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Muntermacher am Wegesrand. Jubelnde Freunde und Familienangehörige helfen oft über die nächsten Kilometer.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin-Marathon 2015: Panik, Spötter, Mutmacher - Tops und Flops für Läufer

Kommt mir nicht in die Quere: Ein Marathonike erinnert sich an Weh und Wohl auf der Strecke und sagt, was für Läufer wichtig ist.

Nein, es tut nicht weh, an diesem Sonntag die 42,195 Kilometer mal nicht zu laufen. Na gut , ein bisschen vielleicht schon. Denn wer mal mit dem Marathon angefangen hat, kommt so leicht nicht mehr davon los. Und wer dann doch verzichtet, dem zuckt’s in der Wade. Die beste Medizin ist dann Ablenkung – also Arbeit. Dumm nur, wenn es dort heißt: Was sind eigentlich die Tops und Flops aus Läufersicht? Hier sind sie also, die schönsten und übelsten Begebenheiten, die den Lauf zur Glückserfahrung machen – oder zur Höllenqual.

FLOP 1: NUR SCHNELL MAL RÜBER

Bloß nicht – es nervt! Zuschauer, die unbedingt auf die andere Seite wollen, sind ab Kilometer 35 einfach die Hölle. Klar denkt jeder: Das schaffe ich locker. Nur dass sich die meisten überschätzen oder meinen, die Ellbogen ausfahren zu müssen und hoffen, dass schon gut gehen wird. Was sie nicht wissen: Viele Läufer kämpfen da schon um jeden Meter. Die Bodenwelle, der Plastikbecher oder eben kreuzende Zuschauer werden zu gewaltigen Hürden im Kampf gegen den inneren Schweinehund. Wer unbedingt auf die andere Straßenseite will, kann in der City oft einfach die Unterführung an den U-Bahnhöfen nehmen – das gilt vor allem für jene Radfahrer, die sonst allen Ernstes ihr Gefährt durch die Massen schieben möchten.

FLOP 2: TRINKSTAND-PANIK

Alle fünf Kilometer gibt’s was aufs Haus: Süßer Tee in klebrigen Behältnissen, Wasser im Becher oder im Bottich zur Kühlung des Hauptes. Auf dutzenden von Metern erstrecken sich die Tresen, lange vorm Erreichen derselben gibt es Hinweise. Trotzdem fehlt es nicht an Deppen, die sich ohne Rücksicht auf den Pulk zu den Trinkständen durchboxen. Beim Marathon ist es halt wie im echten Leben: Kaum hat man Frieden mit sich selbst und der Welt geschlossen, da kommt einer, der alles durcheinander bringt.

FLOP 3: PÖBELNDE SPÖTTER

Der Marathon ist ein einziges großes Fest: Bauchtanz am Kotti, Jazz in Charlottenburg, Rock am Ku’damm. Hunderttausende mit Fähnchen, Plakaten und Transparenten – und einige wenige, die einen schlechten Tag haben. Die stehen mit großen leeren Augen an der Strecke und spotten, pöbeln oder halten ein Bier hin und rufen: „Trink’ doch mal ’n Schluck.“

TOP 1: LEIDENSGENOSSEN

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Das erklärt wohl die verschworene Gemeinschaft unter Läufern. Zu unterscheiden sind dabei die Depperten, die über ihre Zeiten klagen, obwohl sie zu den 39 900 gehören, die eh keinen Blumentopf gewinnen. Und dann gibt es noch die, die einfach gerne raus gehen, den Wind im Haar und den Regen auf der Haut spüren und für einen Plausch immer zu haben sind. Peter zum Beispiel, den ich auf der Straße des 17. Junis kennenlernte und mit dem plaudernd ein halber Marathon wie im Fluge verging. Irgendwo auf der Strecke haben wir uns dann doch aus den Augen verloren.

TOP 2: DU MACHST MIR MUT

Besonders böse sind zwei Abschnitte beim Marathon: der Hohenzollerndamm und die Leipziger Straße. Beide sind wie der Kater nach einer durchzechten Nacht: Kurz vorher feuern jubelnde Cheerleader am Wilden Eber und Zehntausende am Potsdamer Platz die ermatteten Läufer an und danach kommt – nichts. Nur eine ewig lange, breite, gerade Straße ins Nirgendwo. Wer hier stehenbleibt, findet nur schwer zurück zum Lauf. Davor bewahrte mich ein Fremder an der Strecke, bestärkte mich mit ein paar Worten, Du schaffst das. Den richtigen Ton gefunden, danke!

TOP 3: FRAU, KINDER, FREUNDE

Helden für einen Tag – das sind die Läufer für Frau, Kinder und Freunde, die sie feiern. Bis zur Hälfte der Strecke ist es eine Freude: Da läuft es noch. Zum Ende hin, öffnet es wenigstens das Herz, aber eigentlich möchte man es nur noch schnell zu Ende bringen. Genau genommen möchte man möglichst schnell den Pariser Platz erreichen. Wer vorher noch keinen „Läufer-High“ hatte, holt ihn dort einfach nach. Stampfende Beats, tosende Zuschauer auf den Rängen. Wer noch Kraft hat, sollte da mal zurückjubeln, posen und winken, dann geht es ab – so müssen sich Rock-Stars fühlen.

Der Autor (53) lief zehn Marathons, den letzten im vergangenen Jahr in Berlin. Zuletzt schnürte er seltener die Laufschuhe, griff dafür öfter zur Yoga-Matte. Nun schwankt er zwischen Rückzug in die Marathon-Rente und furiosem Comeback im Jahr 2016.

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