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Monster aus der Tiefe. Dieser Wels wurde vor drei Jahren im Spreewald gefangen – 1,80 Meter lang und 40 Kilogramm schwer.

© picture alliance / dpa

Berliner Badeseen: In den Gewässern gibt es nicht nur Riesenwelse

Kein Badesee-Nachmittag ohne gruselige Wels-Story: Doch in den Gewässern versteckt sich noch viel mehr. Zum Beispiel Unterwasser-Rasenmäher und Kühlschränke.

Riesenklappe, groß wie ein Zwei-Meter-Mann, 80 Kilo schwer – die Mythen vom Monsterwels im Schlachtensee, in der Havel und überhaupt: in den meisten Berliner und märkischen Gewässern gehören zum Sommer wie Eiskugeln und Sonnenschirme Tatsächlich wurden auch in den vergangenen Wochen wieder aus der Havel und Oder Megaexemplare des größten Süßwasserfisches gefangen, doch wie berichtet schnappen sie selten nach Menschen – und falls doch, schafft ihr zahnloser Hornkiefer kaum mehr, als zu kneifen.

„Viel gefährlicher für Schwimmer ist der unglaubliche Müll, der vor allem am Boden unserer flachen Gewässer liegt“, sagt Jürgen Köhler von den „Jungen Tauchpionieren Berlin“. Rostige Fahrräder, Glasscheiben, selbst Kühlschränke und Schutzbleche hat Köhler bei Entrümpelungsaktionen schon aus dem Wasser gezogen. „Es ist nicht zu fassen“, schimpft er – und hat dennoch bei solchen Einsätzen auch Grund zur Freude: „Fische gibt es in unseren Seen und Flüssen ohne Ende. Die Wasserqualität ist überall gut.“

Was entdeckt man als Taucher so alles in der grünen Dämmerung unter der Wasseroberfläche, wenn der Himmel oben nur noch matt funkelt und zartgliedrige Pflanzen in der Strömung wedeln? Was holen die Profi-Fischer in Berlin und Brandenburg aus ihren Netzen und Angler außer Welsen vom Haken? Der Tagesspiegel hat sich mal umgehört. Hier ist unsere kleine Unterwasser-Galerie.

Die Fischarten in der Region

Wie viele Fischarten gibt es in der Region, Frau Jürgensen? „Insgesamt 44 sind nachgewiesen“, sagt die Fischereibiologin und Chefin des Fischereiamtes Berlin, Susanne Jürgensen. Dazu zählen auch acht höchst seltene und eigentlich gar nicht heimische Arten, beispielsweise die Silberkarausche, auch Giebel genannt, aus Eurasien. Oder der kanadische Sonnenbarsch und amerikanische Blaubandbärbling. Sie gehören zu Berlins Wasserbewohnern, seit irgendwelche Aquarianer mal heimlich ein paar Exemplare ausgesetzt haben und diese sich hier wohlfühlten.

Auch chinesische Graskarpfen tummeln sich in der Havel, diese wurden allerdings vor etlichen Jahren bewusst von den Behörden eingesetzt, „sozusagen als Unterwasser-Rasenmäher“, sagt Susanne Jürgensen. Die äußerst hungrigen Vegetarier sollten wuchernde Wasserpflanzen eindämmen. Das klappte aber dann zu gut, sie fraßen radikal gleich alles Grün weg, weshalb man zum Beispiel im Tegeler See nun darauf achtet, dass sie nicht überhandnehmen.

So viel zu den Exoten. Allen voran gibt es aber höchst offiziell einen Berliner „Leitfisch“. Das ist die Brasse, im Volksmund „Blei“ genannt. Ein äußerst grätenreiches Mitglied der Karpfenfamilie, mit vorgestülptem Maul, bis zu 60 Zentimeter lang, kann 20 Jahre alt werden und fühlt sich im Schwarm am wohlsten. Über den Bleigeschmack gehen die Ansichten heftig auseinander. Meist enden die gefangenen Bleie im Fleischwolf – und kommen als Fischbulette auf den Teller.

Zum Leitfisch avanciert der Blei, weil er besonders zahlreich vorkommt. Für Fachleute wie Susanne Jürgensen ist Berlin eine „Blei-Region“, denn dieser Fisch, sagt sie, „liebt langsam fließende Gewässer wie die Havel“. Im Gegensatz zur Forelle in Gebirgsbach-Regionen.

Zu den 18 besonders häufigen Fischarten in Berlin und Brandenburg gehören außerdem Zander, Hecht, Karpfen, Plötze und Barsch. Seit die Spree und Havel, aber vor allem die Seen immer sauberer und klarer werden, haben einige von ihnen im Gegensatz zu den Umweltschützern ein Problem: Sie fühlen sich im Wasser mit klarer Sicht gar nicht wohl.

