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Berlin-Marathon: Der Lauf der Welt

Am Sonntag fällt zum 35. Mal der Startschuss zum Berlin-Marathon. Warum das Rennen eines der wichtigsten wurde, weiß Horst Milde. Der 70-jährige Gründer des Laufs erinnert sich.

Der Berlin-Marathon startet am Sonntag zum 35. Mal, Horst Milde wird einen Monat später 70 Jahre alt. Vielleicht wäre der Marathon auch ohne Milde so alt geworden, aber sicher nicht so groß. Seitdem er als Gründer 1974 den ersten Berlin-Marathon im Grunewald startete, haben gut 800.000 Sportler teilgenommen. Milde war früher selbst talentierter Mittelstreckenläufer und gehörte zur erweiterten deutschen Spitze, noch größere Begabung hatte er jedoch im Organisieren von Laufveranstaltungen. In 40 Jahren kamen mehr als 1,25 Millionen Teilnehmer zu seinen Rennen. 2004 gab Milde den Posten des Marathon-Renndirektors an seinen Sohn Mark ab. Hier erzählt Horst Milde, mit welchen Ereignissen aus dem Berlin-Marathon einer der bedeutendsten Läufe der Welt wurde.

1981: Der Schritt in die Stadt

In den ersten Jahren war der Marathon nur wenigen Läufern bekannt. Aber dann fingen die Veranstalter in New York 1976 an, ihren Marathon durch die ganze Stadt laufen zu lassen. 1979 hatten sie damit ihre Teilnehmerzahl schon auf 10.000 gesteigert. Das wollten wir in Berlin auch. Die Zustimmung des Senats für den Marathon durch die Innenstadt bekamen wir, doch die Polizei zu überzeugen, bedurfte höherer Gewalt. Als ich im Sommer 1980 dem damaligen Polizeipräsidenten Klaus Hübner vorgestellt wurde, geschah dies mit den Worten: „Dort drüben sitzt ein Verrückter – der will durch die Stadt rennen!“

Unsere Streckenführung war das Problem. Der Kurfürstendamm war die Zielgerade. „Die Straßen sind für die Autos da“, wurde uns gesagt. Tabu war ein anderer Streckenpunkt: Der Checkpoint Charlie, der durch den Läuferstrom abgeschnitten war. Wir sollten eine andere Route vorschlagen, doch ich nahm stattdessen Kontakt auf mit dem Chef der US-Mission, John Kornblum. Der spätere US-Botschafter gab mir grünes Licht. Er stellte einen Offizier bereit und erklärte, bei Lücken im Läuferfeld könne der Grenzübergang ja trotzdem genutzt werden. Mit dieser Unterstützung der Amerikaner ging ich zurück zu den überraschten Verkehrspolizisten.

Im Mai 1981 starteten die französischen Alliierten mit den „25 km de Berlin“ den ersten großen deutschen City-Lauf. Ohne die Hilfe der westlichen Alliierten hätte die Erfolgsstory des Berlin-Marathons nicht beginnen können. 1981 führte er erstmals durch die Stadt – mit 3486 Teilnehmern.

1990: Der erste Lauf durch Ost und West

Dieses Telefonat werde ich nie vergessen: Einen Tag nach dem Fall der Mauer rief mich Michael Coleman an. Der Londoner Sportredakteur der „Times“, der zuvor mehrmals beim Berlin-Marathon war, redete auf mich ein. „Du kannst den Berlin-Marathon zum Lauf des Jahres machen, aber die Strecke muss durchs Brandenburger Tor führen!“ Ich war skeptisch. Doch zwei Tage später erhielt diese Idee neue Nahrung. Wir veranstalteten den Crosslauf und hatten plötzlich Läufer aus dem Ostteil am Start. Nach Verhandlungen mit vielen Behörden, darunter der Ost-Berliner Magistrat, konnte das Rennen am 30. September tatsächlich durch das Brandenburger Tor führen. Wir hatten 25.000 Teilnehmer aus aller Welt. Wenige Tage vor dem Start war plötzlich das Brandenburger Tor eingerüstet worden. Doch zum Glück konnten wir die Politiker überzeugen, das Gerüst wieder abbauen zu lassen – nur für unseren Lauf.

2001: Naoko Takahashi und die Folgen

Dass wir in Berlin eine der flachsten und damit schnellsten Strecken weltweit haben, wussten wir schon in den 80er Jahren. Damals fehlte allerdings das Geld, um die besten Athleten der Welt zu verpflichten, und unser Rennen war auch noch nicht so bekannt. Als 1998 der Brasilianer Ronaldo da Costa überraschend Weltbestzeit in Berlin lief und ein Jahr später die Kenianerin Tegla Loroupe ebenfalls, waren dies Meilensteine für unsere spitzensportliche Entwicklung.

In der Zwischenzeit war mein Sohn Mark verantwortlich für das Elitefeld. Ihm gelang 2001 die Verpflichtung der Olympiasiegerin Naoko Takahashi. Mit der Japanerin begann ein neues Kapitel. Mit Boston, London, Chicago und New York konnten wir die World-Marathon- Majors-Serie gründen. Takahashi lief in Berlin als erste Frau unter 2:20 Stunden. 53 Millionen Japaner verfolgten das Rennen im Fernsehen. Seitdem haben wir japanische Sponsoren und Live-Übertragungen.

2003: Paul Tergat und ein neues Ziel

Besser hätte mein letztes Rennen als Renndirektor nicht laufen können. Ich konnte noch eine große Veränderung umsetzen, eine neue Strecke: Das Ziel war nun zum ersten Mal am Brandenburger Tor und nicht mehr im Bereich des Kurfürstendamms. Bei der 30. Auflage hatten wir erstmals über 30.000 Läufer im Ziel. Paul Tergat krönte das Jubiläum mit einem Weltrekord, unserem vierten seit 1998. Der Kenianer lief die erste Zeit unter 2:05 Stunden. Der Berlin-Marathon hatte wieder Geschichte geschrieben.

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