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Anwohner blockieren am Dienstagmorgen die Zufahrt zur Crellestraße.

© Anke Myrrhe

Berlin-Schöneberg: Bürger verhindern Baumfällung in der Crellestraße

In der Crellestraße in Schöneberg blockieren seit dem Morgen rund 100 Anwohner die Zufahrt zu einem Grundstück, auf dem ein Neubau entstehen soll. Und verhindern so die Fällung von drei Linden.

Einige haben Vuvuzelas und Trillerpfeifen mitgebracht, blasen leise und etwas halbherzig hinein. Rund 30 Leute sitzen um 9 Uhr am Dienstagmorgen noch in der Einfahrt zur Crellestraße, Ecke Langenscheidtstraße. Hinter ihnen flattert das rot-weiße Absperrband der Polizei, die mit mehreren Mannschaftsbussen angerückt ist. Rund 50 Beamten sichern ein Grundstück, das die Anwohner eigentlich besetzen wollten. Hier, direkt an der Bahnlinie der S1, soll ein Neubau entstehen. 34 Wohnungen will die PSG-Gruppe hier bauen. Drei Linden sollen dafür an diesem Morgen gefällt werden. Doch die Anwohner wehren sich.

Sie sprechen von Gentrifizierung, haben Angst, dass der Kiez sich verändert. Die Crellestraße ist am nördlichen Ende eine Spielstraße, die in einen verkehrsberuhigten Platz mündet. Der Kiez ist gut vernetzt, auf dem kleinen Platz, der umgeben ist von sanierten Altbauten, malen die Kinder auf der Straße, spielen Tischtennis, die Eltern treffen sich in den Cafés.

"Durch so ein Gebäude wird unser Kiez zerstört", sagt Anja Jochum, Mitbegründerin der Bürgerinitiative "Crellekiez Zukunft", die die Bebauung des verwucherten Eckgrundstücks verhindern will. Um fünf Uhr morgens kam sie im Bademantel auf die Straße gelaufen, als die Polizei begann, den Bereich abzusperren. Die Initiative hatte den Protest angemeldet, wollte sich eigentlich an die Linden ketten. Doch die Polizei war schneller, sperrte die Straße ab. So setzten sich die aufgebrachten Anwohner einfach auf die Straße, mehr als 100 seien es zeitweise gewesen, sagt Jochum.

Christian Henke, Geschäftsführer der PSG GmbH, dem Investor des Neubaus in der Crellestraße 22a, versteht den Zorn der Bürgerinitiative „Crellekiez Zukunft“ nicht. „Wir haben alle Genehmigungen. Die haben wir uns nicht erschlichen und auch nicht erkauft“, sagt Henke, zu gleichen Teilen ratlos und erzürnt. „Wir wollen hier ein Haus bauen und sind voll zwischen die Fronten geraten."

Es sei die Schuld des Bezirks, der vergessen habe, die Bürger einzubeziehen. Auch das Argument der Initiative, der Neubau, in dem ein Quadratmeter Wohnfläche bei einem Preis von 2800 Euro beginnt, verletzte den Kiezcharakter der Crellestraße, versteht der Investor nicht. „Es sind Menschen aus der Nachbarschaft, die dort einziehen wollen. 75 Prozent der zukünftiger Mieter und Wohnungsbesitzer leben in einem Einzugsgebiet von 500 Metern.“

Angelika Schöttler, die sozialdemokratische Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, fuhr am Nachmittag selbst zum Schauplatz des Geschehens und unterhielt sich mit den versammelten Bürgern. „Wir haben viel über die Historie der Crellestraße geredet“, sagt Schöttler. Versäumnisse auf Seiten des Bezirkes während der Planungsphase kann die Bürgermeisterin nicht feststellen. Vor der Fällung der Bäume habe es intensive Gespräche mit BUND und Bürgervertretern gegeben. „Ich kann ihren Standpunkt nachvollziehen. Das sind wunderschöne Bäume“ erkennt Schöttler an. „Aber wir haben hier nach unserer Rechtsauslegung keinen Ermessensspielraum. Ich hoffe nun, dass das Gericht sich eindeutig positioniert und dass wir darüber wieder mit den Bürgern ins Gespräch finden.“

Bis dahin beharren die Anwohner der Crellestraße auf ihrer Meinung. "Es ist ein überdimensioniertes Haus mit sieben Geschossen", sagt Anja Jochum, "völlig überdimensioniert für diesen Kiez." Sie ärgern sich, weil der ehemalige CDU-Stadtrat Bernd Krömer ihnen einen Spielplatz für das Gelände versprochen habe. "Dann hat man hinter unserem Rücken diesen Klotz beschlossen." Sie fürchten, dass es nicht bei den drei Linden bleibt. Der verwucherte Baumbestand dahinter, den sie liebevoll "Crelle-Urwald" nennen, werde früher oder später auch weichen, obwohl er geschützt sei.

Die Fällfahrzeuge drehen wieder ab. "Die Bäume werden heute nicht mehr gefällt", sagt Polizeisprecher Stefan Redlich. Seiner Aussage zufolge werde nun das Ergebnis eines Eilantrags abgewartet, so lange werde hier kein Baum gefällt. Die Bürger bleiben vorsichtshalber trotzdem erst einmal sitzen.

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