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Die Skyline der Hauptstadt - aufgenommen von der Kuppel des Berliner Doms.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin und das Geld: Nicht noch mal gegen die Wand

Heute wird wieder verteilt, als gäbe es kein Morgen. Noch sind die Zinsen niedrig, wächst die Wirtschaft. Aber wenn sich das ändert? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Wer schon länger in Berlin lebt, erkennt die Stadt kaum wieder. Statt abgestandenem Bier gibt’s Milch und Honig, die Töpfe für Sonderfonds laufen über, das billige Geld rauscht nur so durch. Milliarden werden in marode Schulen und Straßen gesteckt, hunderte Millionen zusätzlich pro Jahr in mehr und besser bezahltes Personal.

Mal investiert Siemens 600 Millionen in einen Campus, mal der Bund 600 Millionen in ein Museum, und auf ihrem Landesparteitag beschließt die SPD, noch einmal 500 Millionen pro Jahr für einen höheren Mindestlohn auszugeben, für höhere Gehälter im mittleren und unteren Dienst – und: für eine "Berlin-Zulage".

Wowereit und Sarrazin nahmen’s fatalistisch

Kaum zu glauben, dass der Senat in der vergangenen Dekade vorm Verfassungsgericht eine "extreme Haushaltsnotlage" beklagte – und verlor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sprach von einer "Katastrophe", der Standort sei am Ende. Bürgermeister Wowereit und Finanzsenator Sarrazin nahmen’s fatalistisch, sie lenkten die Stadt in der Konsequenz knirschend ins Kiesbett. Ende der Fisimatenten, rien ne va plus.

Im Rückblick lässt sich sagen: So überfällig wie die Umgewöhnung der subventionsverwöhnten Stadt war, so planlos ging die Politik ans Werk – Berlin wurde kaputtgespart. Sarrazin beeindruckte die überforderte Gesellschaft mit seinen Grafiken, die über alle Bereiche hinweg eine Überausstattung im Vergleich zu Städten wie Hamburg auswiesen, proportional zur Einwohnerzahl. Unberücksichtigt blieben strukturelle Unterschiede. Weder setzte der Senat ein langfristig wirksames Programm zur Förderung von Verwaltungsnachwuchs auf, noch wurden Ideen zur Effizienzsteigerung der Behörden erdacht.

Alle Koalitionsparteien nutzen die Gunst des Augenblicks

Und so kürzten sie, als gäbe es kein Morgen. Die Folgen: Ein Kollaps der Verwaltung, die selbst gesetzlich vorgeschriebene Dienstleistungen nicht mehr erfüllt; der wahllose Verkauf von heute dringend benötigtem günstigem Wohnraum zu Ramschpreisen an Verwerter, Verdränger und Spekulanten; eine massive Entwertung öffentlichen Eigentums durch jeglichen Verzicht auf Reparatur, Sanierung, Substanzerhaltung.

Heute dagegen wird wieder verteilt, als gäbe es kein Morgen. Jede der drei Koalitionsparteien nutzt für sich die Gunst des Augenblicks: die Linke aus Prinzip und als Sozialreparation für die von ihr mitverantwortete Sarrazin-Politik; die Grünen nach Jahrzehnten in der Opposition als großzügig nachholende Geste; die SPD mit dem verzweifeltem Versuch eines Tauschgeschäfts – neues Geld gegen altes Vertrauen.

Das im Westen aus Mauerzeiten wohlig erinnerte Wort der "Berlin-Zulage" ist mit Bedacht gewählt. Und alle zusammen: Jetzt, schnell, am besten mit immer noch einem Nachtragshaushalt, bevor es wieder knapp wird.

Berlin hat auch heute fast so viele Schulden wie vor zehn Jahren

Verloren steht der Finanzsenator im reißenden Strom der rot-rot-grünen Wünsche, wenn er leise mahnt, die über Jahre fesselnden, weil verpflichtenden konsumtiven Ausgaben nur mit Vorsicht hochzuschrauben und die Konsolidierung nicht zu vergessen, weil Berlin auch heute fast so viele Schulden hat wie vor zehn Jahren.

Noch sind die Zinsen niedrig, noch wächst die Wirtschaft – aber was passiert, wenn sich das ändert? Die Gefahr ist groß, dass wieder jemand die Notbremse zieht, bevor der Investitionsstau aufgelöst, die Schuldenlast leichter, die Stadt richtig angeschnallt ist.

Und dann knallt Berlin noch mal gegen die Wand.

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