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Edoardo (Matteo Creatini, rechts), hat ein Problem: Seine Vorhaut ist zu eng. In „Short Skin“ gelingt es Regisseur Duccio Chiarini, das Thema Sexualität so ernsthaft zu behandeln, dass es nie peinlich wird. Links im Bild: Nicola Nocchi.

© Berlinale

Berlinale 14plus: Hat hier jemand „Brüste“ gesagt?

Keine Barbies, keine Waschbretter. Die Jugendfilme bei 14plus halten sich nicht an Schönheitsideale. Endlich mal normal aussehende Schauspieler.

Viel nackte Haut in den Jugendfilmen der Berlinale... Moment mal – kifft hier jemand? Ist das da Koks auf dem Tisch? Die meisten Filme der 14plus-Sektion sind eine Spur zu cool für 14-Jährige – und genau deshalb funktionieren sie. Das ist, wie als man mit 14 Bier gekauft oder einen Horrorfilm gesehen hat. Sex und Drogen werden auch nicht aufdringlich zelebriert, beides passiert nebenbei, wie im Leben auch. Zwei Beispiele. Die Vorhaut sollte der großen Liebe nicht im Weg stehen. Das weiß auch Edoardo, der über seinen Penis aber nicht reden möchte. Seine Vorhautverengung wird dennoch zum Plot des italienischen Films „Short Skin“. Edo ist groß und sensibel, und genau das würden die Frauen ja an ihm lieben, meint ein Kumpel. Edo ist aufgeregt, traut sich nicht zum Arzt, verschiebt ständig sein erstes Mal. Bianca ist, ebenso wie er, sehr dünn, die Haare schulterlang. Beide sind vorsichtig, schüchtern und vor allem: normal. Nach der Operation (endlich!) will Edoardo, bevor er mit Bianca schläft, seinen heilen Penis ausprobieren. Er schmerzt nicht mehr. Das spielt aber auch keine Rolle. Viel mehr Beachtung verdient die Frau, nicht Bianca, die er am Strand kennengelernt hat. Sie ist keine Barbie. Sie ist dick. Und schön.

Die Sexszene hat beinahe Softporno-Charakter. Aber nicht in dem Sinne: „Wir zeigen diesen Jugendlichen mal, was Sex ist“, sondern fokussiert auf die Gefühle. Dass man sich beim Thema Vorhautverengung nicht peinlich berührt grinsend abwendet, liegt vor allem an dem Schauspieler Matteo Creatini, der als Edoardo dem Thema pure Ernsthaftigkeit verleiht.

Sex wird nicht zelebriert

Auch in „The Diary of a Teenage Girl“ sieht man häufig Minnies Brüste. Die Protagonistin ist 15 Jahre alt, lebt in San Francisco und will endlich Sex. Nur kann sie mit den Typen in ihrem Alter nichts anfangen. Stattdessen schläft sie mit ihrem Stiefvater, der mit ihrer Mutter und Freunden gerne Kokspartys feiert. Skandal! Oder?

Minnie (Bel Powley) will endlich Sex - und fragt sich, ob alle so denken. Dann kommt sie dem Freund ihrer Mutter näher (rechts im Bild, Alexander Skarsgård).
Minnie (Bel Powley) will endlich Sex - und fragt sich, ob alle so denken. Dann kommt sie dem Freund ihrer Mutter näher (rechts im Bild, Alexander Skarsgård).

© Berlinale

Menschen tun manchmal verrückte Dinge. Minnie ist keine Nymphomanin, ihre Eltern sind keine Junkies. Dadurch, dass Minnies Gedanken mit Comicüberblendungen verfremdet werden, kann man sie nachvollziehen. Dieses verrückte, liebenswürdige Kind. Der Zuschauer akzeptiert die Affäre mit ihrem Stiefvater, denn Minnie verführt ihn nicht mit ihrem Körper, sondern mit ihrem Charakter, ihrer Art. Und sie sieht ganz normal aus. In vielen 14plus-Filmen schauen sich die Protagonisten im Spiegel an und streichen sich über den Kugelbauch oder den zu kleinen Bizeps.

Schönheitsideale sind gefährliche Standards

Gerade beim Thema Sexualität ist es wichtig, dass Hollywoodklischees aufgebrochen werden. Die 14plus-Filme zeigen attraktive Frauen und Männer, die nicht diesem Einheitsmenschen entsprechen, der in den Köpfen junger Leute rumschwirrt. Der ist gefährlich. Für den Kopf (Depression) und für den Körper (Schönheits-OPs). Die Frau: blond, hohe Wangenknochen, große Brüste, kaum Bauch. Der Mann: groß, breit, braun… Ganz schön langweilig. Aber man sieht diese Stereotypen in jedem zweiten Jugendfilm. Der Haken ist, dass Jugendliche diese Ideale als Standard ansehen und versuchen, sich ihnen anzunähern.

Dabei sagte Professor Hany Farid einmal dieser Zeitung: „Die Kosmetik- und Modebranche photoshopt die Realität weg und kreiert Körperformen, die es physisch gar nicht geben kann.“ Man akzeptiert den Körper, wie er in Werbung und Film verzerrt wird, und fühlt sich schlecht, weil man nicht so aussieht und auch nicht so einen Partner bekommen wird. Das geht so weit, dass sich Koreanerinnen den Kiefer brechen und verkleinern lassen, um europäischer und femininer auszusehen.
Duccio Chiarini, der Regisseur von „Short Skin“, freut sich, wenn man ihn auf seine Darsteller anspricht. „Ich habe bewusst zarte und natürliche Schauspieler ausgewählt. Schön und einzigartig auf ihre eigene Art.“
Short Skin: 14.2., 14 Uhr (Cinemaxx 3), The Diary of a Teenage Girl: 15.2., 15.30 Uhr (Cubix 8).

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Simon Grothe, 19

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