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Putzen ist wie Sport: Macht müde und glücklich.

© Silvia Marks/ dpa

Berliner Alltag: Ich habe keine Putzfrau - und bin glücklich!

Immer mehr Menschen holen sich Hilfe für ihren Haushalt. Spart Zeit, schont die Nerven und schafft Arbeitsplätze. Stopp! Ein Plädoyer fürs Putzen.

Als ich jüngst ein Spielzeugauto unter dem Sofa hervorfischte, folgte schwungvoll eine Herde Wollmäuse. Wenige Tage zuvor hatte ich versucht mir einzureden, wie romantisch das Gefühl von Spielplatzsandkörnern unter meinen nackten Füßen sei. Da ging ich morgens vom Schlafzimmer in die Küche. Nein, wir leben nicht im Dreck. Wir putzen. Selber. So gut und häufig es eben geht neben allem, was sonst so passiert von Montag bis Sonntag. Damit sind wir Exoten.

Kaum eine Familie in unserem erweiterten Freundeskreis, die keine Putzfrau beschäftigt; kaum Kollegen, die nicht davon schwärmen, wie herrlich es sei, nach einem anstrengenden Arbeitstag die frisch durchgewischte Wohnung zu betreten. Wartet mal ab, das ist der Spruch, den wir oft hören, lange haltet ihr das nicht durch. Bei Leuten, die wir nicht kennen, klingt das oft auch so: Waaaaas, ihr habt keine Putzfrau? Als hätten wir nicht nur den wichtigsten Berliner Trend verschlafen, sondern eine kolossal falsche Lebensentscheidung getroffen.

Danke, es geht uns gut. Ein Leben ohne Putzhilfe ist möglich. Was ist nur los, dass ihr alle vom Gegenteil überzeugt seid? Lässt Zeit für Wichtiges, heißt es oft. Kostet aber auch. Geld, das wir alle nicht haben, hier in der Stadt der Geringverdiener, oder? Eine Woche ohne Putzhilfe und ihr geht unter? Vielleicht ist der Staub ja nicht das größte Problem.

Putzhilfen sind Dienstleister, sagt ihr, die nehmen wir in Anspruch wie du den Friseur. Wir sind Arbeitgeber, sagt ihr, denn unsere Putzhilfe ist sogar korrekt angemeldet. Buche sie doch stundenweise, wenn du nichts Festes willst, sagt ihr und empfehlt mir diverse Online-Plattformen. Für die ist das auch nur ein Job, sagt ihr. Stopp!

Ich verstehe die Argumente, jedes einzelne. Ihr habt recht. Es ist auch nicht so, dass ich nie in Versuchung (gewesen) wäre. Wenn Besuch ansteht und ich nicht weiß, wann ich das Bad vorher noch schrubben soll zum Beispiel. Das kommt vor. Aber nicht so häufig, dass es mich an der grundsätzlichen Entscheidung zweifeln ließe.

Als Schülerin ging ich selbst putzen

Mit der richtigen Musik ist Putzen fast wie Sport. Macht müde und glücklich. In Ruhe nachdenken – klappt ebenfalls super währenddessen. Gute Ideen kommen mir beim Entkalken. Die anstrengendste Beziehung meines Lebens beendete ich nach ausgiebigem Saugen eines langen Altbauflurs.

Vielleicht liegt meine Weigerung auch daran, dass ich als Schülerin selbst putzen ging, um Geld zu verdienen. Ich wollte nicht explizit als Putzfrau arbeiten, doch das Kind, auf das ich aufgepasst hatte, kam in den Kindergarten und Putzen im Büro des Vaters war meine Anschlussverwendung. Seither hat sich in mir die Überzeugung verfestigt, niemals jemanden dafür bezahlen zu wollen, dass er meinen Dreck wegmacht. Ich komme mit dem Gutsherrinnengestus nicht klar, fühle mich schon unwohl, wenn ich der Babysitterin ihr Geld aushändige.

Wenn die Putzfrau kommt, räumen wir vorher gründlich auf, sagt ihr beglückt – und braucht dafür vermutlich länger, als wenn ihr selber feudeln würdet. Ehrlich? Dafür ist mir meine Zeit zu schade.

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