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Berlin: Berlin taucht unter

Von der Badestube zum Wellnesstempel: Ein neues Buch führt durch die Geschichte der Bäder in der Stadt.

In Berlin wird schon immer Welle gemacht – und das schon lange vor Eröffnung der ersten Schwimmschule an der heutigen Kronprinzenbrücke im Jahr 1811. So ist eine erste öffentliche Badestube in der Doppelstadt Berlin-Cölln schon im 14. Jahrhundert bekannt. Letztere diente zwar eher der Hygiene als dem sportlichen Vergnügen. Aber so erklärt sich vielleicht die Liebe der Berliner zu allem, was irgendwie nass macht. Bis 1855 gab es das Bad – gegründet auf königliche Kabinettsorder –, dann wurde der Humboldthafen gebaut.

Über die vielfältige Geschichte der Berliner Bäderkultur haben Uta Maria Bräuer und Jost Lehne jetzt ein Buch herausgebracht. „Bäderbau in Berlin“ zeigt neben kunsthistorischen Aspekten auch die wechselnde soziale Aufgabe von Schwimm- und Badeanstalten: Ging es anfangs eben vor allem um Körperhygiene, entwickelten sich die Bäder im 19. und 20. Jahrhundert weiter zu Sportstätten und schließlich zu Spaß- und Wellnessbädern. In den Badestuben des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts wurde allerdings auch etwas anderes gereinigt: „In die Anstalten konnte man seine Wäsche mitbringen“, sagt Bräuer.

Grundsätzlich orientierte man sich damals noch an den natürlichen Wasservorkommen der Stadt. „Es wäre sehr aufwendig gewesen, das Wasser irgendwohin zu pumpen. Deswegen entstanden meist Flussbäder“, sagt Bräuer. Diese Sommerbäder waren sehr beliebt. Doch musste eine Lösung für die Wintermonate her. Die schnell wachsende Bevölkerung in den Mietskasernen der Arbeiterviertel stellte ein Problem dar. Die hygienische Situation musste verbessert werden. Ab 1891 wurde auf Beschluss des Berliner Magistrats in rascher Folge ein Netz von Badeanstalten in den heutigen Bezirken Tiergarten, Friedrichshain, Schöneberg, Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Wedding errichtet.

Bis 1905 gab es in Berlin rund 105 Badehäuser, die meisten ohne großes Bassin. Die Besucher reinigten sich in Wannen, die in kleinen Kammern bereitstanden und für einen bestimmten Zeitraum gemietet werden konnten. Im Stadtbad in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg sind diese kleinen Abteile bis heute zu sehen. Seit den 80er Jahren ist es allerdings geschlossen.

Gab es ein großes Becken, so durften Männer und Frauen nur zu unterschiedlichen Zeiten baden – aus moralischen Gründen, erklärt Bräuer: „Selbst wenn ein Badeanzug von den Füßen bis zum Hals ging, war er durch die Nässe hauteng – das galt als fragwürdig.“ Mit der Zeit wurden auch Badeanstalten mit zwei Hallen und Becken eingerichtet, so in Wedding und Neukölln, was die Baukosten allerdings verdoppelte.

Architektonisch orientierten sich die Bäder dieser Zeit, wie auch Bahnhöfe und Warenhäuser, am Kirchenbau. Bräuers Buch präsentiert neben den eindrucksvollen Schwimmhallen bilderreich weitere Badeprojekte: von Sportbädern in Stadien über historische und zeitgenössische Badeschiffe bis hin zu Freibädern wie dem Lunapark, von dem schon Hildegard Knef in „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ sang. Der Park bot Anfang des 20. Jahrhunderts mit Wasserrutsche und Wellenbad spektakuläre Attraktionen für täglich bis zu 68 000 Besucher. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgreich wiedereröffnet, wurde er ab 1935 von den Nationalsozialisten abgebrochen. 1945 waren 80 Prozent der Bäder deutschlandweit in Mitleidenschaft gezogen. Die Bombenlücken in der Stadt ermöglichten jedoch, neue Schwimmbäder zu errichten. Und wieder ging es in der Nachkriegszeit vor allem um Körperhygiene. Doch schon in den 60er Jahren bildeten die neuen Freibäder ein modernes Lebensgefühl ab: Freizeit, Erholung, Sport und Vergnügen. Dieser Trend setzte sich bis in die 80er Jahre fort, als Spaßbäder wie das SEZ im Ost- und das Blub im Westteil der Stadt erbaut wurden. Sie sollten den Berlinern einen Urlaub in der Stadt ermöglichen. Mehr als 30 Millionen Besucher in den ersten zehn Jahren des SEZ am Rand des Volksparks Friedrichshain sprechen für den Erfolg des Konzepts.

Die Bäder des 21. Jahrhunderts in Berlin sind vielfältig: vom Badeschiff über Wellnessanlagen bis zu Naturfreibädern. Einige alte Bäder sind umfunktioniert. So finden in den Stadtbädern Wedding und Prenzlauer Berg Events und Konzerte statt, im Poststadion konnte man zeitweise zelten oder Volleyball spielen. Gewagt wäre eine weitere Idee – ein Schwimmbad am Kupfergraben, direkt an Berliner Dom und neu errichtetem Stadtschloss: „Es wäre ein Kuriosum, wenn das verwirklicht würde“, meint Bräuer, „dann kann sich unser Auge wieder daran gewöhnen, dass jemand durch die Spree schwimmt.“

Bäderbau in Berlin

Uta Maria Bräuer und Jost Lehne, erschienen im Lukas Verlag, Festeinband mit Schutzumschlag, 255 Seiten,

282 Abbildungen und Bäderverzeichnis, 29,80 Euro

Karoline Kuhla

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