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Lokalgrößen. Zwölftklässler von der Kurt-Schwitters-Oberschule in Prenzlauer Berg managten gleich ein ganzes Wahllokal im Bötzowviertel.

© Mike Wolff

Berlin-Wahl: Neues Schulfach: Wahlhelfer

Rund 17 000 Freiwillige sorgen für einen reibungslosen Ablauf der Abstimmung. Die Jüngsten sind gerade volljährig und gehen noch zur Schule. Andere melden sich seit 20 Jahren für den Dienst an der Urne.

Gerade mal 18 Jahre alt ist Anja Bleschke, zum ersten Mal darf sie über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses abstimmen – und ist gleichzeitig eine von rund 17000 Helfern, die für einen geregelten Ablauf der Berliner Wahlen sorgen. Die Freiwilligen überprüfen, ob die Anwohner im richtigen Wahllokal sind, geben die Stimmzettel aus und zählen sie am Abend aus. Morgens um sieben Uhr wurde Anja Bleschke in ihrem Wahllokal in der Grundschule am Hohen Feld in Pankow erwartet. Eine Stunde hatte der Wahlvorstand, der bei ihr aus fünf Ehrenamtlichen besteht, um das Klassenzimmer herzurichten: Flaggen müssen aufgehängt, die Stimmzettel zurechtgelegt und die Wahlurne aufgestellt werden. Dann kommen ab acht Uhr die ersten zur Abstimmung. Je nachdem wie viele Stimmzettel ausgezählt werden müssen, dauert der Einsatz dann bis etwa 20 Uhr.

In der Schule hat die Schülerin einer 13. Klasse von dem Aufruf erfahren, sich als Wahlhelfer zu bewerben. Dort hingen Zettel aus, die 18-Jährige meldete sich gleich an. „Ich möchte erfahren, wie so eine Wahl hinter den Kulissen abläuft“, sagt sie. Von ihren Freunden oder Verwandten ist kein anderer als Helfer mit dabei, einige haben aber bei ihr die Stimme abgegeben. Für ihr Engagement bekommt die 18-Jährige ein „Erfrischungsgeld“ in Höhe von 31 Euro ausgezahlt. „Das war für mich ein kleiner Anreiz, mehr nicht“, sagt sie dazu. Beschäftigte, die im öffentlichen Dienst tätig sind, bekommen zehn Euro weniger, dafür aber einen Arbeitstag frei.

So wie Michael Tempel, 53, der am Oberstufenzentrum Gesundheit in Mitte Sozialkunde unterrichtet. Er war schon etliche Male Wahlhelfer. „Seit ungefähr 20 Jahren bin ich bei jedem Volksentscheid und jeder Wahl dabei“, sagt er. Am nächsten Schultag berichtet Tempel dann seinen Schülern, wie die Wahl abgelaufen ist und wie der Wahlkreis abgestimmt hat. Mit seinen Kollegen, die sich auch seit Jahren anmelden, ist Tempel schon ein eingespieltes Team. Am Sonnabend war es seine Aufgabe, die Wahlurne und alle Unterlagen beim Bezirkswahlamt abzuholen. Über Nacht lagerten diese in einem Raum in der Schule. „Der ist mit einer Alarmanlage gesichert“, erklärt Tempel. Bis zum Sonntagmittag kamen nur 40 Leute pro Stunde zum Abstimmen. „Da war hier noch tote Hose.“ Als gegen 12 Uhr der Regen zwischenzeitlich aufhört, wird es deutlich voller.

Schüler der Kurt-Schwitters-Oberschule in der Pasteurstraße in Prenzlauer Berg erleben den demokratischen Prozess gleich selbst mit. Im Wahllokal 916 sind etliche Zwölftklässler eingeteilt. Jeder, der volljährig ist, kann Wahlhelfer werden. „Das machen wir schon seit Jahren so“, erklärt die Lehrerin den praktischen Unterricht in Sachen Demokratie.

Am Wahlsonntag ausschlafen konnte Benjamin Bartsch, 21, und das, obwohl er ebenfalls Wahlhelfer ist. Der Auszubildene zum Verwaltungsfachangestellten ist in einem Briefwahllokal eingeteilt, und da ist Arbeitsbeginn erst um 15 Uhr. Bis er um 18 Uhr mit der Auszählung der Stimmzettel von ungefähr tausend Wählern starten kann, werden die Briefumschläge, in denen wiederum die Wahl-Briefumschläge stecken, geöffnet. Außerdem können in seinem Wahllokal im Rathaus Neukölln Nachzügler noch ihre Briefe persönlich abgeben. Mehr ist bis zum Ende der Abstimmungszeit für den 21-Jährigen nicht zu tun. „Schade, dass ich nicht mit den Wählern direkt in Kontakt komme“, sagt er. Beim nächsten Mal ist er aber sicher auch wieder mit dabei. „Hoffentlich bin ich dann in einem Wahlkreis eingeteilt.“ Der Auszubildende hat seinen Wohnsitz zwar in Brandenburg, bei den Berliner Wahlen darf er sich trotzdem engagieren. Willkommen ist jeder Wahlberechtigte zum Deutschen Bundestag – egal, wo er seinen Hauptwohnsitz gemeldet hat.

Nach der Abstimmung über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der Wasserbetriebe ist Ulrich Janotta, 57, dieses Jahr zum zweiten Mal Wahlhelfer. „Das war damals eine ziemlich ruhige Veranstaltung“, sagt der Schulleiter der Werner-von-Siemens-Oberschule in Zehlendorf. Die jetzige Wahl zum Abgeordnetenhaus ist also seine erste große Abstimmung und auch seine erste als Wahlvorsteher. Anders als beim Volksentscheid müssen diesmal drei Stimmzettel und nicht nur einer ausgezählt werden. Bedenken, dass etwas schiefläuft, hat er aber nicht. „Als Schulleiter habe ich schon viele Abstimmungen organisiert“, sagt er.

Um Punkt acht Uhr steht bei Janotta der Erste vor der Tür, der seine Stimme abgeben will. Rund 1500 Berliner gehören zum Wahlkreis. Um die Mittagszeit kommen die Zehlendorfer dann in Scharen: „Viele verbinden das mit dem Mittagsspaziergang“, sagt Janotta. Einige der Wahlwilligen muss er wieder wegschicken: Sie wollen bei ihm noch die geschlossenen Briefwahlunterlagen abgeben – das geht aber nur im Bezirkswahlamt. Viele seiner Schüler wohnen im Umkreis, am Sonntag begrüßt er daher auch einige bekannte Eltern in seinem Wahllokal. Abends muss er alle Stimmzettel noch beim Bezirkswahlamt abgeben. „Dort bekommt man kaum noch einen Parkplatz. Da ist dann ordentlich was los“, sagt Janotta. So sei es jedenfalls bei seiner letzten Abstimmung gewesen.

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