zum Hauptinhalt
Tief unter der Erde. Wolfgang Weber im Saal mit den 35 Sesseln aus dem Theater des Westens.

© Kai-Uwe Heinrich

Berlin-Spandau: Ein bisschen Hollywood in Kladow

Wolfgang Weber, 64, hat einen faszinierenden Ort geschaffen – unter seiner Terrasse. Mit Sesseln, Museum und Dreifachgong.

Da staunt sogar Hollywood. Auch ein Filmvorführer aus dem Chinese Theatre in Los Angeles wurde einmal durch die Kellerräume des Kladower Wohnhauses seines Berliner Kollegen Wolfgang Weber geführt – und bekam fast den Mund nicht mehr zu. Manches Privatkino, wie es sich Filmstars gerne einrichten, durfte er schon bewundern, aber so etwas wie hier, im Untergeschoss eines nicht weiter spektakulären Einfamilienhauses, dazu in einer abgelegenen, ebenfalls sehr normalen Ecke Berlins – nein, dergleichen hatte er in Beverly Hills noch nie gesehen.

Heimkinos liegen ja durchaus auch bei denen im Trend, die Stars nur vom Rande des roten Teppichs aus anhimmeln können. Das technische Equipment wird im nächstgelegenen Elektronikmarkt zusammengekauft, aber das Ergebnis ist doch mehr Heim als Kino, lediglich eine XXL-Version des Großbild-Fernsehers, zwar jede Menge Pixel, aber ohne Magie. „Cinema Paradiso“? Kein Gedanke.

Ganz anders in Kladow, wo einen der bunt leuchtende Titel von Giuseppe Tornatores Huldigung des paradiesischen Zaubers alter Kinopracht schon auf der Treppe empfängt, die hinab in die Tiefe führt. Der berühmte Schriftzug ist ein Geschenk von Freunden, eigens angefertigt und damit eine Ausnahme im Kinokeller von Wolfgang Weber. Denn das meiste hier unten hat er selbst geschaffen. Hat es gesucht, gekauft, repariert. „Ich habe eben meine Freude dran, wenn ich es wieder hinkriege", sagt er ebenso stolz wie bescheiden.

"Ich bin mein eigenes Museum"

Na dann: Treten Sie ein, kommen Sie in den Kinosaa … das heißt, leider geht das nicht, es sei denn, Sie sind mit dem Kinobetreiber verwandt oder befreundet. Ist ja alles sein Privatvergnügen, Ergebnis einer schon in früher Jugend entzündeten Kinoleidenschaft, die sich auf die Filme, aber fast mehr noch auf die Technik richtete, ausgelöst durch „Noris Piccolo“, einen Mini-Projektor mit Handbetrieb, mehr ein historisches Spielzeug für 16-mm-Kinderfilme, den er als Junge geschenkt bekam. Natürlich findet der sich auch in seiner Sammlung, deren Kostbarkeiten zu Dutzenden von der Decke hängen, in Regalen stehen oder auch auf dem Fußboden, in einem Fall leider zu hoch für die abgehängte Betondecke – so musste ein Loch hineingeschnitten werden .

„Ich bin mein eigenes Museum.“ Mit dieser Charakterisierung hat der 64-jährige Weber wohl recht, aber solche Wunderwerke der frühen Kinotechnik nur angucken und ungenutzt verstauben lassen? Das geht wirklich nicht, das hat auch Webers Frau eingesehen, als er ihr in den frühen Achtzigern eröffnete, er wolle ein Haus mit Kino bauen. Im künftigen Keller entstand erst der Saal mit den Nebenräumen, ein Ensemble mit klassischem Vorführraum, das – als Terrasse getarnt – in den Garten hineinragt, darüber kam dann das Haus. Bei so viel Aufwand reicht es natürlich nicht, als Sitzgelegenheit Klappstühle oder ausrangierte Sofas hineinzustellen. Rot bespannte Sessel mussten es sein, die ehemals im Theater des Westens standen.

Auch ein auf Knopfdruck sich öffnender Vorhang vor der fünf mal drei Meter große Leinwand war Pflicht, aber nicht irgendeiner: „Für mich muss ein Kino einen goldenen Vorhang haben.“ Passendes fand er im Schaufenster ein

es Gardinengeschäfts, ein kleines Stück nur – Weber brauchte 60 Quadratmeter.

