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Sammler. Daniel Tändler hat 3500 Kinotickets gesammelt.

© Kai-Uwe Heinrich

Berlinale-Fan: Der Mann, der sein Zuhause mit Kinotickets tapeziert

Daniel Tändler ist ein ganz besonderer Filmfan. Der Landschaftsgärtner hat so viele Kinotickets gesammelt, dass er seine Wände damit auskleidet.

So langsam wird der Platz knapp in Daniel Tändlers Flur. Seit Anfang der 80er Jahre sammelt der Kinofan schon Eintrittskarten. Rund 3500 bepflastern die Raufaserwand. Sie breiten sich aus: Vor dem Übergang ins Wohnzimmer und an der anderen Seite wieder herunter, wo Schlafzimmer und Bad liegen. Ein paar Postkarten dazwischen könnte er noch abnehmen, um Platz zu schaffen für den nächsten Schwung, der unweigerlich mit der Berlinale kommt.

Seit 1982 geht der Landschaftsgärtner jedes Jahr zur Berlinale. Gut für ihn, dass der Februar in seinem Beruf die perfekte Zeit ist, um Urlaub zu nehmen. Seit 2009 hat er noch einen besonderen Bezugspunkt. Da sah er auf einem Auftragszettel bei seinem Chef den Namen Dieter Kosslick. Ob das der von der Berlinale ist? Daniel Tändler bot freiwillig an, diesen speziellen Job zu übernehmen, selbst wenn es kein großer Auftrag war. Man kam unkompliziert ins Gespräch miteinander.

Seit er im Kontakt mit dem Festivalchef ist, verstehe er erst, was für eine wahnsinnige Arbeit hinter der Berlinale steckt, sagt Tändler. „Mir war vorher nie klar, wie aufwendig das ist, all diese Filme nach Berlin zu bringen.“ Er wundert sich, wie ein einzelner Mensch das alles stemmen kann: „Das ist doch ein unglaublicher Stress. Hut ab!“

Sogar als Jubiläumsgast geladen

Obwohl er immer schon im Dezember anfängt zu überlegen, welche Filme diesmal wohl zur Berlinale kommen, nützt der Landschaftsgärtner den Kontakt zu Kosslick nicht aus. Dazu habe er zu viel Respekt vor ihm und seiner Arbeit. Allerdings duzen sich Gärtner und Auftraggeber inzwischen. Im Herbst holt Tändler immer die empfindlichen Feigenbäume ab, damit sie im Gewächshaus überwintern können. Zur 60. Berlinale 2010 war er sogar als Jubiläumsgast geladen.

Die Berlinale hat sich in der Ära Kosslick seit 2001 geändert, das ist Daniel Tändler besonders aufgefallen. „Die Leute sind viel freundlicher geworden“, sagt er. Früher sei die Stimmung vergleichsweise unterkühlt gewesen. „Ein politisches Festival war es immer“, erinnert er sich. Aber das Familiengefühl sei eben nicht in gleicher Weise da gewesen.

Roter Teppich ist ansonsten seine Sache nicht. Auch Filmpartys reizen ihn weniger, nachdem ihn einmal ein befreundeter Regisseur eingeladen hatte. Nach zwei Drinks und einer Runde wummernder Musik war ihm klar: „Das reicht nun auch.“ Auch Autogrammen rennt er nicht hinterher. Er stellt aber fest, dass die Stars nicht mehr so publikumsnah sind, wie früher. „Ich bin mal direkt neben Alain Delon ins Kino gegangen“, erinnert er sich. „So was wäre heute nicht mehr möglich.“ Die Stars werden direkt zum roten Teppich gefahren.

Beamer auf dem Wohnzimmertisch

Auf seinem Wohnzimmertisch in dem Haus am Plänterwald steht ein Beamer, der die Bilder an die weiße Wand wirft, wenn er keine Lust hat ins Kino zu gehen. Zu Weihnachten hat er gerade das Gesamtwerk von Stanley Kubrick bekommen. Fellini-Filme mag er auch sehr. Auch „Twelve Monkeys“ zählt zu seinen Lieblingsfilmen, oder „Rumble Fish“.

Block und Bleistift liegen neben den Berlinale-Programmen. Vorab macht sich der gebürtige Tempelhofer einen Stundenplan. „So viele Filme kann man wirklich nur auf der Berlinale sehen.“ Fünf pro Tag sind eigentlich sein Ziel, meist schafft er vier, aber manchmal auch nur drei. Wettbewerb, Retrospektive und Hommage sind seine favorisierten Sektionen. „Eigentlich bin ich ein Typ, der sich unterhalten lassen will“, sagt der 56-Jährige. Er lernt aber auch gerne, wie Menschen in anderen Ländern leben, was sie bewegt. Inzwischen hat er auch die Stummfilme entdeckt, war tief beeindruckt von der sinfonischen Begleitung in der Philharmonie.

Die Fans gehen auch miteinander essen

Das Familiengefühl Berlinale beginnt für ihn schon beim Ticketkauf. Man lerne ja so viele unterschiedliche Menschen aus allen Bereichen des Lebens kennen, sagt er. Manchmal entwickeln sich auch Freundschaften daraus. Fast immer fällt sein Geburtstag, der 14. Februar, in die Berlinale. Einmal hat er zwei Frauen kennengelernt, die ihm einen selbst gebackenen Kuchen mitbrachten mit Kerze drin und eine Flasche Sekt dazu. So haben sie zusammen gefeiert. Sowieso verabreden sich die Berlinale-Fans zwischendurch auch mal zum Essen.

Wenn er Dieter Kosslick in Aktion auf dem Roten Teppich sieht, freut er sich. „Seine Leute stehen alle hinter ihm“, ist er überzeugt. Und, dass dieses gute Arbeitsklima ausstrahlt aufs gesamte Festival. Es sei in den letzten Jahren ja auch immer umfangreicher geworden: „Und damit interessanter.“ Er fragt sich schon, ob die Neuen das im nächsten Jahr wohl auch so hinbekommen werden, die Ausstrahlung, das Charisma, die Emotion die unkomplizierte Art. In der Ära Dieter Kosslick sei die Berlinale noch mehr zu einem Publikumsfestival geworden, glaubt er. „Mit Herz und Seele“.

Alles zur Berlinale finden Sie unter diesem Link.

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