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Berlin: Berlin will Schulden an Bund abgeben Senat hofft, bis zu vierzig Milliarden Euro Verbindlichkeiten loszuwerden.

Verfassungsrichter könnten noch 2005 über Sanierungshilfen entscheiden

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat hat dem Bundesverfassungsgericht einen neuen Vorschlag gemacht, wie der Landeshaushalt von den hohen Schulden entlastet werden könnte. Anstatt Berlin – über 10 oder 15 Jahre gestreckt – 35 Milliarden Euro Sanierungshilfen zu zahlen, solle der Bund einen großen Teil der hauptstädtischen Schulden in einen Fonds übernehmen. Vergleichbar mit den Altschuldenfonds für die Deutsche Bahn und die Treuhandanstalt. Zins und Tilgung für den Schuldenfonds wären dann Sache des Bundesfinanzministers.

Bis 2007 wächst der Berliner Schuldenberg auf 67 Milliarden Euro. Davon könnten dann, so Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), bis zu 40 Milliarden Euro in den Fonds wandern. Das hätte Vorteile für beide Seiten: Der teilweise entschuldete Berliner Haushalt würde um 1,6 bis 2 Milliarden Euro jährliche Zinszahlungen erleichtert. Und für den Bund wäre diese Finanzhilfe leichter zu stemmen, als wenn er jedes Jahr mehrere Milliarden Euro „Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen“ zahlen müsste. Außerdem wäre die Bundesregierung die Sorge los, dass der Senat das viele Geld gleich wieder zum Fenster heraus wirft, statt den Schuldenberg abzubauen.

Der Vorschlag gehört zu einer Stellungnahme des Senats, die dem Bundesverfassungsgericht Anfang Oktober zugestellt wurde. Berlin reagierte damit auf Gutachten und Stellungnahmen des Bundes und von elf Ländern, die die Klage Berlins auf Finanzhilfen strikt ablehnen. Das Verfahren, das seit einem Jahr in Karlsruhe anhängig ist, kommt nun in die entscheidende Phase. Der Prozessbevollmächtigte des Senats, Joachim Wieland, hofft auf eine mündliche Verhandlung vor der Sommerpause 2005. Dann könnte vor Jahresende eine Entscheidung fallen. Ein positives Urteil für Berlin, das erwartet der Senat, sollte bis 2007 umgesetzt werden.

Der Senat wirft Bund und Ländern jetzt vor, dass ihre Darstellungen der Finanzlage Berlins „unzulänglich recherchiert“ seien, vorhandene Quellen ignorieren „oder mit Zahlen arbeiten, die in unaufgeklärtem Widerspruch zur öffentlichen Statistik stehen“. Wegen der schweren Fehler kämen diese Gutachten „als Grundlage zutreffender verfassungsrechtlicher Aussagen nicht in Betracht“. Außerdem würden die außerordentlichen Sparanstrengungen seit 1995 und die Ursachen der Haushaltsnotlage Berlins ignoriert. Letztlich gehe es um die „finanzwirtschaftliche Bewältigung der geschichtlich einmaligen Sondersituation der Wiedervereinigung Deutschlands“.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) warf Bund und Ländern gestern eine „verheerende Missdeutung“ der tatsächlichen Entwicklung Berlins seit Anfang der neunziger Jahre vor. Er hält mit einem eigenen Papier „zur finanzpolitischen Lage“ dagegen, „dass so spannend ist wie ein gerichtsmedizinisches Gutachten über einen unaufgeklärten Mordfall“. Aus der gestern veröffentlichten Stellungnahme des Senats geht hervor, dass der Bund und viele Länder erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht die Klage Berlins als „unzulässig und unbegründet“ abweist. Nach Meinung der Bundesregierung geht es lediglich um eine „verwaltungsrechtliche Streitigkeit“. Außerdem seien direkte Zuschüsse, wie die Erfahrungen mit Bremen und dem Saarland bewiesen, als Sanierungshilfen ungeeignet.

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