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Tegel

© dpa

Berlin-Tegel: Auf den Spuren der Flughafen-Frau

Täglich eine Tafel Schokolade, ein bis zweimal am Tag einen Becher Eis, Lockenwickler im Haar: In Tegel können sich viele an die Finnin erinnern, die wochenlang im Terminal gelebt haben soll.

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Oh ja! An die Finnin könne sie sich gut erinnern, sagt die Konfiserie-Verkäuferin am Flughafen Tegel. Jeden Tag sei die blonde, große Frau vorbeigekommen und habe eine der exklusiveren Tafeln Schokolade für 3, 75 Euro gekauft. Immer Kakao-Orange. „Ich habe mich noch gewundert, weil sie immer ihren Rollkoffer hinterherzog, aber häufig Lockenwickler im Haar und manchmal Badelatschen trug“, sagt die Verkäuferin. „Irgendwie komisch kam mir das vor, aber dass sie hier regelrecht lebt, das wusste ich nicht.“ Nachmittags habe die Frau – die jetzt schon seit Tagen nicht mehr am Flughafen gesehen wurde – regelmäßig im Leysieffer-Bistro Kuchen gegessen und eine Tasse Kaffee getrunken. „Und immer selbst bezahlt.“

Darauf scheint die unbekannte Finnin, die sich offenbar seit Dezember den Flughafen als neuen Wohnort ausgesucht hat, Wert zu legen. „Als ich ihr einmal einen Kaffee schenken wollte, da ist sie richtig auffällig aggressiv geworden“, erzählt Enrique Ouvera vom Starbucks-Café. „Sie hat mich auf Englisch angeschrien: „Nichts ist umsonst im Leben!“ Und gegenüber einer Frisörin hat sie es abgelehnt, als diese gratis die mittlerweile strähnigen Haare richten wollte.

Der Mitarbeiter des Restaurants „Red Baron“ will wissen, dass sie sich immer auf dem Behinderten-WC um die Ecke gewaschen „und ihre Lockenwickler in die Haare gemacht“ habe. Im Restaurant habe sie ein festes Ritual gehabt: Einmal bis zweimal am Tag habe sie sich an einen der Tische gesetzt und einen Becher mit zwei oder auch drei Kugeln Eis bestellt.

Während in Tegel viele die Frau kennen, halten sich Polizei, Flughafengesellschaft und Justiz in dem Fall zurück. Einig sind sich aber alle darin, dass die 40-Jährige Hilfe braucht. Nur – wie hilft man jemandem, der sich nicht helfen lassen will?

Bereits im vorigen Dezember war die Frau am gemeinsamen Infostand von Landes- und Bundespolizei in Tegel erschienen. Hatte mitgeteilt, dass ihr Koffer abhanden gekommen sei. „Man hat sie an die finnische Botschaft verwiesen“, sagt Meik Gauer, Sprecher der Bundespolizei. Die Frau habe aber weder psychisch krank noch mittellos gewirkt. Im Übrigen sei die Bundespolizei nur für den nichtöffentlichen Teil des Flughafens zuständig.

Die Landespolizei wurde dreimal zu Hilfe gerufen, sagt ein Sprecher. Das erste Mal sei die Finnin am 24. Januar aufgefallen, weil sie am Flughafen Passanten „komisch angesprochen“ hatte. Die Beamten fanden, dass sie einen verwirrten Eindruck machte und brachten sie ins Humboldt-Krankenhaus. Schon einen Tag später wurde die Polizei informiert, weil die Frau auf der Autobahn im Tunnel Tegel mit ihrem blauen Koffer herumirrte. Sie brachten sie in Sicherheit und beschrieben ihr den Weg – zurück zum Flughafen.

Dass die Finnin dort regelmäßig jede Nacht übernachtete, bestreitet Flughafensprecher Eberhard Elie vehement: „Meine Kollegen versichern, dass die Frau nur ab und an im Terminal D geschlafen hat. Das bleibt geöffnet, wenn die anderen Terminals zwischen 24 Uhr und 3.30 Uhr geschlossen werden.“ Am 13. Februar brachte die Polizei die Finnin erneut ins Humboldt-Krankenhaus. Dort blieb sie, wie berichtet, bis ein Gutachter vergangene Woche attestierte, dass sie keine Gefahr für sich und andere darstellt und sich ihr Zustand durch weitere medikamentöse Behandlung im Krankenhaus nicht bessert. In der Klinik beruft man sich auf die ärztliche Schweigepflicht.

In einigen finnischen Zeitungen wurde den deutschen Behörden „unterlassene Hilfeleistung“ vorgeworfen, weil sie die Frau nicht zwingen, zu ihrem behandelnden Arzt nach Finnland zurückzukehren. Der Sprecher der finnischen Botschaft, Leo Riski, findet das überzogen. Er verweist darauf, dass man den Fall seit Wochen gemeinsam mit den deutschen Behörden verfolge und mehrfach versucht habe, der Frau zu helfen. Diese wolle aber partout nicht nach Finnland zurück.

Falls die Frau weiter in Berlin bleibt, könnte das zuständige Gericht in Wedding prüfen, ob das Betreuungsverfahren erweitert wird, sagt Gerichtssprecherin Katrin-Elena Schönberg: „Eine vom Gericht bestellte Betreuerin könnte dann möglicherweise auch über den Aufenthaltsort ihres Schützlings bestimmen.“

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