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Berlin: Berlin ist nicht gut für die Gesundheit

Die Bewohner der Hauptstadt haben ein deutlich erhöhtes Risiko, vor dem 65. Geburtstag zu sterben

Verkehrsunfall, Selbstmord, Drogenmissbrauch oder Fettleibigkeit – in Berlin zu leben, ist ein Gesundheitsrisiko. Im Jahr 2003 erlagen in der Stadt rund 3600 Menschen einem „vermeidbaren Tod“, wie die Gesundheitsstatistiker das nennen. Das heißt, sie hätten durch vorsichtige und gesunde Lebensweise nicht sterben müssen. Laut dem aktuellen Gesundheitsbericht, der gestern von Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) vorgestellt wurde, hatten die Hauptstädter ein mehr als sieben Prozent höheres Risiko, vorzeitig – das heißt vor Vollendung des 65. Lebensjahres – ihr Leben zu verlieren, als im Bundesdurchschnitt.

Dafür gibt es viele Ursachen. Zigarettenqualm zum Beispiel. Im Jahr 2003 starben in Berlin 657 Menschen an Lungenkrebs, 68 mehr als 1999. Oder Leberzirrhosen infolge Alkoholmissbrauchs: 2003 registrierten die Statistiker 669 Opfer dieser schleichenden Organzersetzung. Diese Zahl sinkt. Vier Jahre zuvor waren es 740. Doch nicht nur Krankheiten töten. 2003 nahmen sich 509 Berliner das Leben. Zum Vergleich: 1995 verübten 634 Menschen Selbstmord. Und 139 Menschen starben bei Verkehrsunfällen (1999: 207). Auch diese Fälle zählen als „vermeidbar“.

Offenbar hängt das Risiko eines Todes zur Unzeit zusammen mit dem sozialen Status, zum Beispiel Einkommenshöhe, Bildung, Arbeitslosigkeit oder Herkunft – und dadurch mit dem Wohnort. Eine schlechte soziale Stellung und eine geringe Bildung machen krank (siehe Kasten). Das zeigt sich exemplarisch an Berlins dicken Kindern. Seit zehn Jahren wächst der Anteil der übergewichtigen oder fettsüchtigen (adipösen) Minderjährigen, die zum Teil später an gefährlichen Langzeitwirkungen wie Diabetes, Gefäßverkalkung oder Gelenkdegenerationen leiden. 2004 war jeder fünfte Junge und fast jedes vierte Mädchen übergewichtig oder adipös. Auffällig ist, dass der Anteil der extrem Übergewichtigen unter deutschen Kindern mit etwa zehn Prozent seit 1994 stagniert. Dagegen wuchs er bei türkischen Kindern von 20 auf 25 Prozent.

Eine schlechte Gesundheit belastet auch die Allgemeinheit. So würden für die Behandlung alkoholbedingter Krankheiten wie Leberschäden oder Abhängigkeit täglich rund 500 Krankenhausbetten in Berlin benötigt, sagt Knake-Werners oberster Statistiker, Gerhard Meinlschmidt. „Das kostet jedes Jahr zwischen 80 und 100 Millionen Euro.“

Ähnliches gilt für die Nikotinsucht. Mehr als ein Drittel aller Berliner über 15 Jahren hängt an der Kippe. Gerade bei Mädchen liege das Rauchen derzeit offenbar im Trend. Das Einstiegsalter sinkt kontinuierlich. Mädchen beginnen schon mit 15 mit dem gewohnheitsmäßigen Tabakkonsum, früher als die Jungen – und mittlerweile auch häufiger.

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