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Berlin kommt im Vergleich der europäischen Hauptstädte nicht gut weg.

© Paul Zinken/dpa

Update

Berlin mittelmäßig im europäischen Vergleich: Explodierende Mieten und „mangelnde Effizienz der Verwaltung“

Berlin landet im Vergleich der europäischen Hauptstädte im unteren Mittelfeld. Das zeigt eine DIW-Studie. Aber die Mordrate wird noch mal überprüft.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die deutsche Hauptstadt Berlin ist, im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen, in den vergangenen drei Jahrzehnten ein gutes Stück vorangekommen. Als Zentrum von Forschung, Entwicklung und Innovation liegt Berlin in der Spitzengruppe. Auch die Arbeitslosenrate ist stark gesunken. Das sind die guten Nachrichten.

Andererseits hat die Stadt noch viele Schwächen, stellt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) fest, die am Freitag vorgestellt wurde. Berlin brauche dringend „eine starke Zunahme an produktiven und innovativen Jobs, damit die vergleichsweise geringe Produktivität und letztlich das Einkommen und der Wohlstand zunehmen können“, steht in der Analyse, die 15 Hauptstädte in Europa vergleicht.

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Als besonders große Schwächen Berlins werden die explodierenden Mietpreise und die „mangelnde Effizienz der Verwaltung“ identifiziert. Außerdem nehme die Unzufriedenheit der Bürger mit der Sicherheitslage in der Hauptstadt weit überdurchschnittlich zu.

Stockholm, Kopenhagen und Wien sind Vorbilder

Die Autoren der DIW-Studie erinnern den Berliner Senat an die eigenen Ambitionen, die im Stadtentwicklungskonzept 2030 festgelegt worden seien und raten dazu, sich vor allem die nordischen Metropolen Stockholm und Kopenhagen, aber auch Wien als Vorbild zu nehmen.

Gemessen wurde Berlin an den eigenen Ansprüchen als „smarter, kreativer und innovativer Wirtschaftsstandort“, als Stadt mit „urbaner, grüner, mobiler Lebensqualität und für eine „solidarische, verantwortungsvolle und engagierte Stadtgesellschaft“.

Unter den führenden Hauptstadtregionen konnte sich Berlin aber nur im Bereich „Talente“ weit vorn platzieren, hier schlägt sich laut DIW die hohe Attraktivität der Stadt für ausländische Studierende nieder. Auch die Forschungsdichte zähle zu den höchsten in Europa. Trotzdem gelinge es Berlin noch nicht, diese Vorteile in eine hohe Arbeitsproduktivität zu transformieren.

„Weit weg von den selbstgesteckten Zielen“

Im unteren Mittelfeld landet die deutsche Hauptstadt in den Bereichen Nachhaltigkeit (Luftverschmutzung, Ausstattung mit Grünanlagen und andere ökologische Faktoren). Gleiches gilt laut Studie für die Mobilität, besonders im Luftverkehr. Punkten kann Berlin immerhin beim Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, da liegt die Stadt im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld.

„Weit weg von den selbstgesteckten Zielen entfernt“ sieht das DIW Berlin bei der solidarischen und engagierten Stadtgesellschaft. Hier wurden unter anderem die Arbeitsmarkt- und Wohnsituation gemessen, aber auch die Toleranz gegenüber anderen Nationalitäten, Religionen und Lebensformen. Die Toleranz gegenüber Ausländern sei „nicht besonders stark ausgeprägt“.

Bei der Verwaltung schneiden nur Budapest, Athen und Rom noch schlechter ab

Bei der Qualität der öffentlichen Verwaltung landet Berlin auf Platz 13 von 16 untersuchten Städten. Nur Budapest, Athen und Rom schneiden noch schlechter ab. Unterdurchschnittlich bewertet das DIW auch das gesundheits- und Bildungssystem Berlins.

Auch bei der Lebenszufriedenheit schneidet Berlin in der Studie schlecht ab. Das liegt aber auch daran, dass bei der Mordrate, einer von mehreren Kategorien zur Einschätzung der Lebenszufriedenheit, möglicherweise fehlerhafte Daten zugrunde gelegt wurden. Laut offizieller Statistiken der OECD und von Eurostat ist Berlin im europäischen Vergleich die Hauptstadt der Mörder. Aufgrund vieler kritischer Hinweise wird das DIW die Daten überprüfen und den Bericht korrigieren, sollte dies nötig sein.

Ein Lichtblick in der DIW-Analyse ist, dass die Entwicklungstrends in fast allen untersuchten Bereichen in den vergangenen Jahren nach oben weisen. Mit einer Ausnahme - und das ist die öffentliche Administration.

Der Rat: Klage Zielvorstellungen erarbeiten

Und es ist insgesamt noch viel Luft nach oben. In der Gruppe der am besten bewerteten Hauptstädte finden sich, verteilt auf viele Indikatoren, vor allem Stockholm, Kopenhagen und Helsinki, Paris und London, Wien und Amsterdam.

Die Autoren der Studie raten der Berliner Politik, klarere Zielvorstellungen für die eigene Entwicklung zu erarbeiten und sich dabei an „best practices“ der erfolgreichsten Hauptstadtregionen zu orientieren.

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