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Thomas Ziesecke und seine Freunde

© Michele Galassi

Berlin-Marathon: Am Samstag sind die Skater los

Laufen? Nicht schlecht. Unterwegs auf Rollen? Noch viel besser! Inlineskater wie Thomas Ziesecke gehen am Samstag an den Start.

Zugegeben, der Anblick ist erst einmal lustig: Die Knie in die tiefe Hocke gebeugt, den Oberkörper weit nach vorn geneigt, Arme parallel zum Körper nach hinten gestreckt, so stehen sich rund zwei Dutzend Männer und Frauen von Vierzig bis Ende Sechzig in einem Kreis gegenüber. Es sieht ein bisschen so aus, als warteten sie auf einen Windstoß, der sie vom Rasen des Sportplatzes in der Paul-Heyse-Straße in die Lüfte hebt.

Doch hier geht es nicht ums Fliegen, es geht ums Rollen. Die Inlineskating-Sektion des Sportvereins Berliner TSC e.V. befindet sich mitten im letzten Training vor dem diesjährigen Berlin-Marathon. „Stabil stehen, Knie spitz und dann die Beine in Richtung 9 und 3 Uhr abdrücken“, so erklärt der 53-jährige Thomas Ziesecke die Trockenübungen.

Am Sonnabend starten zum 22. Mal vor den Läufern, die am Sonntag dran sind, die Inlineskater. Für die Inlineskater ist es der größte und wichtigste Marathon der Welt. Zum Wettkampf haben sich 5258 Teilnehmer aus 67 Nationen angemeldet, außerdem werden am Straßenrand rund 250.000 Zuschauer erwartet. Die 42 Kilometer lange Route der Inlineskater schlängelt sich an Berlins Sehenswürdigkeiten vorbei durch die Innenstadt.

Dass die Stadt den Inlineskatern gehört, ist für die meisten Berliner eine einzigartige Erfahrung. Denn laut Straßenverkehrsordnung gelten Inlineskater offiziell als Fußgänger. Auf Verkehrsstraßen dürfen sie deshalb eigentlich gar nicht fahren. Der Zustand der Berliner Straßen wäre für Inlineskater aber oftmals ohnehin zu gefährlich. „Alleine traue ich mich in Berlin nicht auf die Straße“, sagt Thomas Ziesecke. Aber auch Geh- und Radwege sind allzu oft baufällig. Die häufigsten Stolperfallen sind Wurzelschäden. Manche Strecken wie der Radweg in der Kreuzberger Alexandrinenstraße sind so gefährlich, dass sie gesperrt wurden. Skater weichen daher meistens auf spezielle Routen wie den Kronprinzessinnenweg, den Mauerweg oder die Ostkrone am Teltowkanal aus.

Das Gefühl kann man nicht beschreiben

Um die Strecke für den Marathon sicher zu machen, wurde sie vom Veranstalter vorab präpariert. Der SCC schloss Schlaglöcher mit Kaltasphalt und füllte die Tramschienen mit Gummilitzen, Arbeiten an den Baustellen sind vorübergehend unterbrochen.

Am Donnerstagabend hat sich Thomas Ziesecke mit anderen Skatern zum abendlichen Stadtrollern getroffen. Nach 20 Uhr sind in Mitte deutlich weniger Autos unterwegs als tagsüber, da wagen sich die Skater ausnahmsweise auf die Verkehrsstraßen. Thomas Ziesecke trägt die rotweiße Vereinskleidung und einen Helm, an den er eine Kopfleuchte geklemmt hat.

In der Luft hängt der Geruch von nassem Asphalt. Die Berliner Skater haben für ihre befreundeten Marathon-Gäste eine kleine Sightseeingtour durch die Hauptstadt geplant. Die Route führt vom Winterfeldtplatz zur Siegessäule und an der Spree vorbei durchs Brandenburger Tor bis zum Checkpoint Charlie und zurück. Eigentlich ideal zum Skaten, denn die Wege haben nahezu keine Steigungen und sind durchgehend asphaltiert. Nur die nassen Straßen bereiten den Skatern Sorgen. „Rutschig und tödlich für die Rollen“, erklärt Thomas Ziesecke.

Letztendlich wollen aber doch alle mit. Elegant bewegen sie sich durch den Verkehr. Beim Fahren tauschen die Skater Erinnerungen an vergangene Marathons aus. Manche von ihnen nehmen schon zum 15. Mal teil, andere starten doppelt, also sowohl am Sonnabend bei den Skatern als auch am Sonntag bei den Läufern. „Einmal und nie wieder, danach sind mir die Zehennägel abgefallen“, erinnert sich Thomas Ziesecke an seinen Doppelstart.

In diesem Jahr gilt der Belgier Bart Swings als Favorit im Marathon der Inlineskater. Vor vier Jahren durchbrach er erstmals die Marke von einer Stunde. Ums Aufstellen von Bestzeiten geht es der Gruppe aber nicht. Sie tun es für den Moment, wenn pünktlich um 15.30 Uhr Hells Bells von ACDC im Startbereich der Straße des 17. Juni gespielt wird und sie angefeuert von Zehntausenden Zuschauern gemeinsam lossprinten. Dieses Gefühl könne man nicht beschreiben, das müsse man erlebt haben. Um es mit ACDC zu sagen: „I’m a rolling thunder, a pouring rain, I’m comin’ on like a hurricane.“

Nach 13 Kilometern ist die Gruppe bei ihrer Vorbereitungstour am Winterfeldtplatz angekommen. Die Vorfreude auf den Marathon ist nun greifbar. Die meisten fahren in Grüppchen, andere verabreden sich für die After-Race-Party. Die Skates müssen sie für die Feier nach dem Marathon nicht einmal ausziehen, erzählen sie. Denn auf Rollen lässt es sich ganz hervorragend tanzen.

Miriam Dahlinger

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