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Berlin: Berlin macht gesund

Die Hauptstadt hat zu viele Krankenhausbetten. Dennoch wollen Investoren Millionen Euro in den Gesundheitsstandort stecken

Der Boom ist vorbei. Kein privater Investor ist mehr bereit, ein Krankenhaus zu kaufen, nur weil es mal eben auf dem Markt ist. Vor fünf Jahren war das noch anders. Da standen die privaten Klinikbetreiber Schlange, wenn (seltenerweise) ein Landrat oder ein Bürgermeister eine öffentliche Klinik zu Geld machen wollten. Jetzt hat sich der Wind gedreht: Nun stehen Landkreise und Kommunen bei den Investoren an, um die viel zu teuren einstigen Renommierobjekte loszuwerden. Das Angebot ist so groß, dass selbst die großen Konzerne das eine oder andere Mal entnervt abwinken.

Doch Berlin ist anders: Immer dann, wenn ein Krankenhaus zum Verkauf steht oder darüber diskutiert wird, stehen Käufer auf der Matte – und sind bereit, Hunderte Millionen zu investieren. So zum Beispiel die Rhön-Klinikums-Aktiengesellschaft mit Sitz im bayerischen Neustadt an der Saale. Vor einigen Wochen ging Rhön-Chef Eugen Münch mit einem Angebot für den landeseigenen Klinikkonzern Vivantes an die Öffentlichkeit. Sein Unternehmen sei bereit, 200 Millionen Euro in den aus neun Kliniken bestehenden Vivantes-Konzern zu stecken. Doch der Senat sagte Nein. Trotzdem: „Unser Interesse an einem Standort in Berlin ist ungebrochen“, sagte Rhön-Vorstandsmitglied Joachim Manz noch im Juni, kurz nachdem Rhön wieder einmal im Klinikpoker den Kürzeren gezogen hatte. Die Zentralklinik Emil von Behring in Zehlendorf ging an den Konkurrenten Helios in Fulda.

Vor allem die Bereitschaft von Helios, seine Konzernzentrale nach Berlin zu verlegen, hat überzeugt. Zum zweiten Mal hängte Helios damit in einem knappen Rennen den Rivalen ab. Denn 2001 schnappte ihm Helios schon das ehemals städtische Klinikum in Buch vor der Nase weg. Seit Jahren liefern sich beide ein Wettrennen um den Titel Marktführer. In den letzten 19 Monaten kaufte Rhön sechs Krankenhäuser hinzu und betreibt nun 30 Kliniken. Helios erwarb im gleichen Zeitraum vier Häuser – 25 Krankenhäuser gehören jetzt zum Portfolio.

Um die Zehlendorfer Zentralklinik bewarben sich in der Endrunde acht potenzielle Käufer, darunter nicht nur private Träger. Auch Gemeinnützige meldeten Interesse an, einige zogen sich aber wieder zurück. Dem Vernehmen nach, weil deren Aufsichtsgremien das unternehmerische Risiko scheuten. Denn die Zehlendorfer Klinik habe ein typisches Berliner Problem, heißt es: zu viele Mitarbeiter. Mindestens 300 der 1250 derzeit dort Beschäftigten seien überflüssig, rechneten Fachleute aus. Und betriebsbedingte Kündigungen sind bis Ende 2005 ausgeschlossen. Doch solche Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit schrecken offenbar die Privaten nicht ab. „Zehlendorf und Buch haben ein hervorragendes Potenzial“, sagt Helios-Hauptgeschäftsführer Rolf Michels.

Nicht alle der 69 Berliner Kliniken mit derzeit rund 48 000 Mitarbeitern haben solche Zukunftsaussichten. Der Abbau von Kapazitäten werde sich massiv fortsetzen, sagen Experten. Denn Deutschland habe eine zu üppige Klinikausstattung. So schätzt die Kölner Unternehmensberatung Admed in einer Studie gemeinsam mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, dass in den kommenden Jahren bis zu 40 Prozent der Klinikbetten vom Markt verschwinden werden. Das wären in Berlin rund 8400 Betten. Dies trifft auch das Personal. Allein Vivantes – mit rund 30 Prozent Marktanteil der größte Träger in Berlin – muss bis 2008 rund 1700 Stellen streichen.

Also: Ein bundesweites Überangebot von zum Verkauf stehenden Kliniken und ein schrumpfender Markt – wieso also drängen die Großen trotzdem nach Berlin und wollen hier investieren? Helios zum Beispiel wird rund 220 Millionen Euro in seine beiden Berliner Häuser investieren. Da ist zum einen die Funktion als Bundeshauptstadt. „Die Nähe zu den entscheidenden Gesundheitspolitikern ermöglicht es den Konzernen zu demonstrieren, dass Privatisierungen funktionieren“, sagt Sebastian Krolop von Admed. Eine erfolgreiche Lobbyarbeit erleichtere den Trägern den Ankauf weiterer Häuser.

Hinzu kommt die Großstadtsituation: 5,4 Millionen Menschen in der Region Berlin und Brandenburg bieten einen attraktiven Kundenstamm. Und schließlich sind die hiesigen Forschungseinrichtungen zu nennen. Nirgendwo sonst in Deutschland gebe die öffentliche Hand derart viel Geld für die Förderung von Medizinforschung aus, sagt Hans-Jochen Brauns, Geschäftsführer des Vereins Gesundheitsstadt Berlin. „Von den jährlich 1,5 Milliarden Euro, die der Senat für die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufwendet, geht rund ein Viertel in die Gesundheitswissenschaft.“

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