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Kann das weg? Die Mieter fühlten sich hier einmal richtig wohl.

© Reinhart Bünger

Berlin-Mitte: Alte DDR-Bauten vor dem Abriss: Palais statt Platte

Der inzwischen fast verwaiste DDR-Plattenbau in der Wilhelmstraße nahe der Britischen Botschaft soll für einen Luxus-Neubau abgerissen werden. Doch die letzten Mieter blockieren das Vorhaben.

„Inzwischen ist das fast ein Schandfleck hier“, sagt Marek Mewitz, einer der letzten Mieter der fast leer gezogenen Plattenbauzeile Wilhelmstraße 56 bis 59 in Mitte. Die Ladenzeile verwaist, die meisten Wohnungen verlassen – so rottet der letzte Plattenbau der DDR vor sich hin. Rostrotes Wasser kommt aus den Leitungen, Fußkälte macht sich in den Wohnungen breit. Der Abriss naht.

Nur 300 Meter vom Brandenburger Tor entfernt, schräg gegenüber von der Britischen Botschaft, soll das „Palais Berlin“ entstehen, ein „exklusiver Neubau“ mit zirka 178 Wohnungen, wie es im Prospekt der Best Homes Vertriebs GmbH heißt. Das letzte Angebot auszuziehen habe bei 10 000 Euro gelegen, sagt Mewitz: „Die wollen uns hier für ein Sixpack rauskriegen.“ Der globale Kaufpreis für das Ensemble wird mit 250 Millionen Euro angegeben.

Nur noch wenige Mieter harren in der einstigen Vorzeige-Platte aus. Rund 45 Parteien seien hier noch zu Hause, sagt der 46-Jährige Mewitz. Der gebürtige Berliner gehört zu den Erstbeziehern. Nun soll er in einem Sozialplan-Verfahren in eine Ersatzwohnung vermittelt werden. Dann kommt der Abrissbagger und macht die Wohnblöcke, gebaut in den Wendejahren von 1988 bis 1992, platt. Eine Abbruchanzeige wurde am 1. Dezember 2014 beim Bezirksamt eingereicht. Nach 36 Monaten Bauzeit soll dann – angefangen von der zweigeschossigen Tiefgarage – auf dem 4172 Quadratmeter großen Grundstück alles fertig sein.

Glanz und Gloria der Kaiserzeit

„Bestlage in Berlin“, so wirbt die Best Homes Vertriebs GmbH für ihren imposanten Stadtpalast mit einer Brutto-Grundfläche von 24 221 Quadratmetern an der Wilhelmstraße. Bundesministerien, Ländervertretungen, der Tiergarten, das Hotel Adlon und auch das Holocaust-Mahnmal liegen vor der Tür. Der Entwurf für den Neubau präsentiert historisierende Fassaden, Erinnerung an Glanz und Gloria der Kaiserzeit. Unweigerlich denkt man an das Adlon gleich um die Ecke. Das Architektenbüro Patzschke und Partner hat das Erste Haus am Platz gebaut. Nun zieht sich ihre Spur weiter in die Wilhelmstraße. Die Patzschkesche traditionelle Designerschmiede soll die Platte platt machen.

Das „Palais Berlin“ in einer noch unverbindlichen Entwurfsplanung. Die Baugenehmigung soll bis zum März modifiziert werden.
Das „Palais Berlin“ in einer noch unverbindlichen Entwurfsplanung. Die Baugenehmigung soll bis zum März modifiziert werden.

© Visualisierung: Best Homes Vertriebs GmbH

Die B.Ä.R. Grundstücksgesellschaft Berlin mbh erwarb 2003 die Blöcke in der Wilhelmstraße von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Lange wurde um neues Baurecht gestritten. Und jetzt will die Best Homes Vertriebs GmbH für die „Wilhelmstraße 56-59 Immobilienentwicklungs GmbH“ mit Firmensitz im Landkreis München Nägel mit Köpfen machen. Im Hof steht bereits ein Bauzaun.

