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Natalia Wörner sitzt gerne auf der Terrasse des Café Weyers am Ludwigkirchplatz.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin-Spaziergang mit Natalia Wörner: Die Unnahbare in Wilmersdorf

Im Fernsehen ist sie die Diplomatin, beim Spaziergang in Wilmersdorf verteidigt Natalia Wörner ihre Privatsphäre. Und ihr Croissant gegen Spatzen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge mit ihr, aber viel Strecke macht man trotzdem nicht. Dabei trägt Natalia Wörner weiße Turnschuhe zur weiten dunklen Stoffhose und dem hellen Mantel. Etwas verspätet erscheint die Schauspielerin mit Maskenbildnerin Daina im Schlepptau am Ausgangspunkt unseres Spaziergangs, am Ludwigkirchplatz in Wilmersdorf. Ohne ins Detail zu gehen, erklärt sie, dass sie einen aufregenden Morgen hinter sich hat. „Jetzt brauche ich erst mal ein Croissant und einen Kaffee. Dazu bin ich heute noch gar nicht gekommen.“

Zielstrebig steuert sie das Café Weyers an, mit der großen, an diesem Morgen relativ leeren Außenterrasse. „Es sind noch Ferien“, sagt sie. „Das kann hier auch ganz anders sein.“ Sie kennt sich aus, hat acht Jahre in der Gegend gelebt. Als sie 2000 nach Berlin zog, hat sie zunächst in Mitte gewohnt, aber hier hat es ihr letztlich viel besser gefallen.

Entschlossen zieht sie den Reißverschluss ihrer Tasche zu: „Das ist mein mobiles Büro“, sagt sie. Mit liebevollen Augen blickt sie dann die Pfalzburger Straße runter. „Das war unser Schulweg.“ Damals ging der inzwischen 13-jährige Sohn noch auf die Nelson-Mandela-Schule. Später hat sie eine Waldorfschule für ihn gefunden.

Kaum steht das Croissant auf dem Tisch, melden sich die Spatzen, landen auf der Stuhllehne neben ihr, auf dem Tisch, sogar auf ihrem Schoß versuchen sie sich niederzulassen. Immer mal wieder opfert sie ihnen kleine Bröckchen. Als einer fast auf ihrer Brust landet, um ihr den Bissen vom Mund zu reißen, schreit sie auf: „Das ist ja wie bei Hitchcock.“ Am Ende schenkt sie ihnen den Rest: „Da, ihr habt gewonnen.“ Und beobachtet, wie ein frecher Spatz die Spitze des Hörnchens allein wegschleppt.

Natalia Wörner will sich in ihre Rollen einfühlen

Zeit fürs Foto. Die nette Daina, ihre „zweite Haut“, zückt die Pinsel und zupft an den Haaren. Warum nicht auch mal die (von Franziskanern betriebene) Kirche in den Hintergrund nehmen? Doch, die hat sie schon besucht, wenngleich nicht zum Gottesdienst. Man merkt ihr an, dass sie in ihrer Jugend als Model gearbeitet hat. Dezent und geschickt dreht sie sich, geht ein paar Schritte.

„Da gibt es richtig gutes Eis“, sagt sie und deutet auf die Eisdiele an der Ecke. Das Lokal „Freni & Frizioni“ in der Nähe, das liebt sie auch. Durch die Ludwigkirchstraße geht es jetzt aber erst mal Richtung Uhlandstraße. Ohne auf den Zebrastreifen auszuweichen, schreitet sie über die verkehrsreiche Straße, als müsse der Verkehr auch so für sie anhalten. Kurzer Stopp vor dem Café Manzini. Kürzlich bei einem Arbeitsgespräch hat sie einen Regisseur überzeugt, lieber hier zu drehen als in dem üblichen Szenelokal in Mitte.

Gerade erst hat sie hier zwei Nächte lang gedreht. Auf der Terrasse sitzt ein alter Bekannter. Er stellt ihr einen Komponisten vor, der mit am Tisch sitzt, versucht sie für die Jüdischen Kulturtage zu gewinnen im November. Ob sie am 11. oder 12. Zeit habe? Ein Weilchen plaudern die beiden miteinander, erinnern sich an einen schönen Liederabend, „Ein Stück vom Himmel“. Wäre doch schön, etwas zusammen zu machen. Mal schauen. In dem Film, den sie gerade im Manzini gedreht hat, „Lüge oder Wahrheit“, spielt Wörner eine Anwältin.

Es geht um zwei Männer, die der Vergewaltigung beschuldigt sind, aber die Geschichte sei ganz anders, als sie scheint. Sie erzählt, wie sie ins Gericht gegangen ist, sich einen Prozess angeschaut hat, in dem es auch um Vergewaltigung ging, wobei der Mann darauf bestand, dass es sich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe. Es sei ihr wichtig, authentisch zu sein, die Atmosphäre zu kennen, sich einzufühlen in die Rolle der Anwältin.