So ein Privatkino samt musealer Sammlung muss man fauch bedienen können. Wolfgang Weber kann das, sogar perfekt, war Tontechniker bei SFB und RBB, für 15 Jahre auch Filmvorführer in der Waldbühne – „der Zenit meines Kinolebens“ – sowie als Wochenendvertretung etwa im längst verschwundenen MGM-Kino am Kurfürstendamm. Durch die dabei geknüpften Kontakte konnte er eine weitere Sammelleidenschaft befriedigen: Filme. Aber nicht auf Videokassette oder DVD, das kann ja jeder.

Webers Verbindung zum Kino begann in seiner Kindheit

Nein, die originalen 35-mm-Kopien mussten es sein, einige 100 Filme, gerettet vor der Vernichtung durch die Verleihfirmen, bei Versteigerungen erworben. Irgendwann wurde die Kellerflucht zu klein, musste Weber unterirdisch anbauen, ein wohltemperierter Filmbunker von 75 Quadratmetern entstand, in dem sich jetzt die Filme Regal um Regal stapeln, die frühen Bonds, „American Graffiti“, der für George Lucas den Durchbruch bedeutete, David Leans „Doktor Schiwago“, alles da.

Webers Verbindung zum Kino begann in der Kindheit, schließlich war sein Vater Butler bei Wenzel Lüdecke, der als Produzent mit Filmen wie „Die Halbstarken“ erfolgreich war, zudem Chef der Berliner Synchron in Lankwitz, die manchen fremdsprachigen Film dem deutschen Publikum verständlich gemacht hat. Mit dem Jungstar Horst Buchholz hat der kleine Wolfgang noch Tischtennis gespielt, viele weitere Leinwandgrößen kennengelernt – manches Schmuckstück in seiner Projektorensammlung entstammt dieser Verbindung zur Welt des Films.

Schon als Kind interessierte sich Weber fürs Kino - nun hat er sein eigenes Museum im Keller.
Schon als Kind interessierte sich Weber fürs Kino - nun hat er sein eigenes Museum im Keller.

© Kai-Uwe Heinrich

Zwischen 15 und 20 Großgeräte und zahllose kleinere Projektoren und Kameras gehören dazu. Der bislang letzte Zugang von mehrere Projektoren stammt aus einem 1964 geschlossenen, seither vor sich hindämmernden Wiener Kino, dessen Eigentümer immer auf die neueste Technik Wert gelegt, die alte aber nicht weggeworfen hatten. Noch sind die von Weber restaurierten Geräte zwischen den Filmstapeln abgestellt, aber er hat schon wieder neue Pläne: Ein privates Filmmuseum muss her.

Seine Leidenschaft bescherte Weber viele spannende Begegnungen

Eine wahre Schatzkammer der Cinematographie also, schade, dass nur so wenige Kinofreunde sie zu sehen bekommen. Ein paar aber schon: Zum Beispiel eine Gruppe von Kindern aus Tschernobyl, vor Jahren von einer Kladower Privatinitiative eingeladen. Als im Ort rumgefragt wurde, wer dazu etwas beisteuern könne, meldete sich auch Wolfgang Weber und lud in sein Kino zur Vorführung des „Dschungelbuchs“. Der Bezirk organisierte sogar einen Simultandolmetscher, der den Kindern Dialoge und Lieder übersetzte. Nur vor Balus „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ versagte dessen Kunst.

Und an noch eine andere Vorführung erinnert Weber sich gern. Eine Frau, die von seiner Leidenschaft für alte Filmtechnik erfahren hatte, rief ihn eines Tages mit einem speziellen Problem an. Die Bekannte eines Mannes, der als Junge in „Die Bande von Hoheneck“ mitgespielt haben wollte. Das hat er oft erzählt, beweisen konnte er es nicht war nicht mehr zu haben – ein im nationalsozialistischen Geist gedrehter Jugendfilm über ein großstädtisches HJ-Fähnlein, das in einem Dorf, gemeinsam mit der einheimischen Jugend, nach anfänglicher Rivalität eine Diebesbande zur Strecke bringt.

Mit Mühen hatte die Frau nun in einem Archiv eine Filmrolle aufgestöbert, wollte sie dem Mann als Überraschung zum 80. Geburtstag vorführen, aber wo? Und so wurde der alte Herr an seinem Ehrentag, wenige Wochen vor seinem Tod, nach Kladow gefahren, wusste kaum, wie ihm geschah, fand sich in einem Kinosessel wieder, langsam erlosch das Licht, und mit dreifachem Gong öffnete sich der goldene Vorhang.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false