zum Hauptinhalt
Die Britin Dale Darr kam vor 40 Jahren nach Berlin.

© Maurizio Gambarini/dpa

Berlin-Kreuzberg: "Broken English" sagt Goodbye

Der Laden für Liebhaber der britischen Kultur in der Körtestraße schließt nach 24 Jahren. Inhaberin Dale Carr hat keine Lust auf den Brexit.

Manche Kunden sind „already in tears“, erzählt Dale Carr, und auch sie vergießt ein paar Tränen, wenn sie daran denkt, dass es das „Broken English“ bald nicht mehr geben wird. Seit 24 Jahren ist der Spezialitäten- und Geschenkladen in der Kreuzberger Körtestraße Institution und Zufluchtsort für Liebhaber der britischen Küche und Kultur. Hier kaufen Briten und Berliner zu gleichen Teilen Haggis – ein schottisches Gericht bestehend aus einem mit Organen gefüllten Schafsmagen, der typisch englischen Würzpaste Marmite, Christmas Crackers und Sausages. Doch im Mai wird der Laden schließen.

Die Entscheidung dazu fiel nach dem Brexit-Referendum, bei dem sich die Briten 2016 knapp für den Austritt aus der EU ausgesprochen hatten. Dale Carr und ihr Mann Robin hatten schon länger überlegt, ihr Geschäft zu verkaufen und in den Ruhestand zu gehen. Die Abstimmung gab dann den entscheidenden Anlass. Denn wenn Großbritannien nicht länger zur EU gehört, wird es deutlich aufwendiger, echte britische Spezialitäten zu importieren. Bisher lohnte sich dieses Geschäftsmodell, der Handel mit den britischen Waren, doch mit dem Brexit wird sich das ändern. Dann wird Großbritannien vom EU- zu einem Drittstaat, das bedeutet mehr Bürokratie und höhere Kosten.

Brexit ist stets Thema im Laden

„Das wird für mich persönlich zu viel“, erklärt Dale Carr. Sie kennt einen Verkäufer, zu dessen Sortiment neben manchen britischen Lebensmitteln auch Haggis gehört. Der müsse für den Handel mit Drittstaaten nun einen eigenen Mitarbeiter einstellen, nur um den Papierkram zu stemmen. „Zu so einem Aufwand sind wir nicht mehr in der Lage – und ich lerne das auch nicht mehr“, gibt Dale Carr zu.

Seit dem Referendum sind der Brexit und seine Folgen stets Thema im Laden. „Bisher habe ich nur drei Kunden gehabt, die für den EU-Austritt waren“, sagt Carr – und die seien nicht wiedergekommen. Dafür habe sie neue, junge Besucher bekommen, die aus Großbritannien nach Berlin übersiedelt sind.

Die Frau aus Sheffield lebt seit 40 Jahren in Deutschland, 1995 hat sie ihren Laden eröffnet. Eigentlich wollte sie nur kleine Geschenke verkaufen, doch schnell fragten die ersten Kunden nach britischen Spezialitäten – wie etwa bitterer Orangenmarmelade –, erinnert sich Dale Carr heute an die Anfänge des „Broken English“.

Carrs Laden in Berlin-Charlottenburg ist bereits geschlossen. In der Körtestraße plant die Britin einen "Abschied auf Raten".
Carrs Laden in Berlin-Charlottenburg ist bereits geschlossen. In der Körtestraße plant die Britin einen "Abschied auf Raten".

© Kai-Uwe Heinrich

Letzte Bestellungen sind gemacht

Sie lernte schnell, welche Sorten die Kunden wollten, und verkaufte fortan britische Produkte mit eigenem Aufdruck, gedacht als Geschenk. Aber die Kunden wollten immer mehr Lebensmittel: Senfpulver, Bacon und britische Würstchen, englisches Bier. „Ich dachte, diese Dinge hätten in Deutschland keinen guten Ruf“, gibt Dale Carr zu. Die Begeisterung vieler Kunden für die britischen Lebensmittel habe sie erstaunt. Aber sie wagte das Experiment und war damit erfolgreich, zeitweise hatte sie drei Läden in Berlin.

Heute gibt es nur noch das Stammhaus in der Körtestraße 10, die Carrs bereiten einen Abschied auf Raten vor. Es ist ein „German Goodbye“, wie es Dale Carr grinsend nennt. Wenn man sich nicht mit einem Mal verabschiedet und geht, sondern immer wieder kurz verweilt und erst dann den nächsten Schritt zur Tür hinaus macht. So zumindest hat ein Bekannter ihr das erklärt, als sie neu in Berlin war.

Viele letzte Bestellungen sind mittlerweile gemacht. Wann die allerletzte Lieferung kommt, ist noch nicht ganz sicher. Schon jetzt tätigen manche Leute Hamsterkäufe, gerade hat Carr eine Bestellung über fünf Kilo Tee aufgenommen. „Viele der Kunden sind schockiert, dass wirklich bald Schluss ist.“ Der Mietvertrag läuft Ende Juni aus.

Auf ein Happy End hofft Dale Carr nicht mehr – zumindest nicht, was ihr Heimatland angeht. Das Referendum habe das Land gespalten, es stünden Briten gegen Briten. „Der Schaden ist langfristig, das geht tief in die Menschen“, selbst wenn es doch nicht zum Brexit käme. Das „Broken English“ hingegen könnte davon profitieren. Bliebe Großbritannien in der EU, fände sich vielleicht jemand, der das Geschäft weiterführen würde – noch haben sie nämlich niemanden dafür gefunden.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false