Über Privates schweigt sie

So wie sie es mit der „Diplomatin“ getan hat. Deren vierter Fall läuft demnächst im TV (4. Mai, 20.15 Uhr, ARD). Karla Lorenz, so der Name der Filmfigur, ist immer noch Botschafterin in Prag und mit einem neuen Fall im Einsatz. Es geht um eine traumatisierte, vergewaltigte junge Frau, um eine befreundete Diplomatenfamilie, auch um häusliche Gewalt. Das Wesen der Diplomatin hat sie sich akribisch angeeignet, hat Frank-Walter Steinmeier, als der noch Außenminister war, als Teil der Kulturdelegation begleitet auf einer Auslandsreise, erzählt von einem Lunch, den eine erfahrene Diplomatin einst für sie gegeben hat und bei dem sie ganz viel gelernt habe.

Ihren Lebensgefährten, den derzeitigen Außenminister Heiko Maas, erwähnt sie mit keinem Wort. Es ist bekannt, dass sie über Privates grundsätzlich nicht spricht. Als wir das italienische Restaurant „Culaccino“ passieren, begrüßen die Kellner, die zwischen weiß gedeckten Tischen auf Kundschaft warten, sie mit lautem Hallo. „Ah, mal wieder da. Wie geht es denn so?“ Auf die Frage, wo sie hingezogen ist, sagt sie, das wolle sie lieber nicht thematisieren.

Warum einfach geben?

Aus der Ferne wirkt Natalia Wörner manchmal, als wolle sie sich als unnahbare Diva inszenieren, durchaus nicht immer entgegenkommend, wenn angesprochen bei einer Gala, kein Geschöpf des roten Teppichs. Aus der Nähe betrachtet keimt der Eindruck auf, dass es vielleicht eine besondere Form von Gewissenhaftigkeit ist, die man leicht mitbekommt, wenn man wie sie in einem reinen Frauenhaushalt groß geworden ist. So eine Scheu, die typisch sein kann für Künstler, die ihre Berufung sehr ernst nehmen. Der Ruf, kompliziert zu sein, hängt einem schnell nach.

Aber wenn man sie reden hört über die Bedeutung von Empathie, davon, wie wichtig es sei, sich zu öffnen, um die Facetten einer Persönlichkeit zu erfassen, die Zwischentöne, kann man sich vorstellen, dass sie es sich selber auch nicht immer einfach macht. Sie will sich Territorien erarbeiten, Räume schaffen, Ambivalenzen erfassen. Das Leben als Schauspieler hat für sie auch damit zu tun, die Dinge nicht schwarz oder weiß zu sehen, sondern sich in Zwischenräumen zu bewegen. Das ist bestimmt nicht einfach. Warum sollte sie sich dann so geben?

In einigem Abstand hinter uns gehen Agentin und Maskenbildnerin. Am Ziel, dem Literaturhauscafé, wartet schon der nächste Termin. Zweimal ruft der Sohn sie auf dem Handy an. „Aber der ist sehr vernünftig und ganz schlau, und er ist ja auch nicht allein in dem Haus.“ Bald wird sie wieder nach Prag fahren, um die nächste Folge für „Die Diplomatin“ zu drehen. Nach drei Jahren wird Karla Lorenz dann wohl versetzt, wie im richtigen diplomatischen Leben.

Soziales Engagement aus dem Herzen

Vor allem wenn sie von ihrem Engagement für die Kindernothilfe erzählt, taut Wörner richtig auf. Sie war in Thailand, als 2004 der Tsunami so vieles zerstört hat. Selber hat sie Glück gehabt und wollte den Fischern auf ihrer Insel die Boote ersetzen. Also gründete sie einen Verein und bekam am Ende viel mehr Geld zusammen, als für die Boote gebraucht wurde.

So kam sie an andere Projekte und blieb bei der Kindernothilfe, deren Arbeit auf sie besonders viel Eindruck machte. Zum ersten Mal habe sie jetzt auch ihren Sohn mitgenommen, auf eine Reise nach Nairobi. „Da ging es um Kinder, die aufgrund von Sauerstoffmangel bei der Geburt bleibende Schäden erlitten.“ Es wirkt so, als sei ihr das Schicksal dieser Kinder wirklich nahegegangen. Auf die Frage, ob sie ein politisch engagierter Mensch ist, reagiert sie wieder eher spröde: „Das ist ja bekannt.“

Natalia Wörner merkt man an, dass sie mal als Model gearbeitet hat.
Natalia Wörner merkt man an, dass sie mal als Model gearbeitet hat.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

In der Schule hat sie den Leistungskurs im Fach Politik belegt, hat sogar mal mit dem Gedanken gespielt, Journalistin zu werden. Und nein, sie sei kein Parteimitglied. Soziales Engagement komme bei ihr aus dem Herzen. Und das findet sie auch richtig so. Sie hat sogar schon mal ein Verdienstkreuz bekommen, aber das trägt sie nicht zum Spaziergang.

Die nunmehr lebhafte Art, wie sie über die MeToo-Debatte spricht, die ja auch in ihrem letzten Film gestreift wird, zeigt, dass sie eine ebenso ernsthafte wie temperamentvolle Gesprächspartnerin sein kann. Doch das Leichte, das Lässige, das Nonchalante, das anderen Menschen in ihrem Beruf das Leben einfacher macht, kann sie nicht mühelos abrufen. Das jetzt zu sagen, würde aber definitiv die Grenzmarkierung überschreiten, die sie noch auf der Bank draußen vor dem Literaturhauscafé unsichtbar um sich trägt. Egal, hier ist der Spaziergang eh zu Ende.

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