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Finanzsenator Matthias Kollatz (l, SPD) im Gespräch mit Kultursenator Klaus Lederer (Linke).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin fehlen sechs Milliarden Euro: Rot-Rot-Grün will trotz Corona-Krise nicht sparen

Die Corona-Krise bringt Berlin an den Rand des Ruins. Bis 2021 fehlen sechs Milliarden Euro. Sparprogramme will der Senat aber nicht. Der Finanzsenator warnt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) rechnet damit, dass wegen der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise im Doppelhaushalt 2020/21 "im günstigsten Fall" rund sechs Milliarden Euro fehlen werden. "Wir werden einen Steuereinbruch erleben, den es so noch nie gab und der nicht ausgeglichen werden kann", sagte er am Donnerstag in der Debatte des Abgeordnetenhauses zum Nachtragshaushalt.

Der Senator kündigte "ernste Konsequenzen" an und hält es für möglich, eine Milliarde Euro bis Ende nächsten Jahres einzusparen, auch bei öffentlichen Investitionen und beim Landespersonal. Dann fehlten aber immer noch fünf Milliarden Euro. Deshalb müsse der Senat, so Kollatz, "massiv in die Neuverschuldung gehen".

Der Schuldenstand würde in diesem Fall von jetzt 57,6 Milliarden Euro auf über 62 Milliarden Euro steigen und damit den Höchstwert von 2011 fast wieder erreichen. Die Erfolge der Schuldentilgung, die in den vergangenen acht Jahren erreicht wurden, wären zunichte gemacht.

Eindringlich warnte der Finanzsenator davor, angesichts der gigantischen Defizite leichtsinnig zu werden. "Jede Maßnahme, die wir jetzt noch oben drauf packen, wird Konsequenzen haben." Die Schuldenbremse kann zwar wegen der Coronakrise zeitweilig außer Kraft gesetzt werden, aber die neu aufgenommenen Kredite müssen innerhalb eines verbindlichen Zeitplans zurückgezahlt werden. "Es ist nicht egal, ob das Land Berlin in den kommenden zehn Jahren jährlich 300 Millionen Euro tilgen muss - oder ob es 350 Millionen Euro sind."

Gegen die noch vagen Sparpläne des Finanzsenators regte sich in den Reihen der Regierungskoalition sogleich Widerstand. "Ich habe Zweifel", sagte der SPD-Finanzexperte Torsten Schneider. Deutlicher wurde der Linken-Haushälter Steffen Zillich. "Es wäre falsch, durch Sparprogramme Unsicherheit zu verbreiten und die öffentliche Nachfrage zu schwächen", sagte er in der Debatte. Auch dürften keine staatlichen Investitionen zurückgedreht werden.

Grüne: Sparen bis es quietscht, geht mit uns nicht

Der Grünen-Finanzer Daniel Wesener kündigte an: "Sparen bis es quietscht 2.0 wird es mit uns nicht geben". Auch die Bezirke dürften jetzt nicht zum Sparschwein gemacht werden. Dagegen sprach sich die FDP-Abgeordnete Sibylle Meister dafür aus, "Einsparpotenziale vor allem im konsumtiven Bereich aufzuzeigen und Projekte zu kürzen". CDU und AfD hielte sich aus diesem Streit heraus.

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Einig waren sich alle Fraktionen, dass die Aufnahme neuer Kredite in Milliardenhöhe unumgänglich ist. Der CDU-Haushaltssprecher Christian Goiny zeigte sich noch unzufrieden mit den Hilfen für die Wirtschaft. "Wir hätten uns mehr gewünscht." Das gelte beispielsweise für Kultur und Kreative. Und die FDP-Abgeordnete Meister geht davon aus, dass in absehbarer Zeit neben Flughafengesellschaft und Messe weitere Landesunternehmen finanziell unterstützt werden müssen. Etwa die BVG, die Bäderbetriebe und die Wohnungsbaugesellschaften.

Das Landesparlament will sich nicht entmachten lassen

Dem Wunsch des Finanzsenators, künftig bis zu 100 Millionen Euro im Rahmen der Corona-Ausgaben ohne vorherige Zustimmung des Abgeordnetenhauses freigeben zu dürfen, wurde von Koalitions- und Oppositionsfraktionen eindeutig eine Absage erteilt. Durch eine solche Generalvollmacht will sich das Parlament nicht entmachten lassen.

Der erste Nachtragshaushalt, der am Donnerstag im Landesparlament beraten wurde, ist weitgehend unumstritten. Das gilt auch für die Opposition. Er sieht drei Milliarden Euro Ausgaben für Wirtschaftshilfen, Schutzausrüstung, den Bau des Corona-Behandlungszentrums, Zuschüsse für den digitalen Schulbetrieb, Entschädigungszahlungen und Liquiditätshilfen für Flughafengesellschaft und Messe vor. Aber davon übernimmt der Bund 2,6 Milliarden Euro. Der Rest kann ausgeglichen werden, indem die geplante Schuldentilgung für das laufende Jahr (325 Millionen Euro) gestrichen wird.

Spannend wird der zweite Nachtrag zum Doppeletat 2020/21, den der Senat nach der bundesweiten Steuerschätzung am 26. Mai vorlegen will. Dann besteht Klarheit über die tatsächliche Entwicklung der Steuereinnahmen bis 2024. Eine Haushaltssperre, wie in Teilen der Landesverwaltung bereits befürchtet, plant Finanzsenator Kollatz derzeit nicht.

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