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Radfahren für mehr Toleranz.

© Davids

Berlin-Mitte: Rabbiner und Imame radeln durch Berlin

Imame und Rabbiner radeln vereint als Tandem am Sonntagnachmittag durch die Hauptstadt. Die Aktion soll für mehr Toleranz sorgen. Die gesellschaftskritische "Critical-Mass-Tour"-Radler haben sich ebenfalls angeschlossen.

Ausgerechnet jetzt! Da haben sich der muslimische Religionslehrer Burhan Kesici und der Rabbiner Shlomo Afanasev, anfangs noch etwas wackelig, gerade so schön als Radlerteam auf ihrem Tandem eingespielt – und da hüpft doch kurz vor der Siegessäule die Kette vom Kranz. Zum Glück halten aber gleich andere Radler an, springen Mitdemonstranten herbei, und gemeinsam ist kurz danach alles wieder in bester Ordnung. Sie kann also weitergehen, die Tour de Toleranz mit je einem Vertreter der muslimischen und der jüdischen Religion auf einem der Tandems, auf denen am späten Sonntagnachmittag vereint gegen Islamfeindlichkeit und Antisemitismus in die Pedale getreten wurde.

Kampf gegen Stereotypen

Initiiert wurde die Tour für den interreligiösen Dialog vom „Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung“, sagt Geschäftsführer und Ideengeber Bernhard Heider. In dem Verein engagieren sich Führungskräfte, und es werden Begegnungen etwa mit Religions-Duos auch in Schulklassen organisiert, um Stereotype aufzubrechen. Und weil auch gesellschaftskritische „Critical-Mass-Tour“Radler von der Initiative Clevere Städte sich der Toleranztour innerhalb der „Berlin Bike Week“ anschlossen, rollten einige hundert andere Radfahrer den Tandems hinterher. In der Menge perlten Chill-out-Beats aus mitgebrachten Boxen, so dass man sich fast wie bei einer Mini-Love-Parade auf Rädern fühlte.

Generalsekretär des Islamrats und Religionslehrer Burhan Kesici und Rabbiner Shlomo Afanasev stellv. Vorsitzender der Gemeinde Kahal Adass Jisroel (v.l.n.r).
Generalsekretär des Islamrats und Religionslehrer Burhan Kesici und Rabbiner Shlomo Afanasev stellv. Vorsitzender der Gemeinde Kahal Adass Jisroel (v.l.n.r).

© Anette Kögel

Gleich beim Start am Brandenburger Tor machten viele Schaulustige Bilder. „Hallo, ihr neugierigen Leute“, rief William Noah Glucroft auf seiner Spitzenposition vom Tandem herab strahlend in die Menge, „wir brauchen mehr Chuzpe“ – und alle anderen Radler ließen die Klingeln ordentlich schellen. Auch auf seinem Leibchen stand geschrieben, für was die Menge da radelnd eintrat: „Juden und Muslime für Respekt und Toleranz“. Glucroft macht sich jetzt für die jüdische Vereinsinitiative in Gründung („Freunde des Fraenkelufers“) stark. Sein Teampartner Yunus Celikoglu von der Islamischen Förderation sammelte sich noch schnell zum traditionellen Tagesgebet, danach ging es munter ab durch Berlins Mitte. Die Polizei geleitete die oft auch nachdenklich gestimmte Truppe entlang der Strecke zur Synagoge in der Oranienburger Straße, weiter zum Jüdischen Museum, zur Kreuzberger Mevlana- und zur Neuköllner Sehitlik-Moschee. Zuletzt ging es übers Tempelhofer Feld zur „Station Berlin“ in Kreuzberg, wo am Wochenende die Berliner Fahrradschau stattfand – Anlass für die Radtour.

„Ihr müsst viel miteinander reden und das Gleichgewicht finden“, hatte ein Radexperte zu den Religionsvertretern gesagt, die teils noch nie auf einem Tandem geradelt waren. Ausgetauscht hat sich auch der Generalsekretär des Islamrats und Religionslehrer Burhan Kesici mit seinem Kompagnon Rabbiner Shlomo Afanasev von der jungen Gemeinde Kahal Addas Jisroel. Afanasev wuchs in Taschkent auf. Weil seine Nachbarn Muslime waren, brachten sich alle anlässlich der Feiertage gegenseitig Essen vorbei. Jetzt sprachen viele Radler über Religionsgemeinsamkeiten, die ethischen Werte, Jesus als Propheten im Koran oder Sprachähnlichkeiten zwischen dem Hebräischen und Arabischen. Und mindestens genauso wie die Sonne strahlte eine der Frauen: Emine Erol, Imamin der Sehitlik-Moschee. Sie sei dabei, damit die Berliner sehen, dass es auch weibliche Imame gibt. Nicht schlimm, dass ihr der rechte Handschuh fehlte, die Hand brauchte sie fürs Schalten, Bremsen und Winken.

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