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Berlin im Umbruch: Im Zentrum der Stadt wird Wohnraum knapp und teuer

Für viele Berliner sind die Mieten in den zentralen Bezirken inzwischen zu hoch. Immer mehr Menschen ziehen deshalb weg. Um die City bildet sich ein Ring der Armut.

In der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg entsteht ein neues Quartier. Es ist etwas Besonderes für eine ausgewählte Klientel: „Townhouses“, werden diese weißen Häuser neudeutsch genannt, weil die Idee aus Großbritannien stammt, wo klinkerrote Reihenhäuser eine Idylle vortäuschen, die in den meisten Großstädten für die meisten Menschen für immer verloren ist. Auch in Berlin kann sich nur eine Minderheit das eigene Heim mitten in der Stadt leisten: 550000 Euro kosten die 185 Quadratmeter großen Häuser im Winsviertel – das entspricht einer Miete von über 2300 Euro. Ohne Nebenkosten.

Berlin schwelgt im Luxus. Das junge, dynamische, das neue Berlin. Aber nur ein kleiner Teil davon. Bei der Mehrheit der Bevölkerung geht die Angst um: Wie lange wird man sich die Mieten in der Stadt noch leisten können? Diese Frage stellt sich nicht nur die große Schar gut qualifizierter Akademiker, die sich ohne feste Anstellung von Projekt zu Projekt hangelt, sondern auch die wachsende Zahl der „geringfügig Beschäftigten“, in Fortbildung oder Ein-Euro-Jobs geparkte Arbeitsuchende. Die Antwort ist ernüchternd: Günstiger Wohnraum ist knapp und wird sehr bald richtig selten. Prenzlauer Berg hat es gezeigt: Fast die komplette Bevölkerung wurde so schnell „ausgetauscht“ wie die Bausubstanz saniert. Das ist der Anfang einer Verdrängung, der nun die benachbarten schicken Viertel ergreift. Von Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg, aber auch von Zentrumslagen im Berliner Westen. Vor dieser „fortgesetzten Verdrängung der gewachsenen Bewohnerstruktur“ und der „zunehmenden Knappheit bei preisgünstigen Mietwohnungen“, warnen heute sogar konservative Beobachter des Marktes wie die landeseigene Investitionsbank. Die Entwicklung ist alarmierend.

Und das sind die Ursachen: Die durchschnittlichen Einkommen in Berlin stiegen in den letzten zehn Jahren kaum (plus 4,5 Prozent). Dagegen verteuerten sich Milch, Benzin und Strom sprunghaft – kurz: der Lebensunterhalt. Deshalb bleibt den Berlinern immer weniger Geld in der Tasche. Rein rechnerisch ist das Haushaltseinkommen heute 15 Prozent geringer als vor zehn Jahren. Von diesem geschrumpften Einkommen müssen Mieten bezahlt werden, die seither im Durchschnitt um rund 20 Prozent stiegen. Hinzu kommen höhere Preise für „Nebenkosten“, die um rund zehn Prozent stiegen. So bleibt den Berlinern immer weniger Geld zum Leben. Besonders schnell steigen die Preise kleiner Wohnungen. Denn immer mehr Menschen leben allein, über die Hälfte aller Haushalte sind es heute: mehr als eine Million. Oft sind es ältere Menschen, die Zahl der 65- bis 80-jährigen stieg in Berlin in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 42 Prozent. Aber auch Studenten und Auszubildende leben häufig allein, und die Zahl der 20- bis 30-Jährigen stieg in Berlin um fünf Prozent seit 1997.

Weil immer mehr Menschen alleine leben, gibt es immer mehr Haushalte: Sieben Prozent mehr als vor zehn Jahren sind es heute. Da seither aber nicht viele neue Häuser entstanden, konkurrieren immer mehr Menschen um freie Wohnungen. Deshalb steigen die Mieten. Die vielen Singles trifft es hart. Sie müssen im Durchschnitt ein Drittel ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben – billiger wohnt, wer nicht allein lebt: Da sind es im Durchschnitt nur 27 Prozent.

Wer gut wohnen will, muss in Berlin viel bezahlen. Für Wohnungen im östlichen Friedrichshain nahe dem Boxhagener Platz werden Mieten verlangt, die bis zu vierzig Prozent des durchschnittlichen Einkommens der Bewohner in dieser Gegend verschlingen. Das hat Folgen: Wer früher dort lebte, Studenten und Selbstständige mit kleineren Einkommen, wird verdrängt, weil sich nur noch Besserverdienende den Kiez leisten können.

Überraschend ist, dass die „Gentrifizierung“, wie die Verdrängung von Bewohnern in sanierten Quartieren genannt wird, auch den Norden Tempelhofs erfasst. Auch dort werden Mieten verlangt, die sehr hoch sind gemessen an den durchschnittlichen Einkommen in dieser Gegend: am Priesterweg, in der Fliegersiedlung sowie nördlich der Ullsteinstraße. Bis zu 40 Prozent ihres Einkommens müssten auch die jetzigen Bewohner des Kreuzberger Graefekiezes für dort angebotene Wohnungen bezahlen.

Besonders weit öffnet sich die Schere zwischen Mieten und Einkommen in Kreuzberg und Friedrichshain. Dort liegen die Haushaltseinkommen unter 90 Prozent des Berliner Durchschnitts – die geforderten Mieten liegen dagegen deutlich über dem Mittelwert. Nehmen wenigstens die 100000 leer stehenden Wohnungen etwas Druck von Markt und Mieten? Nein, meinen Experten wie der Ökonom Arnt von Bodelschwingh. Denn darunter seien Wohnungen in Erdgeschossen, in baufälligen Häusern, in sozialen Brennpunkten oder am Rand der Stadt, die sich überhaupt nicht vermieten ließen. Guter und bezahlbarer Wohnraum ist knapp in Berlin.

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