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Rahmspinat kommt häufig als tiefgekühlter Block, der langsam aufgetaut sein will und oft nur lasch schmeckt.

© Imago/Niehoff

"Berlin kulinarisch": Aber bitte mit Sahne

Tiefkühl-Spinat ist selten besser als sein Ruf. Unsere Testrunde hat ihn einer Geschmacksprobe unterzogen. In den Töpfen landeten Spinatblöcke vieler Hersteller, nur zwei fanden die Zustimmung unserer Probanden.

Der Cineast kennt das Kostümfilm-Paradoxon: Gerade die akribischsten Anstrengungen, Figuren und Interieurs der Vergangenheit in Szene zu setzen, bewirken, dass man dem Geschehen auf der Leinwand mit ironischer Distanz folgt. Auch im Reich der Lebensmittel ist dieser Effekt nicht unbekannt. Wer sich Speisen nähert, die einer lange überwundenen Epoche ihren Stempel aufgedrückt haben, wird sich dem Gefühl des Unwirklichen nicht entziehen können. Besonders, wenn es sich um Nahrung wie Spinat handelt, die man als Kind reichlich verabreicht bekam. Die Verbreitung dieses Gemüses beruhte weniger auf seinem kulinarischen Rang als auf dem lange unbekannten Messfehler, der ihn mit einem vermeintlich hohen Eisenanteil zum Freund aller besorgten Eltern machte.

Vielleicht ist es eine Fügung geschichtlicher Ironie, dass dieser angebliche Grundbaustein des Heranwachsens tatsächlich in Form eines Mauersteines daherkam. Denn wir sprechen hier über tiefgefrorenen Spinat, eine Ikone der frühen Tiefkühlära. Er war nie weg, stand nur lange im Schatten des frischen Blatts, das den Feinschmecker aber notorisch mit dem hohen Aufwand beim Waschen und Verlesen nervt. Kurzum: Man redet von frischem und kauft gefrorenen.

Grasig, fischig, fleischbrühig

Bei Florian Glauert ist das genau umgekehrt. Zumindest für einige Stunden bemühte sich der Küchenchef des Restaurants „Duke“ im Ellington-Hotel, der die Grünpflanze prinzipiell frisch verarbeitet, diversen Spinat aus der Kühltruhe zu charakterisieren. Die monatliche Testrunde konzentrierte sich zunächst auf pürierten Rahmspinat, über den trotz seiner weiten Verbreitung vergleichsweise wenig bekannt ist, am allerwenigsten wohl über Qualitätsunterschiede. Insgeheim mag so mancher denken, das gesamte Angebot stammte aus einer einzigen Fabrik.

Unsere Probierrunde beim Test.
Unsere Probierrunde beim Test.

© Alice Epp

Den Eindruck der Massenfertigung können weder der eher grasige „Edeka Rahmspinat“, der mit Rapsöl und Mehl angereicherte „Beste Ernte Rahmspinat“ noch der laut Glauert „leicht fischig“ vorkommende „Gut & Günstig“ verwischen. Die ein bisschen eindrucksvolleren Varianten wie der kräftig grüne, etwas streuwürzige „Star Marke“, der milde, leicht pfeffrige, aber auch wässrige „Frenzel“ sowie die womöglich etwas fleischbrühige, recht häckselige „Rewe Beste Wahl“ führen zusammen mit den bereits genannten Sorten vor, wie sehr sich Spinat in ein fast komplettes Fertigprodukt verwandelt hat. Neben einer durchweg kräftigen Salzbeigabe und nachdrücklicher Würzung – vor allem mit Muskat – liegt das vor allem am Sahneanteil von acht bis zehn Prozent.

Auch Bio-Spinat kann nicht überzeugen

Das gilt fast noch mehr für Produkte aus dem ökologischen Landbau. Ellington-Direktor Gunnar Gust war überrascht, dass ihm bei „Rewe Bio“ nur ein gewisser Sandanteil als authentisch vorkam. „Null Konsistenz“, ergänzte sein Chefkoch Glauert, „fließt einfach weg im Mund.“ Ebenfalls an eine Suppe erinnerte „Edeka Bio“ – um dann überfallartig unerwartete Aromakomponenten nachzuschieben. Jury-Mitglied Wolfram Ritschl erschmeckte Maracuja und Papaya und dachte an Obstsalat, „und zwar einen muffigen“.

Im Test: Etliche Marken, gleiches Produkt – Rahmspinat.
Im Test: Etliche Marken, gleiches Produkt – Rahmspinat.

