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Ab ins Becken. Die Bürger wollen Sport und Spaß im Wasser – aber die Bäderbetriebe klagen, viele Anlagen verkommen.

© Thilo Rückeis

Berliner Bäder in der Krise: Senat steckt Millionen in die Bädersanierung

Der Senat gibt in diesem Jahr noch mehr Geld für die Sanierung der Berliner Schwimmbäder aus. Das reicht allerdings nie. Warum eigentlich nicht?

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In Pankow klagen Lehrer und Eltern über „miserable Zustände“ beim Schulschwimmen. Und viele Reinickendorfer fürchten, dass das Strandbad Tegel geschlossen bleibt. An vielen Orten Berlins fehlt das Geld für die Instandhaltung der Bäder. Der zuständige Staatssekretär Andreas Statzkowski bezifferte den Sanierungsstau am Dienstag auf 76 Millionen Euro. Das laufende Sonderprogramm des Senats reicht dafür nicht aus. Doch wenn der öffentliche Zuschuss für die Bäderbetriebe um 3,5 bis vier Millionen Euro jährlich aufgestockt würde, könnte das landeseigene Unternehmen die notwendigen Sanierungsarbeiten aus eigener Kraft leisten, sagte Statzkowski.

Die Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus, SPD und CDU, haben bereits angekündigt, dass die Bäderbetriebe mehr Geld erhalten sollen. Noch ist nicht klar, woher es kommen soll. Zwar kündigte der Sportausschuss des Parlaments an, den Landeszuschuss noch im laufenden Jahr von 41,5 auf 50 Millionen Euro zu erhöhen, aber der finanzielle Ausgleich für die Mehrausgaben könne nicht zulasten der Sportverwaltung des Senats gehen. Bis zu den Sommerferien will Rot-Schwarz das Problem im Rahmen der Haushaltsberatungen lösen.

Vonseiten der Politik gibt es aber auch Kritik an den Bäderbetrieben, die seit Jahren klagen, dass sie unterfinanziert seien. „Einfach nur jammern, das ist eine billige Erpressungsnummer“, sagt Felicitas Kubala, sportpolitische Sprecherin der Grünen. „Nichts außer Lamentieren, eine Katastrophe“, sagt Jörg Stroedter, stellvertretender SPD-Fraktionschef. Man müsse die Schwimmbäder so attraktiv machen, dass die Leute dort Geld ausgeben. Es sei Kreativität gefragt, meint auch die Sportausschuss-Vorsitzende Karin Seidel-Kamutzki (SPD). Parteiübergreifend werden vom Management der Bäderbetriebe ein neues Konzept und ein Wirtschaftsplan für 2012 gefordert, der voraussichtlich erst im Mai vorliegen wird.

Auch wenn die laufenden Landeszuschüsse erhöht werden: Zu attraktiven Freizeitbäder, die mehr Publikum anlocken und höhere Einnahmen versprechen, können die städtischen Bäder damit wohl nicht umgebaut werden. Was wäre denn möglich – Veranstaltungen, Vermietungen oder Open-Air-Kinos am Rand des Pools? „Unsere Aufgabe ist zuerst einmal die Daseinsvorsorge und nicht, eine Eventlocation zu sein“, sagt Bäderbetriebe-Sprecher Matthias Oloew. Außerdem seien interessante Projekte wie die „Übernachtungsboxen“ im Prinzenbad schwer zu genehmigen, und sie gleichen die wirtschaftlichen Defizite nicht aus. Trotzdem werden die Boxen in diesem Jahr vielleicht im Sommerbad Neukölln stehen. Die Idee, in einzelnen Freibädern ein Open-Air-Kino einzurichten, wurde wieder aufgegeben. Bei dem Überangebot in der Stadt rentiere sich das nicht, sagt Oloew.

Vor vielen Jahren gab es einmal eine Lange Nacht der Bäder. Inzwischen beteiligt sich das Landesunternehmen nur noch an den Langen Nächten anderer Anbieter. Als vor zwei Jahren die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark an der Landsberger Allee 24 Stunden geöffnet war, kam nachts kaum jemand, und Veranstaltungen wie die Unterwasseroper im Stadtbad Neukölln brächten nur eine vierstellige Summe ein, sagt Oloew. Dennoch würden solche Veranstaltungen immer wieder geplant, hauptsächlich aus Imagegründen. Allerdings fehle in den Sommer- und Freibädern Berlins die Infrastruktur für große abendliche Events. Zudem muss es ab 22 Uhr leise sein. Ein Kreativteam, das realistische Vorschläge für neue Einkommensquellen entwickelt, können sich die Bäderbetriebe nach eigener Aussage nicht leisten.

