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Freut sich über den Milliardenüberschuss des Landes Berlin. Michael Müller, Regierender Bürgermeister.

© dpa

Berlin investiert: Luxusprojekte gehören nicht ins Programm

Berlin freut sich über einen Milliardenüberschuss im laufenden Jahr, die sinnvoll eingesetzt werden können. Die richtigen Schwerpunkte dabei zu setzen, ist eine hohe Kunst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine gute Gelegenheit muss man beim Schopf packen – und ausnahmsweise hat die rot-schwarze Koalition in Berlin klug und schnell reagiert, indem sie die hohen Haushaltsüberschüsse in ein Investitionsprogramm umleitet, das es in sich hat. Es war höchste Zeit. Rechnungshof und Wirtschaftsforscher, Unternehmensverbände und erboste Eltern von Kindern, die in kaputten Schulen lernen, beklagen den Zustand seit Jahren: Die werdende Weltmetropole Berlin lebt von ihrer Substanz, auch wegen unumgänglicher Sparprogramme des vergangenen Jahrzehnts. Die öffentliche Infrastruktur verrottet, und das in einer Stadt, die immer mehr Menschen aus aller Welt aufnimmt.

Nun könnte man sagen, was wollt ihr denn? Berlin ist schön und attraktiv, in anderen Millionenstädten geht es ganz anders zu. Aber das ist der Blick auf die noch glänzende Oberfläche, während an den tragenden Teilen der Rost nagt und im Maschinenraum schon der Öltank leckt. Berlin bewirbt sich im internationalen Wettbewerb als Standort von Bildung und Wissenschaft, Gesundheitswirtschaft und Öko-Technologien. Dann müssen die weltberühmte Charité und die Vivantes-Krankenhäuser, die Schulen und Unis aber auch in einen konkurrenzfähigen Zustand versetzt werden. Gleiches gilt für den öffentlichen Nahverkehr. Es wäre fatal zu warten, bis die U-Bahnwaggons in denselben Zustand geraten wie der Wagenpark der S-Bahn.

Berlin braucht eine Grundsanierung

Berlin braucht also eine Grundsanierung, die ein bis zwei Jahrzehnte dauern wird. Das kostet Geld. Es geht um viele Milliarden Euro, die allerdings neue und dauerhafte Werte schaffen. Wirtschaftlich gesehen ist eine zu niedrige Investitionsquote, unter der die Hauptstadt inzwischen erkennbar leidet, eine Verschleuderung von Volksvermögen. Selbstverständlich bleibt auch die Konsolidierung des Landeshaushalts angesichts eines Schuldenbergs von über 60 Milliarden Euro eine Daueraufgabe, aber es darf nicht länger an falscher Stelle gespart werden.

SPD und CDU versuchen nun, das Problem mit einem Kompromiss zu lösen. Die Hälfte der Jahresüberschüsse, jeweils dreistellige Millionensummen, fließt in besonders dringende Sanierungs- und Neubauvorhaben. Die andere Hälfte dient weiterhin der Schuldentilgung. Berlin muss darauf hoffen, dass die Steuereinnahmen weiterhin so üppig fließen und die Kreditzinsen niedrig bleiben. Denn nur unter diesen günstigen Bedingungen funktioniert das neue Investitionsprogramm. Sollte die Konjunktur einbrechen oder der europäische Finanzmarkt kriseln, wäre Berlin schnell wieder eine arme Kirchenmaus. Doch jetzt besteht die Chance, die momentan hohe Rendite der Stadt sinnvoll zu investieren.

Die richtigen Schwerpunkte dabei zu setzen, ist eine hohe Kunst. Die Liste des Finanzsenators für dieses Jahr nennt Projekte, die plausibel erscheinen. Ob es sich Rot-Schwarz im Berliner Wahljahr 2016 verkneifen kann, Wohltaten für die Wahlbürger mit der Gießkanne zu verteilen, ist aber noch nicht ausgemacht. Die Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen werden sich die neue Investitionspolitik Berlins, das ohne den Länderfinanzausgleich – 3,4 Milliarden jährlich – von Haushaltsüberschüssen nur träumen könnte, sehr genau ansehen. Das ist ihr gutes Recht. Die Hauptstadt muss voll funktionsfähig bleiben und Entwicklungschancen haben, aber Luxusprojekte gehören nicht ins Berlin-Programm.

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