© Alice Epp

Den Gegenentwurf bildete der „Ökoland“-Spinat: Mit dem Wort „Babynahrung“ reagierte Glauert trocken auf diese suppige wie beinahe salzlose Angelegenheit. Demgegenüber erwies sich die Version des Bio-Anbieters „Dennree“ als wenigstens schleimig, dabei sehr sahnig und mit einem Anflug Nuss versehen. Fast allen Sorten jedoch scheinen die bitteren und adstringierenden Noten abtrainiert worden zu sein, so dass der Retro-Effekt blass bleibt und die Zähne sich selten für einen Augenblick stumpf anfühlen.

Spinat des Marktführers besser als sein Ruf

Das Geheimnis von Rahmspinat ist – wenn es denn überhaupt eines gibt – das der Proportion. Es kommt darauf an, in welchem Verhältnis sich die Elemente befinden und zu welcher Geschlossenheit sie fähig sind. Während zum Beispiel „Iglo Blatt-Spinat mit Philadelphia“ (von „Iglo Forever Food Spinatstäbchen“ gar nicht zu reden!) mit käsig-quarkigen und knoblauchpulvrigen Tönen das Thema grandios verfehlt, ist der überall anzutreffende Rahm-Spinat des Marktführers dafür weitaus besser als sein Ruf. Er ist relativ grob gehackt und behält Konsistenz im Mund noch über Momente hinweg. Über dem Mundgefühl baut sich die chlorophyllige Typik der Blattpflanze gut auf und unterschlägt dabei nicht die stumpfen Beiklänge. Die üppig beigegebene Sahne führt, wie Jury-Mitglied Holger Schwarz von „Viniculture“ betonte, zu deutlicher Süße, aber sie bewirkt erst die schlotzige Art von Iglo. Als noch voller, also noch spinatiger und weniger feucht erwies sich der Rahmspinat von Lidl mit dem Etikett „Ein gutes Stück Heimat“.

Küchenchef Florian Glauert
Küchenchef Florian Glauert

© Alice Epp

Geschmacksharmonie aus der Discounter-Truhe

Wenn es nur rein auf geschmackliche Harmonie, eine gewisse Natürlichkeit sowie einen guten farblichen Eindruck ankäme, müssten zwei Erzeugnisse aus der Discounter-Truhe eigentlich in aller Munde sein: „A&P Rahmspinat“ und „Ja! Rahm-Spinat“. Am Ende wollte die Jury keines davon vorziehen, denn ihre Meriten wiegen gleich viel. Das Produkt mit dem Bindestrich zwischen den Ingredienzen zeigt noch Blatt und Stengel, obwohl es stärker zerschnitten wurde und flutschiger ist als das andere. Neben dem charakteristischen Geschmack äußern sich noch fast blumige Rauchnoten. An A&P gefiel, dass es einfach gehalten ist und trotz Beigabe von Muskat als Gemüse sehr präsent bleibt. „Spinat steht hier eindeutig im Vordergrund“, urteilte Glauert, „da lohnt es sich dann, ihn zu verfeinern – mit Curry oder Kokosmilch beispielsweise.“

Keine großen Unterschiede bei Spinat ohne Rahm

Zur Gegenkontrolle warf die Jury dann noch einen Blick auf den weitgehend unbehandelt in die Kühlkette gelangten Spinat. Doch schon die ersten Proben von „Ardo Spinat gehackt“, „Beste Ernte Junger Spinat“, „Dennree Spinat“, „Iglo Junger Spinat“ und „Rewe Junger Spinat gehackt“ zeigten, dass trotz unterschiedlicher Zerkleinerungsgrade eins dem andern nicht viel nimmt. Alle bringen quasi vom Feld her noch leicht bittere Seiten mit, Anflüge von Säure und die Erdigkeit, die bei den Rahmsorten zu kurz kommt. Nur mit dem Biss hapert es. Entweder fühlen sich die verzwirbelten Blätter zäh an zwischen den Zähnen oder eben schlapp. Aus dem Einerlei ragten immerhin dann „Ardo Blattspinat in Portionen“, „Demeter Natural Cool“, „Edeka Junger Spinat fein gehackt“ und als Sieger „Dujardin Blattspinat“ vom „Nah&Gut“-Supermarkt heraus. Diese Sorten erwecken zwar keine Erinnerungen an die Kindheit. Aber sie dienen dem, der sie weiterzuverarbeiten gedenkt.

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