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Zu hoher Geldautomat in Wilhelmstadt.

© Anna Pia Möller

Berlin-Spandau: Der 1,60-Meter-Geldautomat aus Spandau

Ein kurioser Geldautomat erregt die Wilhelmstädter. Wer hier an sein Bargeld kommen will, muss dafür groß genug sein.

Auf den Stepper, einmal strecken und wieder runter. Was klingt wie ein Workout im Fitnessstudio, ist der alltägliche Versuch der Wilhelmstädter in Spandau, an Bargeld zu kommen. Seit Ende Dezember steht an der Adamstraße ein neuer Geldautomat.

Er ist eine Zumutung, finden die Anwohner. Eine 50 Zentimeter hohe Fensterbank trennt die Bankkunden vom Automaten. Auf 1,60 Meter befindet sich der Kartenschlitz – regulär ist eine Höhe von einem Meter. Anwohner Volkmar Tietz hat es selbst ausgemessen.

"Rollstuhlfahrer haben keine Chance“

Mit dem Zollstock steht er vor dem Automaten. Die Passanten wissen warum. Der Automat ist Gesprächsthema im Kiez. „Das ist doch unglaublich, oder?“, empört sich Astrid Lemke. Sie nutzt den Geldautomaten zum ersten Mal. Mit der Höhe hat sie selbst kein Problem. „Ich bin groß genug. Aber kleine Menschen haben da wirklich Probleme.“ Wer risikobereit sei, können sich auf die Fensterbank stellen, um eine bessere Sicht auf das Display zu haben. „Aber Rollstuhlfahrer haben keine Chance“, sagt Lemke.

Gabriele Brömme wartet schon. Der Geldautomat ist sehr gefragt. Denn der nächste steht in der Spandauer Altstadt, zehn Minuten Busfahrt entfernt. Brömme tastet sich unsicher an den Automaten heran, stellt sich auf die Zehenspitzen und guckt sich noch einmal fragend um. „Da sieht man ja gar nichts. Das blendet“, sagt sie. Volkmar Tietz kommt ihr zur Hilfe und dunkelt das Display mit seiner Zeitung ab. „Aber das ist ja auch keine Lösung auf Dauer“, sagt er.

Tatsächlich ist es ein ernstes Thema für Anwohner. Sie sorgen sich um ihre Sicherheit. Kein Sichtschutz um das Tastenfeld, dafür aber gute Einsicht von weiter weg. „Es kann jeder sehen, wie viel ich abhebe“, sagte Tietz.

Dann die Berichte über Überfälle an Geldautomaten. Zumal das alles gar nicht nötig sei. Das kleine Ladenlokal, in dessen Außenwand der Geldautomat eingelassen ist, steht leer. „Das hat die Volksbank doch sicher eh gemietet, um an den Automaten ranzukommen“, vermutet er. Warum der Automat nicht im Ladenlokal aufgestellt wird, geschützt von Witterung und fremden Blicken, versteht er nicht.

Die Berliner Volksbank widerspricht und tröstet

Die Berliner Volksbank widerspricht: Wegen der Rentabilität sei die Anmietung einer großen Fläche für einen einzelnen Geldautomaten nicht vorgesehen. Eine Sprecherin verweist auf die Filialen an der Seegerfelder Straße und in der Spandauer Altstadt. Beide sind von der Wilhelmstadt aus aber nicht fußläufig zu erreichen.

Noch vor zwei Jahren war es im Kiez ganz anders. Sparkasse, Deutsche Bank und Volksbank – alle waren mit Filialen vertreten. Eine Bank nach der anderen zog sich zurück. Übrig blieb der eine, für viele Anwohner unerreichbare Geldautomat.

In Wilhelmstadt wohnen viele ältere Menschen, allein sechs Seniorenheime gebe es, sagt Cafébesitzerin Andrea Borchardt. Bargeldloses Bezahlen sei in dieser Generation kein Thema. „Die Leute hängen an ihrem Bargeld“, sagt sie.

Mit ihrem Mann Atef El-Bastaweisy betreibt Borchardt das Café Kichererbse an der Adamstraße. Dort können die Gäste nur bar zahlen. Die Geschäftseinnahmen brachten Borchardt und ihr Mann früher am Abend in eine der Banken im Kiez. Jetzt müssen sie mit dem Auto zur nächsten Bank fahren.

„Die wenigen Bankfilialen, die übrig geblieben sind, sind überlaufen. Da reicht die Schlange schon um elf Uhr morgens bis auf die Straße.“

Die Berliner Volksbank tröstet indes mit einem Versprechen: Der Problem-Geldautomat sei lediglich ein Provisorium. Bei den Umbauten hätte es unerwartete Umstände gegeben. Daher sei die Sonderanfertigung eines Montagerahmens notwendig. Es sei aber im Interesse der Volksbank, so bald wie möglich einen Zustand herzustellen, der alle Kunden zufrieden stellt.

Anna Pia Möller

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