Zwecke der Eigentümergesellschaft seien, so steht es in einer Firmenauskunft, „Erwerb, bauliche Entwicklung und Vermietung des Grundstücks Wilhelmstraße 56-59 in Berlin-Mitte“. Der in Architektenkreisen kursierende Vertriebsprospekt sei zwar noch „eine völlig unverbindliche Darstellung“, wie Ralf Diestelhorst, Geschäftsführer von Best Homes, immer wieder betont. Doch sie gibt deutliche Hinweise auf die anstehenden baulichen Neuordnungen zwischen Behren- und Französischer Straße. In den acht Obergeschossen sind in der noch nicht endgültigen Planung von Patzschke und Partnern vornehme Eigentumswohnungen geplant, im Parterre mit viel Laufkundschaft ist Raum für fünf „hochwertige“ Gewerbeeinheiten.

Die Mieter wollen nicht weichen

Kann das weg? Die Mieter fühlten sich hier einmal richtig wohl.
Kann das weg? Die Mieter fühlten sich hier einmal richtig wohl.

© Reinhart Bünger

Für dieses Vorhaben gab es zwar eine Baugenehmigung. Die soll aber modifiziert werden. Aus dem Bezirksamt ist zu hören, dass aufgrund einer Nachbarklage Mitte Dezember 2014 ein neuer Bauantrag gestellt wurde. Die Modifikation soll laut Prospekt bis zum März dieses Jahres abgeschlossen sein. Im Stadtentwicklungsamt Mitte will man sich aber noch nicht auf einen Termin festlegen. Es seien noch einige Verfahrensschritte zu erledigen, heißt es.

Außerdem blockieren noch widerspenstige Mieter wie Saunameister Mewitz das Vorhaben. Sie wollen nicht weichen, denn eigentlich sind ihre Mietverträge unkündbar. Dies ist einer Klausel in der seinerzeit zwischen der WBM und dem privaten Investor abgeschlossenen Vereinbarung zu verdanken.

Da aber auch der Senat das Neubauvorhaben wegen der 1A-City-Lage unterstützt, sollen die Mieter dennoch ausziehen. Das Baugesetzbuch liefert dafür die rechtliche Grundlage. Paragraf 182 („Aufhebung von Miet- oder Pachtverhältnissen“) sieht die Entwicklung im städtebaulichen Entwicklungsbereich ganz oben auf der Prioritätenliste. Die argus GmbH Mieterberatung sei schon vor geraumer Zeit vom Senat mit einem „Sozialplanverfahren“ beauftragt worden, heißt es von offizieller Seite.

Damit soll vermieden werden, „dass bei einem Umzug Härten entstehen“, wie ein Mitarbeiter berichtet. So würden voll sanierte Ersatzwohnungen in der Nachbarschaft angeboten, nebst Umzugshilfen und materieller Entschädigung. Der Sozialplan ist rechtlich vorgeschrieben und „soll die Mieter bei dem für notwendig erachteten Auszug schützen“, heißt es bei argus. In ähnlich gelagerten Fällen ist in diesem Zusammenhang auch vom „Herauskaufen“ die Rede, etwa bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

"Keines der Häuser wird abgerissen"

Mieter Marek Mewitz sagt, dass er von der argus noch nichts gesehen, nichts gelesen und auch nichts gehört habe. An einer Ersatzwohnung habe er kein Interesse. Mit Blick auf Mietvertrag und Lage könne er sich bei einem Auszug nur verschlechtern. „Durch die Blume“ werde ihm inzwischen mit Klage gedroht, damit er endlich ausziehe, sagt der Schichtarbeiter: „Können Sie sich vorstellen, wie komisch das ist, wenn man am Vormittag ganz alleine im Haus ist?“ In seinem Haus wohnen noch acht Parteien.

Von Abriss und Auszug will die Bürgerinitiative Wilhelmstraße nichts wissen. „Neue Entmietungsversuche wurden erfolgreich abgewehrt“, teilte sie vor wenigen Tagen auf ihrer Internetseite mit. „Keines der Häuser wird abgerissen“, sagte Sprecher Daniel Dagan dem Tagesspiegel auf Anfrage. Die Bürgerinitiative wurde Anfang 2009 gegründet und wandte sich ursprünglich gegen eine „belästigende hotelähnliche Nutzung von Wohnungen in der Wilhelmstraße“.

Seit einiger Zeit stellt sie das preisgünstige „Wohnen in historischer Mitte“ in den Vordergrund. In diesem Jahr soll ein Vorstoß zum Denkmalschutz für das Wohngebiet Wilhelmstraße auf den Weg gebracht werden. Ein Vorhaben, das nach der Lage der Dinge völlig aussichtslos ist.

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