kulturmanager interessieren sich bereits für das Kongressgebäude. Und sie haben bemerkenswerte Ideen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Über dem Haupteingang des Internationalen Congress Centrums (ICC) hängt ein großes weißes Plakat, auf dem in schwarzer Schrift steht: „Thank you ICC – hello City Cube“. Es ist eine schmucklose Abschiedsbotschaft, denn die Messegesellschaft Berlin kommt ab Frühjahr 2014 ohne das aluminiumverkleidete Raumschiff am westlichen Rand von Charlottenburg aus. Die Hauptversammlung von Daimler am 9. April soll die letzte Großveranstaltung im ICC sein. Danach wird das Gebäude geschlossen. Ob es saniert und – frühestens 2020 – wieder geöffnet wird, ist offen.
Immerhin haben sich ein Dutzend privater Investoren gemeldet, die am Umbau und weiteren Betrieb des ICC grundsätzlich interessiert sind. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) bewahrt Stillschweigen, doch allmählich sickern Namen durch. Große Betreiber von Shopping-Zentren haben dem Vernehmen nach Kontakt aufgenommen. Beispielsweise das Management für Immobilien (MFI) aus Essen und das ECE Projektmanagement mit Sitz in Hamburg. Sie betreiben bundesweit Einzelhandelszentren, in Berlin unter anderem die Wilmersdorfer Arcaden und die Hallen am Borsigturm.

Ausländische Investoren interessieren sich fürs ICC

Aber auch ausländische Investoren, sogar aus Israel, sollen das ICC ins Auge gefasst haben. Und ein finanzstarker Kulturunternehmer und Kunsthändler. Nach Informationen des Tagesspiegel schwebt fast allen Interessenten eine Mischung aus Einzelhandel, Hotelbetrieb, Kongress- und Ausstellungsgeschäft unter Beteiligung der landeseigenen Messe GmbH vor. Hotels werden in Berlin immer gebraucht. Aber ein neues, großes Einkaufs-Paradies kollidiert mit den Interessen der Ladenbesitzer in der nahe gelegenen Kantstraße. „Dort darf nichts kaputt gemacht werden“, mahnt der SPD-Wirtschaftsexperte Frank Jahnke.

Ansonsten haben der Senat und die Koalitionsfraktionen SPD und CDU nichts gegen eine Mischnutzung des ICC, die den Landeshaushalt entlasten und verhindern könnte, dass in der City West bald eine riesige Bauruine steht. Die Vorauswahl von Investoren, die bereit sind, in das marode und schadstoffbelastete Berliner Kongressgebäude 150 bis 200 Millionen Euro privates Geld zu stecken, soll im Frühjahr 2014 beendet sein. Dem schließt sich bis zum Sommer „die Vertiefung der Betreiberkonzepte, die Ermittlung der Kosten, die Konkretisierung der Wirtschaftlichkeitsberechnung und die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur für die Sanierung an“, teilte die Stadtentwicklungsbehörde des Senats dem Parlament kürzlich mit. Erst danach will der Senat entscheiden, ob das ICC tatsächlich saniert – oder abgeschlossen und dauerhaft konserviert wird. Einen Abriss des Gebäudes schließt der CDU-Fraktionschef Florian Graf kategorisch aus. In der SPD sind die Widerstände dagegen nicht so groß, allerdings wissen auch die Sozialdemokraten, dass ein Abriss bautechnisch gesehen ein Abenteuer wäre und mindestens 200 Millionen Euro kosten würde.

So viel Geld will Rot-Schwarz durchaus locker machen, aber nur für eine Sanierung des ICC. Den Rest müsste ein privater Betreiber beisteuern. Um Zeit zu sparen, schlägt der CDU-Abgeordnete Stefan Evers vor, auf eine EU-weite Ausschreibung der Sanierung und des Umbau zu verzichten. „Ein beschränktes Bieterverfahren wäre effektiver und vergaberechtlich okay.“ Um das ICC vielleicht doch zu retten, müssen der Senat und private Mitbetreiber aber einen langen Atem haben. Selbst ein Bieterverfahren mit beschränkter Teilnehmerzahl wäre frühestens im Herbst 2014 beendet. Anschließend muss der Senat darüber beschließen. Frühestens 2015 könnte die Sanierung – einschließlich der Brücke über den Messedamm, Parkhaus, Fassade, Dach und Außenanlagen – beginnen. Das würde fünf Jahre dauern.

In der Stadtentwicklungsverwaltung wird auch überlegt, zunächst nur das Innere des ICC zu sanieren. Erst 2020 bis 2024 kämen dann der Außenbereich und das Parkhaus an die Reihe. Ob das wirklich preiswerter wäre, ist offen. Rainer Tepasse, renommierter Sachverständiger für Gefahrstoffe, wirbt seit zwei Monaten für eine Sanierung des ICC bei laufendem Betrieb. Der Bauzustand sei so gut, dass die Beseitigung von Schadstoffen und Modernisierungsarbeiten abschnittsweise realisiert werden könnten, ohne Besucher zu gefährden. Mit diesem Vorschlag kommt Tepasse allerdings zu spät. Von einer Sanierung bei laufendem Betrieb hatte sich der Senat schon 2010 verabschiedet, weil dies die Baukosten enorm in die Höhe treibe und das Berliner Kongressgeschäft gefährdet wäre.

Berlins Messe GmbH, die vom preisgekrönten, international bekannten Kongressbau seit den achtziger Jahren profitierte, verfolgt die endlose Debatte um die Zukunft des Gebäudes sehr entspannt. Denn mit leichter Verzögerung soll der so genannte City Cube am Standort der abgerissenen Deutschlandhalle mit dem DGB-Bundeskongress im Mai 2014 eröffnet werden. Der neue Multifunktionsbau ist mit drei Dutzend Großveranstaltungen und -kongressen jetzt schon langfristig gut gebucht. Bis zum Diabetes-Kongress im Mai 2020. Die Messe braucht das ICC nicht mehr. Sie setzt auf ihre neue Halle. Für das mögliche Ende des ICC schöne Worte zu finden, blieb dem Messe-Chef Christian Göke vorbehalten. Nach der Eröffnung des City Cube, so kündigte er an, werde das ICC im Frühjahr in den „Stillstandsbetrieb“ überführt.

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