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Das Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstraße.

© Britta Pedersen/dpa

Berliner Abgeordnetenhaus: Im Parlament sind jetzt "Mutbürger" gefragt

In dieser Woche tritt das neu gewählte Abgeordnetenhaus in Berlin erstmals zusammen. Wie stark die Demokratie ist, wird sich gerade im Umgang mit der AfD erweisen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Demokratie bewährt sich in der Auseinandersetzung. Vor dieser Bewährungsprobe steht das Abgeordnetenhaus, das am Donnerstag erstmals nach der Wahl zusammenkommt. SPD, CDU, Grüne, Linke und die zurückgekehrte FDP müssen zeigen, dass das Parlament die Bühne des Volkes ist, auf der würdevoll um die besten Lösungen für alle Berliner gerungen wird.

Das ist das probate Mittel, jede populistische Geringschätzung des Parlaments zu entkräften, bevor sie die Grundlagen unserer Verfasstheit erodiert. Es wird eine besondere Herausforderung sein – auch durch die 25 AfD-Abgeordneten, die neu im Rund des Parlaments sitzen. Und eine Chance.

Wenn der Landesvorsitzende der Grünen, Daniel Wesener, eine „neue politische Kultur“ mit Blick auf den Umgang in der angestrebten rot-rot-grünen Koalition fordert, sollte dies selbstverständlich auch für das parlamentarische Geschehen gelten. Wenn die Zahl der „Wutbürger“ auf der Straße zunimmt, müssen sich demokratische Parteien erst recht als „Mutbürger“ beweisen, die sich nicht mit ätzender Häme und giftiger Schärfe bekriegen.

Regieren erfordert Respekt - Opposition auch

Vielmehr sollten Regierung und Opposition sich zugestehen, dass ein jeder auf seine Weise das Wohl Berlins im Sinn hat. Das setzt voraus, die anderen Parteien nicht als Gegner, gar als Feinde zu sehen. Die gegenseitigen Vorwürfe, regelmäßigen Händel und bösen Herabsetzungen, die sich die rot-schwarzen Koalitionäre in der vergangenen Wahlperiode leisteten, trugen zum miserablen Wahlergebnis für SPD und CDU bei. Deshalb wäre es – wie die Grünen vorschlagen – eine gute Geste, der stärksten Oppositionspartei den Vorsitz des wichtigsten Parlamentsausschusses anzubieten – im Bundestag übrigens selbstverständlich.

Wie stark die Demokratie ist, wird sich gerade im Umgang mit der AfD erweisen. Man mag deren Anwesenheit im Abgeordnetenhaus furchtbar finden. Aber weil ein Parlament immer der Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse ist, müssen dort diese Gegensätze und unterschiedliche Ansichten ausgetragen werden – auf zivilisierte Weise. Das Abgeordnetenhaus würde sich selbst als Institution schwächen, sollte dies nicht gelingen.

Auch die AfD muss parlamentarisch geachtet werden ...

Nun ist nicht zu erwarten, dass die AfD-Abgeordneten in der ersten Parlamentssitzung durch rüdes Verhalten provozieren werden, wie es 1989 die ebenso rechtsradikalen wie geistig schlichten Republikaner taten. Die AfD-Spitze ist erkennbar um einen seriösen Auftritt bemüht. Der stramme Neonazi Kay Nerstheimer ist nicht mehr Mitglied der Fraktion, und in den Bezirken bemüht sich die AfD um vorzeigbare Kandidaten für die ihr zustehenden Stadtratsposten.

Auch bei den anderen Parteien in den Bezirken gibt es nach anfänglich schrilleren Tönen und angekündigter Ausgrenzung hier und dort eine verbale Abrüstung. Im Abgeordnetenhaus könnte es interessant werden, wie die nun oppositionelle CDU damit umgeht, wenn die AfD mit Anträgen zu mehr Sicherheit in der Stadt und besserer Polizeiausstattung im Bereich der christdemokratischen Kernkompetenz wildert.

Die Lösung der drängenden Probleme Berlins wird umso eher gelingen, je selbstbewusster die Mehrheit des Abgeordnetenhauses eine selbstverständliche Kultur des gemeinsamen Respekts etabliert.

... und die AfD muss das Parlament achten

Die konstruktive und sachliche Auseinandersetzung im Abgeordnetenhaus wird deshalb auch ein Scheidewasser für die AfD sein: Der parlamentarische Betrieb wird die Rechtspopulisten nicht unverändert lassen. Sie werden sich entweder als Parlamentarier mit ernsthaften Anliegen erweisen, denen lediglich die CDU nicht mehr konservativ genug ist, oder sie werden sich als unverbesserliche Rechtsextreme entlarven und mit radikaler Blödheit wie einst die Republikaner den eigenen Untergang betreiben.

Das Parlament darf keine Wagenburg sein, auch keine der Demokraten. Eine Ausgrenzung der AfD-Abgeordneten ist deswegen kein probates Mittel: Die parlamentarischen Rechte gelten für alle Abgeordneten. Alles andere gäbe der AfD nur Anlass, sich als Märtyrer einer angeblichen Mehrheitsdiktatur zu stilisieren.

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