Wie können die Bäder profitabler werden?

Eine ganz andere Idee, den roten Zahlen in der Bilanz entgegenzuarbeiten, wären flache – und damit energieärmere – Außenbecken an den Hallenbädern. Doch bisher darf das Unternehmen keine weiteren Wasserflächen in Betrieb nehmen. Längere Öffnungszeiten sind aus Sicht der Bäderbetriebe auch keine Alternative, weil damit die Personalkosten kräftig steigen. Höhere Eintrittspreise, sagt Sprecher Oloew, werde es frühestens 2013 geben. Sport-Staatssekretär Statzkowski kann sich gestufte Tarife vorstellen, die sich an der Nachfrage orientieren. In den nutzungsschwachen Tageszeiten könnten niedrigere, ansonsten höhere Preise genommen werden, sagte er am Dienstag. Geprüft werden soll auch, ob die Eintrittspreise für Kurse und Saunen erhöht werden können, weil es sich „um keine Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge“ handele, steht in einem Bericht der Sportverwaltung an das Berliner Abgeordnetenhaus.

Bliebe es beim alten Landeszuschuss von 41,5 Millionen Euro für dieses Jahr, kämen die Bäderbetriebe nach eigener Einschätzung nicht um Bäderschließungen herum. Dann müsste beispielsweise das Schwimmbad in der Thomas-Mann-Straße in Prenzlauer Berg geschlossen bleiben und sämtliche Investitionen auf das Nötigste beschränkt werden. Auch die Verpachtung von Bädern wäre dann ein Thema. Sollte der Zuschuss aber, wie von SPD und CDU versprochen, auf 50 Millionen Euro jährlich steigen, ließe sich damit ein Standort pro Jahr technisch sanieren. Das wäre schon was. „Ein normales Schwimmbad muss alle 20 Jahre grundsaniert werden“, sagt Statzkowski. Das sei fast ein ähnlicher Aufwand wie ein Neubau.

Gibt es tatsächlich mehr Geld, könnte auch in Pankow Entwarnung gegeben werden. Für die Schulkinder muss dort aus Sicht der Bezirkselternvertretung die – für den Schul- und Vereinssport reservierte und seit Juni 2011 wegen des maroden Zustands geschlossene – Schwimmhalle an der Thomas-Mann-Straße dringend erneuert werden. Die Situation im Bezirk sei angespannt, sagt Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD). Einen Sanierungszeitplan für das Bad gibt es bislang nicht, aber Statzkowski stellte am Dienstag Hilfe in Aussicht. Die Instandsetzung des Bades stehe „an erster Stelle“. Das Dach, die Fassade und die gesamte Technik müssen für etwa 3,6 Millionen Euro erneuert werden.

Große Probleme gibt es auch im Strandbad Tegel. Dort fehlen 1,85 Millionen Euro für neue Abwasserleitungen. Derzeit versuchen die Bäderbetriebe, von den Umweltbehörden eine Sondergenehmigung für den Betrieb mit den alten Rohren zu bekommen. Falls die Ausnahme gewährt wird, soll das Bad öffentlich ausgeschrieben werden. Das Strandbad hatte allerdings in der vergangenen Saison nur wenige Besucher. Darum wird überlegt, den Gastronomie- und Sanitärbereich stillzulegen und eine freie Badezone wie am Strandbad Müggelsee einzurichten. In diesem Falle würden die veralteten Abwasserrohre gar nicht mehr gebraucht.

Ärger gibt es noch um den Super-Ferien-Pass, mit dem Kinder und Jugendliche gratis baden können. Die Bäderbetriebe wollen die Einnahmen daraus erhöhen, beispielsweise durch einen zusätzlichen Euro pro Besuch. „Das würde deren Defizite nicht senken“, kritisiert Doris Weber-Seifert vom Jugendkulturservice, der den Pass ausstellt. „Aber es würde ärmeren Kindern das Schwimmengehen erschweren.“ Dieses Jahr werde sich nichts ändern, verspricht der Staatssekretär.

Der Senat beschloss am Dienstag einen Bericht über das Bädersanierungsprogramm, das 2007 gestartet wurde und mit drei Großprojekten 2012 beendet wird: Das sind die Schwimmhalle Finckensteinallee sowie die Kombibäder Gropiusstadt und Spandau-Süd. Allein für diese drei Bäder gibt das Land Berlin 27,8 Millionen Euro aus. Das gesamte Sonderprogramm hat ein Volumen von 50 Millionen Euro, die für 45 Standorte zur Verfügung standen.

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