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Gerüstbauer

© dpa

Berliner Bauwirtschaft: Teure Schwarzarbeit

In Berlin soll auf dem Bau jeder Zweite illegal beschäftigt sein. Jetzt hat die Zollbehörde einen Erfolg im Kampf gegen diese Schwarzarbeit verbucht: Zwei Berliner Unternehmen müssen Rekordbußgeld von 1, 7 Millionen Euro zahlen.

Das Ausmaß ist enorm. Experten gehen davon aus, dass rund die Hälfte der Leistungen im Berliner Baugewerbe schwarz erbracht wird. Jetzt hat die Zollbehörde einen Erfolg im Kampf gegen illegale Beschäftigung verbuchen können. Sie verhängte gegen zwei Geschäftsführer und einen Prokuristen zweier Baufirmen ein Rekordbußgeld in Höhe von 1,74 Millionen Euro, weil die Unternehmen in massivem Umfang die auf dem Bau geltenden Mindestlöhne unterschritten hatten.

Die beiden mittelständischen Lichtenberger Unternehmen hatten gemeinsam in den Jahren 2004 bis 2005 insgesamt 83 polnische Arbeiter auf verschiedenen Baustellen in Deutschland eingesetzt. Laut den Firmenunterlagen wurden für die Männer jeweils Arbeitstage mit vier bis sechs Stunden zu den damals offiziellen Mindestlöhnen zwischen 9,65 und 12,47 Euro abgerechnet. Die Ermittlungen ergaben aber, dass die Arbeiter ungefähr doppelt so viele Stunden arbeiteten. „Das ist ein ganz besonders massiver Fall“, sagt Michael Kulus, Sprecher des Hauptzollamtes Berlin. Wegen der Schwere der Verstöße habe man die höchstmögliche Geldbuße in Höhe von 500 000 Euro pro Person und Fall ausgeschöpft. Auf die Schliche gekommen war man den Unternehmen, die inzwischen nicht mehr existieren, durch Baustellenkontrollen.

In der Dimension ist dieser Fall besonders, aber Verstöße gegen die Mindestlohnregelungen sind auf Berliner Baustellen an der Tagesordnung. Nach Angaben der Sozialkasse des Baus, einer gemeinsamen Einrichtung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, besteht der Verdacht, dass jedes dritte Bauunternehmen den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet. Dieser liegt seit dem 1. September in Berlin bei 12,70 Euro und damit um 2,90 Euro höher als in Brandenburg. Nach Ansicht von Wolf Burkhard Wenkel, dem Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, wird gegen illegale Beschäftigung nicht entschieden genug vorgegangen. Die jetzt beschlossene Ausweispflicht auf Baustellen sei überhaupt nicht ausreichend. Seit Jahren fordert die Fachgemeinschaft, die rund 900 mittelständische Unternehmen in der Region vertritt, die Einführung einer Chipkarte, auf der mindestens ein Sozialversicherungsmerkmal des Arbeitnehmers gespeichert ist. Außerdem müsse die Ermittlungsgruppe beim Zoll entschieden verstärkt werden. Für diesen sei es ohnehin schwer, dass nur ein Teil der verhängten Bußgelder eingetrieben werden kann. Seit vier Jahren ist die Fachgemeinschaft auch selbst aktiv: Sie schickt Fachleute aus, die als sogenannte Baustellenläufer das Geschehen am Bau überprüfen.

Wenkel geht davon aus, dass auf dem Bau in Berlin rund 50 Prozent der Leistungen schwarz erbracht werden, in Brandenburg seien es 30 Prozent. Dieser Unterschied sei zum einen durch den unterschiedlichen Mindestlohn zu erklären. Andererseits könne sich illegale Beschäftigung in der Anonymität der Großstadt besser entwickeln. Zudem gibt es nach den Worten Wenkels hier ein größeres Prekariat, dass von einem „Kombilohn aus Hartz IV und schwarz erarbeitetem Geld“ lebt. Auch der Linzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider, der sich seit Jahren schwerpunktmäßig mit der Schwarzarbeit beschäftigt, geht von ähnlichen Größenordnungen wie Wenkel aus.

Seit 2004 hat der Zoll die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung komplett von den Arbeitsagenturen übernommen. Zur Arbeitsgruppe Finanzkontrolle Schwarzarbeit gehören 250 Ermittler. Schwerpunktbereich ist der Bau, danach folgen Gastronomie und Reinigungsgewerbe. Im vergangenen Jahr haben die Schwarzarbeitskontrolleure 19 000 Personen und 4000 Firmen überprüft. Hinweise bekommen die Ermittler durch anonyme Tipps, durch Informationen der Baustellenläufer der Fachgemeinschaft sowie durch ein Hinweistelefon beim Zoll.

Der aktuelle Fall zeigt, wie lange sich Ermittlungarbeiten hinziehen können. „Wir mussten Hausdurchsuchungen erwirken und jede Menge Unterlagen prüfen“, sagt Kulus. Wie außergewöhnlich dieses Verfahren ist, wird auch daran deutlich, dass im vergangenen Jahr die Summe sämtlicher verhängter Geldbußen lediglich bei 2,8 Millionen Euro lag. 4400 Ermittlungsverfahren, bei denen eine Schadenssumme von 13 Millionen Euro festgestellt wurde, wurden 2007 abgeschlossen.

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