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Mieterprotest gegen die steigenden Mieten in Kreuzberg - auch in Gewerbebauten wie der "Lause"

© Christian Mang

Berlin-Kreuzberg: Investor mit Herz für linke Projekte

Kreuzbergs „Lause“ mit vielen kiezigen, gemeinnützigen, politischen Projekten wird nicht verkauft. Bezirk hofft auf Modellfall für bedrohtes Gewerbe.

Überraschende Wende im Kreuzberger Häuser-Kampf: „Die Lause bleibt“ – und das nicht nur nach dem Willen der im Kiez verwurzelten Aktivisten und Mieter der Gewerbehöfe im „tiefen 36“, sondern auch nach dem Dafürhalten des Hauseigentümers, des dänischen Immobilienmultis Taekker. Dessen „Loftkomplex“ mit zwei Wohn- und Geschäftshäusern, das schon für knapp 20 Millionen Euro von Maklern feilgeboten wurde, steht nicht mehr zum Verkauf. Sogar das zweite Treffen zwischen Nutzer, Investor und Bezirk verlief konstruktiv.

Mieter überzeugten den Immobilien-Händler

„Wir sehen ein, dass es etwas forsch war, von null auf hundert in den Verkauf zu gehen“, sagt die Berliner Chefin von Taekker, Lene Mortensen. Die Mieter seien auf Taekker zugegangen und hätten diesen davon überzeugt, „dass man auch andere Wege gehen kann“. Ob das zu einem Verkauf der Häuser an das Land führt oder an eine gemeinnützige Stiftung oder ob es zu einer gemeinsam mit den Mietern abgestimmten behutsamen Sanierung kommt, werde sich noch zeigen. Eine schnelle Lösung sei nicht zu erwarten, aber das spielt Mortensen zufolge auch keine Rolle: „Wir sind bereit, die erforderliche Zeit einzuräumen“.

Verhaltene Freude - noch gibt es nur Zusicherungen

Verhaltene Freude bei einer Sprecherin der Mieterinitiative, Julia Oelkers: „Bisher haben wir nur die Zusage, dass der Verkauf ausgesetzt ist.“ Oelkers stellt mit ihrer Firma „Autofocus“ Videos her, seit 1997 in der Lause. Damals gehörte das Haus dem Bezirk, der es für angeblich drei Millionen Euro auf den Markt warf. Der abgebrochene Weiterverkauf hatte die Mieter zuvor kalt erwischt: Unangekündigt hätten Investoren das Haus besichtigt und schon von möglichen Renditen geschwärmt. Einen Antrag zur Umwandlung der Gewerbeflächen in Loft-Wohnungen habe Taekker auch schon gestellt. Auch habe er früher schon mal den Verkauf ausgeschlossen. So gesehen: Nichts Genaues weiß man nicht, dabei „brauchen wir langjährige Mietverträge, um eine Perspektive zu haben“.

Bezirksbaustadtrat fordert mehr Schutz für kleines Gewerbe

Im Rathaus von Friedrichshain-Kreuzberg kommt das gut an. Der neue Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hofft, aus der Lause ein „Modellprojekt“ für die Erhaltung der Mischung im Kiez zu machen, zumal es wenig rechtliche Mittel zum Schutz der Gewerbetreibenden gibt. Genau darin bestehe aber die Qualität traditioneller Berliner Quartiere: dass sie Platz für Experimente böten.

Hohe Mieten wären Aus für M99, Kisch&Co und Filou

Doch was die Anziehungskraft des Kiezes ausmacht, gefährdet ihn auch: Der Buchladen „Kisch&Co“, das Bäckereicafé „Filou“, davor schon das „M99 Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“ – immer häufiger bekommen fest verwurzelte Kiezpflanzen keine Anschlussmietverträge mehr. Anders als bei Wohnungen sind Gewerbemieter nicht durch Sanierungssatzungen und Mietrecht geschützt und deshalb Opfer des Kreislaufs aus steigenden Mieten und „Aufwertung“ durch den Zuzug von Konzern-Filialen.

In der Lausitzer Straße 10 und 11 wäre das „antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum“, kurz apabiz, gefährdet. Der Verein beobachtet die Tätigkeit von Neonazis und Rechtsterroristen, sammelt und analysiert deren Material und forscht dazu. Gefährdet wären auch andere Gewerbemieter im Block, darunter die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, die Videowerkstatt „Autofocus“ und das Bildarchiv „Umbruch“.

Künstler, soziale Projekte, Handwerker - für sie gibt es keine bezahlbare Räume

Die durchschnittliche Gewerbemiete in Berlin liegt bei 15 Euro plus Nebenkosten, sagt Baustadtrat Schmidt. „Wenn Künstler, Handwerker oder soziale Projekte ihre Büros verlieren, finden sie deshalb auch nichts Bezahlbares mehr“. Um die Lausitzer und ähnliche Häuser zu retten, fehlen Berlin die Instrumente: Bisher dürfen die Bezirke nur bei Wohnhäusern ein „Vorkaufsrecht“ ausüben, bei Gewerbeobjekten nicht. Die einst landeseigene Gewerbesiedlungsgesellschaft (GSG), die billige Flächen anbot, hat der Senat verkauft. Um auf solche Objekte zugreifen zu können, schlägt Schmidt die Gründung einer landeseigenen Gewerberaumgesellschaft, eines Ankaufsfonds und ein „Bündnis für bezahlbare Räume für nichtkommerzielle Nutzer“ vor. Zivilgesellschaft, Politik und Immobilieneigentümer müssten einen „Zukunftsdialog zur Erhaltung der gewerblichen Mischung in den Kiezen führen“.

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