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Berlin: Berlin im Karnevalsrausch: Nach 42 Jahren soll es wieder einen Karnevalsumzug geben

Versetzen wir uns für einen Moment ins nächste Jahr: Genau am 25. Februar 2001, das ist ein Sonntag, reißt es die Berliner früher als sonst um diese Jahreszeit aus den Betten und vom Frühstückstisch.

Versetzen wir uns für einen Moment ins nächste Jahr: Genau am 25. Februar 2001, das ist ein Sonntag, reißt es die Berliner früher als sonst um diese Jahreszeit aus den Betten und vom Frühstückstisch. "Nu macht schon, heute is Karneval!", schleudert das Familienoberhaupt seiner Sippe entgegen, "Elf Uhr elf sind die Narren los!" Spornstreichs eilen die neugierigen Eventisten (neues Wort!) an die Strecke, wo sich schon hunderttausend Närrinnen und Narren versammelt haben, mit und ohne Pappnase, aber in erregter Erwartung der Dinge, die da vom 17. Juni durchs Brandenburger Tor über den Pariser Platz in die Wilhelm-, Leipziger-, Zimmer-, Französische, Friedrich-, Charlotten-, Mohren-, Markgrafen- und Werderstraße bis zum Roten Rathaus heranrollen sollen. Es handelt sich um Karnevalsgruppen, Faschingskapellen und vor allem um 50 Festwagen, die - schließlich sind wir in Deutschlands politisch-parlamentarischem Filetstück - mit allerlei zeitkritischen Darstellungen und prominenten Personen in poppigen Posen dekorativ ausstaffiert sind. Das begeisterte "Aaaah!" und "Ooooh!" des Volks am Straßenrand gilt dem Einfallsreichtum der Organisatoren vom "Karnevals-Zug Berlin e.V.", den flotten Damen und Herren der diversen Karnevalsclubs aus den in jeckigen Angelegenheiten längst fusionierten Ländern Berlin und Brandenburg mit ihren farbenfrohen Kostümen und den Liebesgaben, die von den Wagen in die Menge geschleudert werden - Bonbons, Schokolade, "Kamelle und Strüßche", wie der Rheinländer sagt, also sogenanntes Wurfmaterial. Am Roten Rathaus löst sich der Zug in Wohlgefallen auf, weitergefeiert wird in einem Zelt vor Eberhard Diepgens Amtssitz, der am 11. 11. 2000 schon mal heftig gestürmt worden war.

Die ganze Zukunftsmusik vom dreieinhalbstündigen Umzug mit 100 000 Zuschauern am Rande der 4,3-Kilometer-Strecke in der City ist heuer natürlich ein Wunschtraum der Organisatoren, die vorgestern Abend bei einem Berliner Bier im Westin Grand Hotel ihr Vorhaben im rosaroten optimistischen Hoffnungsschimmer darlegten. Bei dem ganzen Jokus handelt es sich um eine Koproduktion: Harald Grunert, Berlins verflossener Karnevalsprinz und Mit-Inhaber der Ständigen Vertretung rheinischen Gemüts am Schiffbauerdamm, firmiert als Präsident des kommenden Zuges, Eddi Braun, der Berlins 24 Karnevalsvereine mit 4500 Mitgliedern vertritt, ist der Präsident des Festkomitees. Jetzt beginnt die Sponsorensuche und allmählich die Aktivierung der Massen: 48 Jahre ist es her, dass unter dem letzten großen Umzug der Kurfürstendamm erbebte, nun soll das Motto "Lebensfreude pur!" alle möglichen Gruppen und Vereine, "von den Turnern bis zum Tierschutzverein" zum Mitmarschieren animieren. Was 42 Jahre verschüttet war, soll mit Berlins Schlachteruf "Heijo!" wiedererweckt werden. Aber man möchte Lustigkeit weder kopieren noch importieren: Dies ist ein Neuanfang, sagt Eddi Braun, "wir sind keine Hochburg, aber vielleicht ein Kastell?".

Lo.

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