Dazu gehört der Zander, denn er ist ein Jäger und setzt darauf, dass ihn kleinere Beutefische bei der Verfolgung möglichst spät sehen. Eine trübe algenreiche Brühe eignet sich dafür besser. Doch seit eutrophierende nährstoffreiche Phosphate immer seltener aus der Landwirtschaft und Kläranlagen in Berlins Gewässer gelangen, klart es um ihn herum zunehmend auf. Es gibt weniger Pflanzen und Plankton. Ein Nachteil auch für andere Fischarten wie die Plötze, die sich davon ernähren. Gleichwohl herrsche in der Region an Fischen kein Mangel, versichert Jürgensen. „Die Bestände sind gut.“ Und es gibt auch Unterwasserjäger, denen klares Wasser höchst zupass kommt. Besonders der Hecht profitiert: Er jagt nicht, sondern lauert versteckt unter Zweigen am Ufer und schnappt urplötzlich zu. Je besser er seine Beute sieht, umso zielgenauer.

Dabei können große Hechte auch mal einen Schwimmer erwischen und kneifen, vor allem im Frühsommer während der Laichzeit, wenn die Männchen im schilfigen Flachwasser den an Pflanzen gehefteten Rogen bewachen. Das ist auch die Kampfzeit der Welse. Denn zur Fortpflanzung steigen sie vom Gewässergrund auf und legen ihre Eier gleichfalls auf überschwemmten Schilfsandbänken ab. Die Verteidigung übernehmen die Männchen. „Wer dann an ihnen vorbeiplanscht, muss schon mal mit einer Attacke rechnen“, sagt Jürgensen. Da ist der um 1885 von Amerika nach Brandenburg importierte scheue Zwergwels wesentlich angenehmer. Er hält sich fast ausschließlich im Schlamm auf.

Der Wassermüll

Seit gut 17 Jahren verbringt Thomas Vogel vom Deutschen Unterwasser-Club Berlin seine Freizeit zwischen Fischen, Teichmuscheln und Schlingpflanzen. In manchen Seen wie dem Straussee bei Strausberg, dem Heiligen See in Potsdam, dem Stechlin- und Werbellinsee in Nordbrandenburg oder dem Helenesee bei Frankfurt (Oder) hat er teils recht gute Sicht, aber manchmal packt ihn dennoch der Ärger. „Sie glauben gar nicht, was da unten so alles liegt“, sagt er – „vom Marmeladenglas über Sonnenschirme, Skateboards, Kinderwagen, Puppen und Autorädern bis zu Flaschenkästen.“

Ähnliche Unterwasser-Ansichten kennt auch Jürgen Köhler von den „Jungen Tauchpionieren Berlin“ aus Lichtenberg. Mehr als 30 Taucher sind in seinem Club aktiv und vergnügen sich nicht nur bei ihrem sportlichen Hobby. Sie arbeiten auch, zum Beispiel im Neuen See und in den Panzerteichen in Falkenberg oder im Fennpfuhl-See des gleichnamigen Lichtenberger Parks. Dann waten oder tauchen sie in Reihe durchs Nass und fahnden nach Müll. „Stoßen unsere Füße oder Hände an irgendwas Hartes, ziehen wir’s raus“, erzählt Köhler. Ist es zu schwer, packen alle mit an. Zum Beispiel bei Motorrädern. Mit vereinten Kräften haben sie schon mehrerer solcher Rostvehikel an Land gebracht.

Seit 2004 ziehen sie zum See-Entrümpeln los. Ein paar Mal pro Jahr. Und haben die Erfahrung gemacht, „dass vor allem wohnortnahe Seen stark vermüllt sind“. Auch geknackte Kaugummiautomaten und aufgebrochene Geldkassetten, Zimmertresore oder Spielautomaten haben sie schon entdeckt. „Klar“, sagt Köhler, „die Täter wollen das Corpus Delicti ja möglichst rasch versenken.“

Vom Ufer wird der ganze Schrott dann zu aufgestellten Containern geschleppt. Ein voller Einsatz – der allerdings Anfang Juni in Falkensee weniger mühsam war. Dort erlebten die Taucher eine Überraschung. Sie entdeckten an den Seeböden nur wenig Gerümpel. Wieso? „Das liegt an einer erfolgreichen Aktion der Stadt Falkensee“, sagt Jürgen Köhler. Die stellte rund um ihre Seen auch teils größere Müllbehälter auf.

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