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Drinnen: Sondierungsgespräche. Draußen: Gelangweilte Reporter und Polizisten. Derweil werden unbemerkt Autofenster eingeschlagen.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin-Kreuzberg: Metropolitane Nonchalance

Polizei und Journalisten merken nichts, als in ihrer Nähe Autofenster zerstört werden. Eine Analyse der blinden Flecken einer Großstadt. Eine Glosse.

Berlin ist groß, so groß, dass nie jemand was merkt. Falls aber doch jemand was merkt, denkt er: Da war sicher nischt. Ey, Alter, war wat? Nee, oder? Mit dieser lässig metropolitanen Nonchalance ist die Stadt zum weltweit bekannten Sehnsuchtsort geworden, in dem alles zu passieren scheint und auch wieder nichts, je nach Blickwinkel. Aber bevor das jetzt hier komplett ins Philosophische abdriftet, kommen wir zu einem spezifisch berlinischen Ereignis am Rande der Koalitionsverhandlungen.

Da nämlich geschah es in der Nacht, dass direkt gegenüber dem Willy-Brandt-Haus mehrere Autoscheiben eingeschlagen wurden; ein Fotograf büßte seine Ausrüstung ein. Und all das geschah in der Nähe zahlreicher Fotografen, Reporter und Polizisten, die offenbar wegen der Ereignislosigkeit der Nacht ihre Live-Ticker abgestellt hatten und in erquickenden Kurzschlaf gefallen waren.

Wie konnte das passieren?

Generell ist es die Aufgabe der Presse, in solchen Situationen die einzig mögliche und nötige Frage zu stellen: Wie konnte das passieren? Sie tat das, als kürzlich in Plötzensee allerhand Häftlinge verschwanden, denen praktisch sämtliche Ausbruchswerkzeuge zur Verfügung standen, taktische Atomwaffen mal ausgenommen.

Und sie fragt es bekanntlich bei allem, was der Senat sonst so vor die Wand fährt. Aber diesmal, beim munteren Autoknacken in Kreuzberg, war die Presse dabei und hat, bätschi (um Andrea Nahles zu zitieren), auch nichts gemerkt. Gut, es waren nicht die Polizeireporter, sondern Kollegen, die eher aufs große Ganze gucken – aber trotzdem.

Also ist es ein generelles Problem. Wir lernen daraus: Die Anwesenheit der Polizei garantiert nicht, dass nichts passiert. Aber die Anwesenheit der Presse wohl leider auch nicht. Wir sind eben eine richtige Metropole.

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