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Das Bunte muss aufs Eckige. Diese von Thierry Noir bemalten Segmente der Berliner Mauer zieren den „Business Plaza“ des Ironside-District in Miami. Davor versucht man sich in Urban Gardening.

©  Andreas Conrad

Berlin und die Welt: Die Mauer steht in Miami

Das bedeutet also Globalisierung: Man reist in die Ferne, bis nach Florida, und trifft doch immer wieder auf das gute alte Berlin.

Als Obelix bei den Briten Wildschwein mit Pfefferminzsoße serviert wurde, reagierte er voller Mitleid: „Das arme Schwein.“ Ähnliche Überraschungen stehen mit heimischen Getränken vertrauten Berlinern bevor, sollten sie sich an diesem Donnerstag in die „QuéQuat Berliner Release Party“ der Concrete Beach Brewery im Wynwood Arts District, Miami, verirren. Eine Craft-Beer-Brauerei von überschaubaren Dimensionen, bislang nur regional präsent, in ihren Braukünsten aber um Internationalität bemüht. Schließlich handelt es sich bei dem zur Party servierten Bier um selbstgefertigte Berliner Weiße – ein „German wheat style beer“, angeblich von Napoleon, so wird auf der Getränkekarte behauptet, als „Champagner des Nordens“ gepriesen.

Auch im fernen Miami weiß man, dass in der Heimatstadt des fremden Getränks gerne Sirup dazugemischt wird, Himbeere etwa oder dieses grüne Zeug, das sie in Florida offenbar nicht kennen. Ob es sich um Pfefferminz handle, will Braumeister Marco wissen, erklärt dann, als die Frage verneint wird, dass man hierzulande auch gern Mango dazumixe. Nun, wer weiß, was die am Donnerstag zum Einsatz kommende „syrup bar“ sonst noch an Überraschungen bietet, um eine Mischung zu finden, „die am besten den Geist von Miami einfängt“. Pfefferminzsirup? Für Obelix wäre das nix.

Auch von hinten machen Noirs Betonköpfe was her. Bemalt hat er die Mauerteile erst in Miami.
Auch von hinten machen Noirs Betonköpfe was her. Bemalt hat er die Mauerteile erst in Miami.

© Andreas Conrad

Das heißt also Globalisierung: Man fährt nach Florida im Glauben, in die Ferne zu reisen, und trifft doch immer wieder – Berlin. Zum Beispiel auf den Plakaten, die „Cabaret“ im Ziff Opera House bewerben. Die Ursprünge des Stoffs, des Romans, des Musicals wie auch des Films, liegen eindeutig an der Spree. Aber natürlich ist „Cabaret“ längst inoffizielles Weltkulturerbe, überraschend ist solch ein Programm also nicht.

Ein Plakat aus der Frühzeit des Berliner Luftverkehrs dagegen schon: Vier stilisierte Männlein, die erstaunt nach oben starren, in schwarzen Umhängen und mit Halskrausen, wie dem frühen 17. Jahrhundert entsprungen – Reklame für eine „Nationale Flugwoche“ 1910 auf dem Flugplatz Berlin-Johannisthal. Ausgestellt ist es im Wolfsonian-Museum im Art-Deco-District von Miami Beach, eine etwas zusammengewürfelte Sammlung von Handwerk, Design und Kunst aus der Zeit zwischen 1885 und 1945. Wie sich das Plakat hierher verirrt haben mag? Wohl dem Sammeleifer des Medienkaufmanns Mitchell Wolfson, Jr. in die Quere gekommen, der es seiner Collection of Decorative and Propaganda Arts einverleibte. 1997 schenkte er sie der Florida International University, heute Trägerin des Museums.

Bei den vier quietschbunt bemalten Betonstelen, die urplötzlich und unerwartet vor Besuchern des Ironside District auftauchen, ist die Herkunft jedenfalls sonnenklar und der Weg, den sie von Berlin nach Miami nahmen, leicht zu klären: Segmente der Mauer, beidseitig vom East-Side-Gallery-Künstler Thierry Noir bemalt und signiert, abgestellt in überaus passender Umgebung.

Bis hierhin und dann weiter. Irgendwann müssen die beiden Mauerteile weichen: Das Viertel soll erweitert, der Parkplatz bebaut werden.
Bis hierhin und dann weiter. Irgendwann müssen die beiden Mauerteile weichen: Das Viertel soll erweitert, der Parkplatz bebaut werden.

© Andreas Conrad

Ironside – der Name verweist auf die Vergangenheit des Viertels und seiner Gebäude, die als Lager- und Werkshallen dienten und seit 1998 von dem Projektentwickler Ofer Mizrahi zu einem Kunst- und Designzentrum umgestaltet wurden. Galerien und Ateliers finden sich hier ebenso wie die Showrooms hochpreisiger Innenausstatter, Ausstellungsräume, ein Fitnesszentrum und zwei Restaurants. Noirs Mauerteile kamen 2013 im Rahmen der jeden Dezember auch in Miami stattfindenden Kunstmesse Art Basel in die Stadt, gemeinsam mit weiteren, die nur vorübergehend blieben. Die vier im Ironside-District haben nun ihren Stammplatz gefunden, zwei auf dem Parkplatz, zwei auf dem „Business Plaza“ des Viertels, umgeben von den Spalieren eines Urban-Gardening-Projekts. Zu den Mietern des Viertels gehört auch die deutsche Firma Apure, spezialisiert auf Lichtsysteme. Deren Repräsentant ist übrigens Berliner.

Ein Besuch der Concrete Beach Brewery lohnt schon wegen der Street-Art-Werke im Wynwood Arts District (concretebeachbrewery.com). Auf das Wolfsonian-Museum stößt jeder, der das Art-Deco-Viertel in Miami Beach durchstreift (wolfsonian.org). Besucher des Ironside-Districts sollten auch den Biscayne Blvd mit seinen Architekturperlen besichtigen (miamiironside.com).

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