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Das Rathaus Mitte in der Karl-Marx-Allee: Hier tagt die Bezirksverordnetenversammlung Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin-Mitte: Grüne verlieren erneut Bezirkspolitiker an die SPD

Weil er als Deutscher mit Migrationshintergrund nicht ernstgenommen werde, wechselt erneut ein Abgeordneter von den Grünen zur SPD. Mit derselben Begründung.

Von Laura Hofmann

Weiterer Rückschlag für die Grünen in Mitte: Innerhalb von sechs Monaten verliert die Partei in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte ihr zweites Fraktionsmitglied. Nachdem im April bereits Nedim Bayat bei den Grünen austrat und zur SPD-Fraktion wechselte, hat am Montag Cüneyt Bülent Bilaloğlu seinen Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen verkündet und die Fraktion verlassen. Er schließt sich ebenfalls der SPD-Fraktion in Mitte an. Damit schrumpft die Fraktion der Grünen auf zwölf Mitglieder, die SPD-Fraktion wächst auf 16. Vor dem Wechsel Bayats hatten Grüne und SPD beide 14 Fraktionäre.

Die Gründe für den Austritts Bilaloğlus lesen sich fast identisch wie die, die Bayat bei seinem Wechsel angegeben hatte: Beide kritisieren den Umgang mit Migranten in der grünen Partei. Er sei mit dem "naiven Glauben" vor drei Jahren zu den Grünen gekommen, dass ihm als Deutschen mit Migrationshintergrund dort auf Augenhöhe begegnet würde, sagt Bilaloğlu, der als Anwalt für eine Kanzlei am Kurfürstendamm arbeitet. Dass das nicht passiert war, sei wie "ein Schlag ins Gesicht" gewesen.

Bayat hatte damals geschrieben, Vielfalt sei für die Grünen "nur eine gutgemeinte Floskel". Er warf der Partei vor, Migranten auszubremsen, wenn es um Mandate und Posten gehe.

In seinem offenen Brief schreibt Bilaloğlu jetzt, Mitglieder des Kreisvorstands in Mitte hätten ihm gesagt, er habe „ein falsches Verständnis vom Begriff Migrationshintergrund“, wenn er die gleichberechtige Teilhabe von Mitgliedern mit Migrationshintergrund einfordere. Außerdem seien Türken als Bevölkerungsgruppe in Berlin „keine Wähler der B90/Grünen“ und damit für die Partei unwichtig.

Zählgemeinschaft zwischen SPD und Grünen bleibt bestehen

Tilo Fuchs, Kreisvorstand der Grünen in Mitte, ist empört über die Vorwürfe: Bilaloğlu habe gesagt, Ramona Pop, die aus Rumänien kommt, zähle nicht als Migrantin – in diesem Zusammenhang sei das Zitat vom "falschen Verständnis" gefallen. Und er habe lediglich darauf hingewiesen, dass Türkischstämmige keinen großen Anteil der Wählerstimmen in Mitte ausmachten. "Wir als Grüne Berlin-Mitte fördern bewusst Parteimitglieder mit Migrationshintergrund. Das kann jeder sehen, der sich unsere Amts- und Mandatsträger anschaut", sagt Fuchs. "Das galt auch für Bülent Bilaloğlu, den wir wenige Wochen nach seinem Parteibeitritt auf die Kandidatenliste für die BVV gewählt haben."

Bayat und Bilaloğlu werfen den Grünen außerdem beide einen schlechten Umgang mit Cem Özdemir und Özcan Mutlu vor. Letzterer hatte mit Listenplatz vier kein Bundestagsmandat mehr erhalten.

In der BVV Mitte wird sich voraussichtlich trotz des erneuten Wechsels nichts ändern. "Die Vereinbarung, die wir hatten, bleibt bestehen", sagt Martina Matischok, Fraktionsvorsitzende der SPD. Damit gemeint ist die Zählgemeinschaft, die SPD und Grüne in der BVV Mitte bilden. Die Grünen stellen mit Stephan von Dassel den Bürgermeister. Das solle auch so bleiben.

Johannes Schneider, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der BVV, zeigte sich "sehr überrascht" vom Austritt Bilaloğlus. Dessen Vorwürfe weist er entschieden zurück. Noch im Sommer habe er Bilaloğlu gefragt, ob er nicht mehr Verantwortung in der Fraktion übernehmen wolle. Dies habe er mit der Begründung abgelehnt, dass er zufrieden mit der Situation sei und sich lieber punktuell einbringen wolle. Auf der Webseite des Bezirksamts finden sich keine Drucksachen von Bilaloğlu. Er sei nicht sehr engagiert gewesen, heißt es aus Parteikreisen.

Taylan Kurt, Sprecher für Soziales, Wirtschaft und Ordnungsamtsangelegenheiten der Fraktion der Grünen und ebenfalls türkischstämmig, findet: „Jede Partei muss mehr dafür tun, dass Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Reihen repräsentiert sind. Und zwar nicht nur als integrationspolitische Sprecher.“ 

Bilaloğlu war nach eigenen Aussagen drei Jahre Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Laut der Datenbank der Partei war er ab 1. März 2016 als Mitglied aufgeführt. Die Listenaufstellung für die BVV erfolgte Anfang April 2016. Im Januar 2018 war er für Franziska Briest in die BVV Mitte nachgerückt.

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