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Berlin: Berlin ist uns lieb – und teuer

Zum Streitgespräch beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ kamen 300 Gäste am Dienstagabend ins Hotel Intercontinental

Von Sabine Beikler

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist fest davon überzeugt, dass die meisten Menschen das Argumentieren mit Zahlen äußerst „unerotisch und langweilig“ finden. Das käme dem Finanzsenator gar nicht in den Sinn: Thilo Sarrazin ist bekannt dafür, dass er gerne Zahlenvergleiche bemüht. Fragt sich der Finanzsenator, wo Berlin noch sparen kann, fällt seine Antwort entsprechend unerotisch aus: „Berlin muss überall noch weniger Geld ausgeben.“

Was kann sich die Stadt leisten? Wo kann Berlin sparen – und wo sind die Grenzen erreicht? Darüber diskutierten beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ am Dienstag im Hotel Intercontinental Finanzsenator Sarrazin, Ex-Finanzsenator Peter Kurth (CDU), Lorenz Maroldt, stellvertretender Chefredakteur des Tagesspiegels, der frühere Wissenschaftssenator George Turner und rund 300 Gäste.

Gleich zu Beginn des Streitgesprächs stellte Thilo Sarrazin eines klar: Berlin ist ein normales Bundesland, nicht viel anders als Bayern oder Sachsen – eben nur ein bisschen ärmer. Deshalb muss Berlin sich auch an bundesdeutschen Maßstäben messen lassen. Bei 49 Prozent Mehrausgaben – rund 6,8 Milliarden Euro – liegen die Mehreinnahmen nur bei 25 Prozent, also rund 3,5 Milliarden Euro. Und Sarrazin machte eine einfache Rechnung auf: Dauerhafte Mehrausgaben hat Berlin durch Ausstattungsvorsprünge bei Polizei, Justiz und durch acht Prozent Sozialhilfeempfänger, für die die Stadt mit rund einer Milliarde Euro aufkommen muss. Selbst nach einer Entschuldung hätte Berlin gerade ausreichend Mehreinnahmen, um diese drei Bereiche weiter zu finanzieren. Für „Leuchttürme“ dagegen wie im Kulturbereich mit drei Opernhäusern, drei Berliner Hochschulen, Kitas und Schulen sei in einem ausgewogenen Haushalt kein Geld übrig. „Das können wir nur durch dauerhafte Minderausgaben ausgleichen.“ Peter Kurth, bis 2001 CDU-Finanzsenator, heute arbeitsmarktpolitischer Sprecher seiner Fraktion, forderte ein Leitbild, das über bloßes Ausgabensenken hinausgeht. Seine Konsolidierungsstrategie: eine ineinander verzahnte Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Potenziale in Osteuropa besser für die Stadt nutzen, die Infrastruktur verbessern – und sich vor allem mit den anderen Bundesländern über die Rolle Berlins verständigen. Bei den Sparpotenzialen müsse sich das Land aber auch selbstkritisch fragen: Was ist aus der Verwaltungsreform geworden? Wie weit sind die Vorschläge der Scholz-Kommission umgesetzt? Warum sind so viele Privatisierungen wie zum Beispiel Bankgesellschaft oder GSW gescheitert? „Berlin braucht privates Kapital. Wenn Verhandlungen von Ihnen einfach für beendet erklärt werden, kann Berlin als Standort nicht mehr wachsen. Da können Sie Ihre roten Teppiche gleich wieder einrollen“, wandte Kurth sich an Sarrazin.

Spezifisch für Berlin ist: Es gibt seit 1991 kein spürbares Wirtschaftswachstum. Sarrazin folgerte, dann könne ein Sparkurs nicht schädlich sein. Ebenfalls typisch ist, was der Finanzsenator den „30 bis 40-Prozent-Faktor “ nennt: Personalkosten im Öffentlichen Dienst, die um 30 Prozent über dem Durchschnitt liegen, um 40 Prozent höhere Kosten für einen Patienten im Krankenhaus – und um 50 Prozent höhere Kosten pro Student als woanders. Darin war sich die Runde einig: Die Fehler, die die Politik gemacht hatte, sind offensichtlich. Personalüberhänge waren „politisch gewollt“, der Wohnungsbau wurde „aus politischen Gründen“ gefördert, und auch die BVG hielt jahrelang daran fest, Skaträume oder Kegelbahnen auf Kosten des Landes zu unterhalten.

Die Diagnose ist klar, nur wo bleibt die Therapie? Früher schon hätte gehandelt werden müssen, sagte Lorenz Maroldt. Richtig sei die harte Linie des Senats bei den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst oder das Beenden von „überflüssigen Förderungen“ wie im Wohnungsbau. „Wer heute aus Prinzip Besitzstände verteidigt, handelt kaltschnäuzig denen gegenüber, die später für die Schulden aufkommen müssen.“

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