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In Hohenschönhausen spricht CDU-Kandidat Martin Pätzold (Mitte) mit Bärbel Röhr, einer seiner potenziellen Wählerinnen.

© Thilo Rückeis

Berlin-Wahl: Wo die Linken zuhause sind

Der Wahlkampf im Osten ist für die Parteien mit West-Vergangenheit mühsam bis vergeblich. Trotzdem sind sie präsent - und sie haben Hoffnung, dass es diesmal nicht ganz so schlimm wird.

Die Bündnisgrünen pflanzen einen Baum. Da kann keiner was dagegen haben. Zugpferd-Promi Reinhard Bütikofer buddelt die Wurzeln ein, schnauft, die Wahlkreiskandidatinnen nicken zufrieden. War eine gute Idee. Leider sind die Flyer für den Baum-Termin zu spät fertig geworden. Künstlerpech. Die wenigen Wähler, die sich mit Kinderwagen oder Einkaufstüten vorbeidrücken, schauen irritiert und sind dann froh, dass die Politiker sie in Ruhe lassen. Bütikofer muss gleich zurück in den Bundestag, wichtige Fraktionsklausur.

Straßenwahlkampf in Lichtenberg, Heimatbezirk der Linkspartei und ihrer Nachwendevorfahren, immer schon. Vor fünf Jahren landeten die Linken, trotz der Aufsplittung in PDS und WASG, bei rund 40 Prozent. Alle Wahlkreise in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf gingen mit einer Ausnahme an die Linken. Die Grünen erreichten 5,6 Prozent der Erststimmen, die CDU 11,5 Prozent. Allein die SPD konnte in Lichtenberg mit 31,3 Prozent ein respektables Ergebnis einfahren.

Im Norden Lichtenbergs, dem alten Bezirk Hohenschönhausen, stehen die Parteien mit West-Vergangenheit noch schlechter da als im Lichtenberger Durchschnitt – bis auf die NPD, die 2006 in Neu-Hohenschönhausen bei 7 Prozent landete. In den Plattenbauten sammeln sich die Langzeitarbeitslosen und persönlich Frustrierten, die Wahlen für das Feigenblatt der Mächtigen und den politischen Wettstreit für eine Farce halten. Die Wahlbeteiligung lag 2006 bei 42 Prozent.

Die Grünen-Kandidatin Camilla Schuler nimmt ihren eigentlich aussichtslosen Wahlkampf sportlich und freut sich schon über kleine Erfolge, etwa, dass die Beschimpfungen von NPD-Wählern weitgehend ausgeblieben sind.

Vor dem Lindencenter, dem wichtigsten Shoppingtreff in Hohenschönhausen, haben sich zwei Nachwuchskräfte der CDU postiert. Martin Pätzold, 27, und Danny Freymark, 28, lächeln unverdrossen in die Gesichter der Bedrückten und Gescheiterten. „Gehen Sie wählen“, fordern sie die Menschen auf, und es kommt schon mal die Rückfrage „Wann denn?“. Die Standardreaktion schlecht bezahlter Handwerker kurz vorm Feierabendbier ist weniger einladend: „Quatsch mich nicht voll.“ Freymark lächelt auch so was weg. „Das ist Hohenschönhausen-Slang.“ Den kennt er seit 20 Jahren.

Wie wollen die restlichen Parteien überzeugen? Lesen Sie weiter.

Ein Mann in schlabbriger Cordhose, gebeugt vom Leben, das ihn zum Frühinvaliden machte, will nicht einsehen, warum er plötzlich CDU wählen sollte. „Zu Ostzeiten haben wir auch gut gelebt.“ Eine ältere Frau, bunt blühende Bluse, weiße Hose, will dieses Mal ihr Kreuz woanders machen. Die Linke habe sich gut um die Leute im Kiez gekümmert, sei aber schon zu lange am Ruder. „Ich möchte, dass hier mal Bewegung reinkommt.“ Zwei junge Bierflaschenträger in Dreiviertelhosen und T-Shirts schlagen das Gesprächsangebot aus. „Wir sind NPD.“

FDP-Kandidat Rico Apitz sieht im Ost-Wahlkampf auch Vorteile. Als FDPler ist er ein Exot und muss keine Stammwähler bedienen. Zu Veranstaltungen fährt er mit dem Fahrrad. Solche Abweichungen vom Klischee der Businesspartei könnten sich die FDP-Kollegen im Westen kaum leisten, meint er. Apitz will hier erst mal Grundlagen schaffen – „den Leuten erklären, wo der Wohlstand eigentlich herkommt“.

Zwei Tramstationen von der CDU entfernt hat sich SPD-Kandidat Dirk Liebe postiert. Liebe – Weste, Stoffhose und gemütliche Proportionen – sieht zufrieden aus, auch wenn die Passanten eher auf Gummibärchen, Pfefferminzbonbons und Feuerzeuge reagieren. Gespräche kommen selten zustande, macht aber nichts: „Gesicht zeigen, darauf kommt es an.“ Er steht hier, zum Beweis, dass es den netten Herrn Liebe vom Plakat auch in der Originalversion gibt.

Auf seiner Webseite präsentiert Liebe seine „Lieblingsgerichte zum Nachkochen“. Vielleicht schmeckt’s ja dem Wähler. Der Wahlkreisfavorit, Wolfgang Albers von den Linken, hat nicht mal eine Webseite. Er tritt zum ersten Mal in Lichtenberg an, soll aber weit weg in Wannsee zu Hause sein. Albers äußert sich auf Anfrage nicht zu seinem Wohnort. Verbürgt ist hingegen, dass er gebürtiger Wessi ist, über die WASG zur Linken gekommen. Für Liebe und die Mitherausforderer sind das deutliche Schwächen, die hoffen lassen. 13 Prozent betrug 2006 der Erststimmenabstand zwischen Linke und SPD. Diese Lücke will Liebe deutlich verringern, mehr ist wohl nicht drin.

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