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Bahnhof Hermannstrasse (Symbolbild).

© Mike Wolff

Berlin-Neukölln: Opus S42 am Bahnhof Hermannstraße

Der geplatzte Traum vom Abhängen in schrägen Lagen. Am Bahnhof Hermannstraße sollte atonale Musik erklingen. Daraus wird nun doch nichts. Eine Glosse.

Ach, dabei hatten wir uns das so schön ausgemalt. Also einige Freunde und ich, als wir hörten, dass am S-Bahnhof Hermannstraße atonale Musik erklingen sollte. Musikbanausen, hieß es, würden automatisch vertrieben, sodass wir uns in aller Ruhe dem Hörgenuss in der ungewöhnlichen Bahnhofsakustik hingeben könnten. Atonale Musik, das ist vor allem die Zweite Wiener Schule - schön dodekaphone Reihen, Umkehrungen und Krebs-Kontrapunkt. Sowas mag niemand hören, meint die Bahn. Der Aufenthalt im Bahnhof soll damit so unattraktiv wie möglich werden.

Großartig, genau unser Ding, dachten wir. Atonale Musik, das ist Revoluzzermucke, sagt meine Freundin. Weil es dabei um Emanzipation geht: die "Emanzipation der Dissonanz" nämlich, wie Arnold Schönberg sagte. Schönberg war eine Emanze. Deshalb ist meine Freundin Schönberg-Fan, wie übrigens auch unser Freund Anton, Anton Dorno. Ich selbst bevorzuge Webern. Ich hatte schon meine Opus 27-Boxershorts bereitgelegt, die ich sonst nur auf Neue-Musik-Festivals trage und mir was zu rauchen bestellt - weil Webern, wie man weiß, Zigarren so gern mochte - und jetzt das:

Die S-Bahn will gar keine atonale Musik abspielen, erklärt sie, nur schnöde disharmonische Klänge und Soundschnipsel aus der Retorte. Überhaupt habe sie richtig atonal nie wirklich vorgehabt - der Fachbegriff war durch eine interne Signalstörung in einen Bericht der Bahn geraten, dann wegen eines Anschlussfehlers in den Mund des Leiters Regionalbereich Ost gelangt und schließlich wegen diverser Gleislagefehler und Spannungsstörungen um die ganze Welt gegangen. Alberner geht nicht? Geht wohl: Albern Berg. Das ist der Gipfel.

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