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Nach einem Jahr kann das Neuköllner Modell eine positive Bilanz ziehen.

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Berlin-Neukölln: Ein Staatsanwalt für den Problemkiez

Die Jugendkriminalität sinkt zwar, aber es gibt immer noch 100 Intensivtäter allein in Neukölln. Der Bezirk will sie jetzt mit einer Spezialtruppe des Jugendamts und mehr Vernetzung besser verfolgen.

Von Fatina Keilani

Allein Neukölln hat immer noch 100 jugendliche Intensivtäter, und die weitaus meisten stammen aus arabischen Familien, die zum Teil schon seit langem der Polizei bekannt sind. Um sie besser in den Griff zu kriegen, will der Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) eine neue Abteilung im Jugendamt schaffen, die sich ausschließlich um Intensivtäter und kriminelle Großfamilien kümmert. Am liebsten würde er auch die Staatsanwaltschaft neu organisieren, aber das fällt nicht in seine Zuständigkeit.

„Ich werde drei bis vier Leute neu im Jugendamt einstellen und habe auch das Geld dafür“, sagte Liecke dem Tagesspiegel. Das neue Personal soll pädagogisch geschult sein und sich in der arabischen Kultur auskennen, um Familien besser ansprechen zu können, ohne dass diese Gesichts- oder Ehrverlust empfinden.

Eine weitere Idee hat Liecke von einer Reise nach Essen mitgebracht, die er kürzlich mit Vertretern von Staatsanwaltschaft, LKA, Polizei, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe unternommen hat. Denn als Hindernis erweist sich oft der Datenschutz: Die Behörden können sich nicht umfassend untereinander informieren und miteinander abstimmen.

Eltern sollen freiwillig auf Datenschutz verzichten

„In Essen holt das Jugendamt eine Einverständniserklärung der Eltern ein, um auf Daten zugreifen zu können“, sagt Liecke. Viele Eltern unterschrieben, weil auch sie nicht wollten, dass ihre Kinder straffällig würden. Das soll nun auch in Neukölln eingeführt werden. „Dann können die Familien uns nicht mehr ausspielen – wenn das Kind in der Schule fehlt, weiß das dann auch das Jugendamt“, hofft Liecke. Das sei ein Druckpunkt. Hier kommt wieder das Ehrgefühl ins Spiel. Dass es dem Jugendamt in bestimmten Fällen möglich sei, Kinder aus der Familie zu nehmen, schrecke viele. Sie befürchten, das werde in der Community bekannt, die Familie stehe nicht gut da, und das wollten die Familien auf keinen Fall. Dann kooperieren sie lieber, so die Hoffnung.

Liecke erinnerte auch an die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig: „Was sie angestoßen hat, finde ich so großartig, dass wir da weitermachen müssen.“ Das von Heisig erfundene „Neuköllner Modell“ zielte auf eine schnelle Reaktion des Staats, gilt aber nur für leichtere Delikte; im Jahr 2013 und 2014 wurde in Neukölln nur je ein Fall danach erledigt. In ganz Berlin waren es 246.

Der Bezirk will eine Lenkungsrunde gründen, in der sich Vertreter von Schule, Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe zu „Fallkonferenzen“ treffen.

Lieckes Vorschlag, innerhalb der Intensivtäterabteilung der Staatsanwaltschaft die Zuständigkeiten ortsbezogen zu bündeln, finden sowohl Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) als auch der Grünen-Rechtspolitiker Dirk Behrendt durchaus diskussionswürdig. „Ich unterstütze die Idee einer Neuköllner Lenkungsrunde ausdrücklich“, sagt Heilmann. „Wir prüfen derzeit, ob der Staatsanwalt für den Ort neben bereits bewährten Instrumenten eine sinnvolle Ergänzung ist.“ Auch Behrendt kann dem etwas abgewinnen. „Im Jugendgericht ist es ja bereits so, dass die Richter für Bezirke zuständig sind“, so Behrendt. „Das auch für die Staatsanwälte der Intensivtäterabteilung zu überlegen, finde ich nicht falsch.“

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